Kostenloses Schulessen und eine Spitze gegen die CDU Das wollen die Grünen für Castrop-Rauxel

Mehr als Straßenbahnen und kostenloses Schulessen – Das Wahlprogramm der Grünen
Lesezeit

Knapp fünf Monate sind es noch, dann wird in Castrop-Rauxel schon wieder gewählt. Dann geht es aber nicht um den neuen Bundeskanzler, sondern unter anderem um die Wahl des Bürgermeisters und des Stadtrats. Nach den Christdemokraten haben Ende März auch die Grünen ihr Wahlprogramm herausgegeben. Selim Korkutan, der auf Listenplatz 1 ins Rennen geht, sagt: „Progressiver als die CDU, ökologischer als die SPD – das beschreibt unser Programm ganz gut.“ Man wolle „Castrop-Rauxel zukunftsfähig machen“. Wir haben einen Blick aufs über 30 Seiten dicke Wahlprogramm geworfen.

Grüner Faden im Wahlprogramm

Eines machen die Grünen auf lokaler Ebene schnell klar: „Klimaschutz bleibt die große Herausforderung unserer Zeit.“ Im Bundestagswahlkampf Anfang des Jahres bekam die Partei dieses Kernthema noch kaum platziert. „Die Grünen fordern den Ausbau von Photovoltaik auf städtischen Gebäuden, den Ausbau lokaler Stromversorgung und eine kommunale Wärmeplanung“, schreiben die Castrop-Rauxeler Mitglieder zu Beginn der Pressemitteilung zu ihrem Wahlprogramm. Dieses Kernthema zieht sich wie ein grüner Faden durchs Programm – von Mobilität über Energie bis zur Stadtplanung: „Klimaschutz ist Daseinsvorsorge.“

Selim Korkutan, Lehramts-Student aus Castrop-Rauxel, ist auf Listenplatz 1 der Grünen für die Kommunalwahl 2025 gelandet. Er wird damit sicher in den Stadtrat einziehen.
Die acht Spitzenleute der grünen Kandidatenliste für die Kommunalwahl 2025 (v.l.): Holger Schelte, Rosalie Starke, Timo Eismann, Selim Korkutan, Udo Weber, Karsten Zygowski, Uta Fendt und Mika Blum. © Finn Kantus

Eine zunehmende Versiegelung, „die aus der Europastadt im Grünen eine Europastadt im Grauen“ machen solle, lehnen die Grünen „konsequent ab“. Egal ob Wohnraum, Straße oder Gewerbe, wann immer gebaut wird, solle ein aktives Flächenmanagement dafür sorgen, dass Brachflächen sinnvoll genutzt werden und gleichzeitig der Flächenverbrauch minimiert wird.

Das große Ziel der Klimaneutralität sehen die Grünen dabei nicht als Hindernis, sondern als Chance für die Castrop-Rauxeler Wirtschaft, Vorreiter zu werden: „für neue Jobs, für Gründungen und für gemeinwohlorientierte Unternehmen.“ Uta Fendt, Kandidatin auf Listenplatz 3, sagt: „Wir wollen ein nachhaltiges Arbeitsmarktprogramm, das Qualifizierung, soziale Projekte und die Vernetzung von Stadt, Bildung und Wirtschaft fördert.“

Grüne wollen Straßenbahnen zurück

Die vielleicht konkretesten Ideen haben die Grünen beim Thema Verkehr. Der Zustand des ÖPNV sei vielerorts untragbar, an den allermeisten Stellen mindestens ausbaufähig. „Wir fordern eine regelmäßige Taktung von mindestens alle 30 Minuten, besonders in den Randgebieten“, schreiben die Grünen. Als Zukunftsprojekt möchten die Grünen Straßenbahnen reaktivieren. Die Linien 308 aus Gerthe und die Stadtbahnlinie U47 von Dortmund-Huckarde sollen perspektivisch bis in die Europastadt verlängert werden.

„Dass die Straßenbahnen in Castrop-Rauxel und vielen anderen Teilen des Ruhrgebietes der sogenannten ‚autogerechten Stadt‘ weichen mussten, ist aus heutiger Sicht ein Skandal“, so Timo Eismann, Kandidat auf Listenplatz 2 und derzeit Co-Fraktionsvorsitzender der Grünen im Stadtrat: „Castrop-Rauxel muss in Zukunft wieder an das Schienennetz der Straßenbahnen der Nachbarstädte angeschlossen werden“. Auch Dr. Karsten Schneider, der für die SPD Landrat im Kreis Recklinghausen werden möchte, betonte bei seiner Kandidatur die Vision einer Rückkehr der Straßenbahn im Kreis.

Timo Eismann ist Fraktionsvorsitzender der Grünen im aktuellen Stadtrat. Auf Listenplatz 2 wird er mit großer Sicherheit wieder für die Grünen in den Stadtrat einziehen.
Timo Eismann ist Fraktionsvorsitzender der Grünen im aktuellen Stadtrat. Auf Listenplatz 2 wird er mit großer Sicherheit wieder für die Grünen in den Stadtrat einziehen. © Finn Kantus

Beim Individualverkehr setzen die Grünen neben einer Förderung der E-Mobilität vor allem auf Rad- und Fußverkehr: „Durch eine Neuaufteilung des Straßenraums zugunsten von Radfahrenden und Fußgänger*innen wollen wir die Maßnahmen flächenneutral umsetzen. Bisher unversiegelter Raum soll erhalten werden. Das wollen wir z.B. mit einer Verringerung der Fahrbahnbreiten, der Reduktion von zwei auf einspurige Verkehrsführung erreichen.“ Für mehr Sicherheit solle innerorts, wenn möglich, auch eine Beschränkung der Maximalgeschwindigkeit auf 30 km/h sorgen. Straßenneubauprojekte wie die B474n oder die Weiterführung der L 654n auf Schwerin lehnen die Grünen „weiterhin entschieden ab“.

Seitenhieb gegen die CDU

Beim Thema Sicherheit teilen die Grünen auch gegen die CDU aus. Situationen wie die Schlägerei auf der Wartburgstraße hätten viele Castrop-Rauxeler verunsichert, schreibt die Partei. „Wir setzen auf Prävention und Präsenz der Polizei in den Quartieren statt populistischer Forderungen nach mehr Ordnungsdienst“, so Selim Korkutan. Die Stadt brauche echte Lösungen und keine Symbolpolitik. „Dazu zählt, dass die immer wieder aufkommende Forderung der CDU nach mehr kommunalem Ordnungsdienst eine Schein-Lösung im Bereich Sicherheitspolitik ist. Wir setzen auf mehr Polizeikräfte, die wirklich Kriminalitätsbekämpfung verfolgen können. Was soll der kommunale Ordnungsdienst bitte gegen organisierte Kriminalität oder Massenschlägereien tun?“, fragt Korkutan. Stattdessen wollen die Grünen außerdem etwa mehr Präventionsmaßnahmen und – wie auch die CDU – bessere Beleuchtung von Angsträumen.

„Kostenloses, gesundes Mittagessen an Schulen“

Gerade für die Jugend in Castrop-Rauxel wollen sich die Grünen um Lehramts-Student Korkutan mehr einsetzen. Sie sei in der lokalen Politik unterrepräsentiert. „Jedes Kind in Castrop-Rauxel soll ein warmes Mittagessen in der Schule bekommen – unabhängig vom Einkommen der Eltern. Es ist nicht hinnehmbar, dass Kinder in unserer Stadt hungrig lernen müssen, nur weil das Geld zu Hause knapp ist. Deshalb setzen wir uns für ein kostenfreies Schulessen ein“, so Korkutan. Außerdem wollen sich die Grünen für „die umfassende Sanierung und den Neubau von Schulen“ einsetzen. Ein weiterer Schwerpunkt sei der Ausbau von Ganztagsschulen. „Unsere Vision ist ein Bildungssystem, das jedes Kind fördert – unabhängig von Herkunft oder Beeinträchtigung“, sagt Holger Schelte, Kandidat auf Listenplatz 4.

Kultur- und Sportförderung sollten künftig so gestaltet werden, dass Freizeitangebote für alle Kinder bezahlbar sind. Städtische Angebote sollten sogar kostenfrei zur Verfügung stehen. „Aufenthaltsräume im Freien, wie die Umgestaltung des Erin-Parks zu einem jugendfreundlichen Treffpunkt, sind dabei essenziell“, schreiben die Grünen. Auch Spielplätze sollten ausgebaut werden.

Doch nicht nur die Jungen, sondern auch die Älteren sollen besonders in den Blick genommen werden. „Eine Stadt für alle bedeutet auch, dass ältere Menschen selbstbestimmt und gut versorgt leben können. Barrierefreiheit ist hierfür eine Grundvoraussetzung. Gehwege, öffentliche Verkehrsmittel und Wohnräume müssen an die Bedürfnisse älterer Menschen angepasst werden, um Mobilität und Unabhängigkeit zu gewährleisten“, heißt es im Wahlprogramm. Betreutes Wohnen, Mehrgenerationenhäuser und alternative Wohnformen sollen ausgebaut werden.

Förderung von Einbürgerungen

Auch gegen Armut wollen die Grünen konkrete Schritte gehen: „Wir fordern einen städtischen Hilfsfonds für Menschen in Not und einen höheren Anteil an Sozialwohnungen bei allen Neubauprojekten, um bezahlbaren Wohnraum für alle zu schaffen“, erklärt Spitzenkandidat Korkutan und hofft: „Castrop-Rauxel kann ein attraktiver Wohnort für Studierende aus der Region werden – das bringt Leben in die Stadt.“

Beim Thema Migration und Integration will die Partei auf die Förderung von Einbürgerungen setzen: „Der Erwerb der deutschen Staatsbürgerschaft erleichtert die gesellschaftliche Teilhabe und Integration.“ Deshalb setze man sich für mehr Personal in Einbürgerungsbehörden, digitale Verfahren und beschleunigte Abläufe ein. Die beste Integration gelinge durch die Integration in den Arbeitsmarkt. Auch die Unterbringung der Geflüchteten sei ein zentraler Faktor. „Dezentrale Wohnkonzepte spielen dabei eine entscheidende Rolle“, erklären die Grünen: „Geflüchtete sollten in Wohnungen statt in Sammelunterkünften leben können.“

„Stadtplanung darf nie geschlechtsneutral sein“: Nora Chouiqa ist neue Vorsitzende der Jusos