
Der Ausschuss für Bürgerbeteiligung und Stadtteilentwicklung am 28. Oktober 2021 fiel aus. Es war nicht der erste Ausfall. © Thomas Schroeter
Gerangel in Castrop-Rauxel um Bürgerbeteiligung, Ehrenamt und Sport
Politik
Parteien, die nach der Wahl 2014 einen Ausschuss für Bürgerbeteiligung eingeführt haben, wollen ihn nun wieder abschaffen. Stattdessen soll es bald Los-Entscheide geben.
Wird die Stadt Castrop-Rauxel bald einen Bürger-Rat haben? Wird dafür der nach der Wahl 2014 geschaffene Ausschuss für Bürgerbeteiligung abgeschafft und ein neuer Ausschuss für Ehrenamt und Sport gebildet? Es wirkt seltsam, war doch der Ausschuss für Bürgerbeteiligung und Stadtteilentwicklung ein Projekt von SPD und Grünen. Nun planen beide Parteien seine Auflösung.
Es heißt in einem Antrag der beiden Fraktionen an den Stadtrat (Sitzung am Donenrstag, 1.9., ab 17 Uhr) in der Stadthalle und live im Internet zu sehen: „Die Verwaltung wird beauftragt einen Rat aus Bürgerinnen und Bürgern einzurichten, die nach dem Zufallsprinzip ausgewählt werden sollen.“ Ein „barrierearmes Gremium“ werde so geschaffen, „das keine Unterschiede aufgrund von Herkunft, Kultur, Ausbildung oder Geschlecht macht“. Dieser von der Stadt sogenannte Bürger*innenrat solle Probleme und Vorschläge zur Lösung politischer Probleme dem Stadtrat vorschlagen können.

Im Oktober 2014 wurde der Ausschuss für Bürgerbeteiligung und Stadtteilentwicklung ins Leben gerufen. Sein erster Vorsitzender: der heutige Bürgermeister Rajko Kravanja (2.v.l.), hier im Bild mit dem damaligen Beigeordneten Heiko Dobrindt (l.), der stellvertretenden Ausschuss-Chefin Marlies Graeber und Dirk Mai (Geschäftsführer). © Michael Fritsch (Archiv)
Bürgerausschuss fiel schon mehrfach aus
Der bisherige Ausschuss für Bürgerbeteiligung und Stadtentwicklung solle zu einen Ausschuss für Ehrenamt und Sport umgestaltet werden. Der sollte bisher viermal im Jahr tagen, öffentlich und wechselnd in verschiedenen Stadtteilen. Es gab aber mehrere Sitzungen, die mangels Themen ausfielen. Diesem Gremium gehören neben Vertretern der Ratsfraktionen beratende Mitglieder aus dem Integrationsrat und dem Kinder- und Jugendparlament (KiJuPa) an.
Seinem Ziel, die Belange der Bürger in den Ortsteilen aufzugreifen und über aktuelle Projekte, Vorhaben und Entwicklungen im Stadtteil zu informieren, wurde er jedenfalls nach einhelliger Überzeugung nicht immer gerecht. Bürgerdialog fand selten statt, von Bürgern eingebrachte Themen gab es fast nie auf den Tagesordnungen. Derweil sah sich der Sport im Betriebsausschuss 3 kaum seiner Bedeutung in der Stadtgesellschaft gewürdigt.

Yasemin Breilmann ist stellvertretende Vorsitzende des Gremiums. Sie setzt sich gegen seine Abschaffung ein. © CDU
Die CDU als größte Oppositions-Fraktion ist gegen die Idee. Yasemin Breilmann, stellvertretende Vorsitzende des Ausschusses für Bürgerbeteiligung, kritisiert: „Ganz offensichtlich merken SPD und Grüne, dass sie mit ihrer Bürgerbeteiligungspolitik gescheitert sind.“ Besonders absurd findet sie, dass Rot-Grün die Mitglieder rein zufällig aus der Bevölkerung auswählen wolle. „Bürgerbeteiligung nach Zufallsprinzip kann nicht funktionieren und wird schon gar nicht per Knopfdruck durch Schaffung neuer Gremien gewährleistet.“
Beteiligungsmöglichkeiten wie das Bürgerbudget, digitale Vorhabenliste, interaktiver Haushalt oder ein von ihnen beantragtes Kinder- und Jugendbudget seien aktive Bürgerbeteiligung. Bürger hätten jederzeit Rederecht im Ausschuss. Es bedürfe also keines zusätzlichen Rates.

Oliver Lind hält den Plan der Koalition für falsch: Der Sport in "seinen B3", außerdem sei so ein Antrag "durch die Hintertür", ohne das vorher in anderen Gremien zu thematisieren, absolut unüblich. © Marcel Witte
Dr. Oliver Lind, Vorsitzender des Betriebsausschusses 3, kritisiert die Änderung bzw. Errichtung von Ausschüssen: Seit Jahrzehnten erfolgten dies im Konsens konsensual zwischen den Fraktionen. „Anstatt in der interfraktionellen Runde oder im Ältestenrat das Gespräch mit der Opposition zu suchen, wird quasi durch die Hintertür knapp eine Woche vor der Ratssitzung ein entsprechender Koalitionsantrag von der Verwaltung versendet“, so Lind.
Es ergebe keinen Sinn, den Sport aus dem B3 zu ziehen und ein zusätzliches Gremium zu schaffen. „Bürgerinnen und Bürger sehen sich derzeit erheblicher Kostensteigerungen bei Strom, Gas und Konsumgütern ausgesetzt. Dass SPD und Grüne in dieser Situation weitere politische Gremien schaffen wollen, ist nicht vermittelbar.“
Gebürtiger Münsterländer, Jahrgang 1979. Redakteur bei Lensing Media seit 2007. Fußballfreund und fasziniert von den Entwicklungen in der Medienwelt seit dem Jahrtausendwechsel.
