
© Uschi Bläss (A)
Gastronomie in Castrop-Rauxel braucht jeden Kunden und jedes Trinkgeld
Nach Corona-Zwangspause
Lange war fraglich, welche Gaststätten in Castrop-Rauxel wieder öffnen dürfen. Jetzt ist klar: Alle Kneipiers mit Tischen dürfen. Nun sind die Gäste gefordert. Denn es ist ein Überlebenskampf.
Nach dem Shutdown wieder ins Stammlokal: Restaurants und Kneipen in Castrop-Rauxel sind wieder am Start. Lange hatte das Land die Gastronomen im Unklaren gelassen, wer denn eigentlich wieder öffnen darf.
Dürfen nur Gaststätten wieder öffnen, bei denen das Speiseangebot im Mittelpunkt steht? Oder alle Kneipen, in denen es wenigstens irgendwas zu essen gibt? Oder doch alle Pinten? Auch Bürgermeister Rajko Kravanja hatte sich auf Facebook am 9. Mai noch ratlos gezeigt, wie die Bestimmungen genau auszulegen sind: „Ich würde es weiterhin so lesen, dass die Essensversorgung im Vordergrund stehen muss. Das heißt, nicht nur das belegte Brötchen nebenbei anbieten und ansonsten eigentlich eher Kneipe. Aber, bitte den Einzelfall prüfen lassen!“
Auch echte Bierkneipen wieder geöffnet
Inzwischen sind die Anordnungen konkretisiert worden. Dazu heißt es in einer ergänzenden Handreichung des Landes: „Es gibt insbesondere keine Unterscheidung zwischen den Begriffen Schankwirtschaft und Speisewirtschaft. Dies hat seinen Hintergrund vor allem in praktischen Erwägungen: Eine Speisewirtschaft liegt bereits dann vor, wenn irgendwelche zubereiteten Speisen angeboten werden, wobei die Zubereitung nicht selbst vorgenommen worden sein muss.“
Deshalb sei zur Öffnung entscheidend die klare Verpflichtung, „das Angebot auf einen Service an Tischen (sitzend!) zu beschränken, die mit Mindestabstand aufgestellt sind“.
Nun sind also auch echte Kneipen wie Klapsmühle, Zum Bus, Marktschänke oder Treffpunkt wieder geöffnet. Doch in Zeiten der Pandemie sei die Geduld der Gäste gefragt. Darauf weist die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) hin: „Wirte und Kellner freuen sich nach extrem harten Wochen auf Kundschaft. Jetzt zählt jedes getrunkene Bier“, sagt NGG-Gewerkschaftssekretär Adnan Kandemir.
Kunden sollten mehr Geduld mitbringen
Mit Blick auf Abstands- und Hygieneregeln werde der Restaurantbesuch ein anderer sein. Gäste sollten mehr Zeit mitbringen als sonst – und Verständnis für die Situation des Personals.
„Einerseits soll die Gastronomie endlich wieder Genuss und Geselligkeit möglich machen. Andererseits darf die Branche unter keinen Umständen zum Infektionsherd werden“, so Gewerkschafter Kandemir.
Im Kreis Recklinghausen beschäftigt das Hotel- und Gaststättengewerbe laut Arbeitsagentur 8700 Menschen. Viele von ihnen seien auf den ersten vollen Lohn nach langer Zeit in Kurzarbeit angewiesen, so die NGG Ruhrgebiet. „Deshalb gilt jetzt erst recht: Jedes Trinkgeld tut gut.“
Doch nicht alle Gastronomen in Castrop-Rauxel nutzen die Möglichkeit zu öffnen. Das kleine Il Caffé von Aldo Segat etwa beschränkt sich weiter auf einen Abholservice für Speisen. Und auch die Burgerschmiede Acht34 am Münsterplatz bleibt weiter geschlossen. Manchmal ist das Platzangebot dafür entscheidend, manchmal ist fraglich, ob sich die Öffnung angesichts geringerer Kundennachfrage für Gastronomen überhaupt (noch) lohnt.
Szenekenner fürchten Gastro-Pleiten
Und so fürchten Kenner der Szene, dass so mancher Gastronom auf der Strecke bleiben könnte. Denn Pachtzahlungen und Nebenkosten wie Strom, Versicherung etc. laufen weiter, die Einnahmen aber fallen entweder komplett weg oder sind auch nach der Wiedereröffnung noch längst nicht auf dem Vor-Corona-Niveau.
Von der generellen Wiedereröffnung des Gastgewerbes profitieren auch andere Branchen. „Über viele Wochen mussten Brauereien die Belieferung der Gaststätten stoppen. Jetzt gibt es immerhin einen Lichtblick für die Branche“, sagt Kandemir. Nach einer aktuellen Umfrage haben 88 Prozent aller Brauereien Kurzarbeit angemeldet.
Betroffen war auch die Ernährungsindustrie, denn wichtige Großabnehmer in der Gastronomie mussten ihre Bestellungen stornieren. Das ändert sich laut NGG gerade wieder.
1961 geboren. Dortmunder. Jetzt in Castrop-Rauxel. Vater von drei Söhnen. Opa. Blogger. Interessiert sich für viele Themen. Mag Zeitung. Mag Online. Aber keine dicken Bohnen.
