Castrop-Rauxel setzt auf ein simples Prinzip Es hilft bei Starkregen und gegen Hitzewellen

Mit dem „Schwamm-Prinzip“ gegen die Folgen des Klimawandels
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Das Jahrhunderthochwasser im Juli 2021 schlug auch in Castrop-Rauxel mit voller Gewalt zu: Feuerwehr-Einsätze im Minutentakt, heftige Regenfälle mit stellenweise 20 Litern auf einen Quadratmeter, der Mühlenbach in Frohlinde trat über die Ufer, am EvK drang Wasser in das Gebäude der Radiologie ein.

Klimaexperten warnen auch für die Zukunft vor solchen Starkregenereignissen. Jüngst regnete es auch stark, einige Keller liefen voll, die Emscher wurde zum reißenden Fluss. Da das Regenwasser kaum noch versickern kann, werden Abwasserkanäle und Klärwerke überlastet. Die jüngsten Ereignisse zeigen, dass wir uns besser auf die Wassermassen vorbereiten müssen. Was tut die Stadt Castrop-Rauxel dagegen?

„Schwammstadt“ – einfach genial?

Eine „Schwammstadt“ könnte die Lösung sein und gleichzeitig helfen, Wohnquartiere während Hitzewellen besser zu kühlen sowie den natürlichen Wasserkreislauf vor Ort zu erhalten. Das Konzept ist einfach, aber genial: eine Stadt saugt dank ihrer clever angelegten Strukturen Niederschläge auf wie ein Schwamm und gibt sie später bei Bedarf gezielt ab.

Stadtplanung und -entwicklung, EUV Stadtbetrieb und das städtische Immobilienmanagement sehen die Umsetzung des Konzepts der Schwammstadt als wichtige Aufgabe an. Pressesprecherin Nicole Fulgenzi nennt mögliche Maßnahmen: „Die Versickerung von Regenwasser statt Zuleitung zur Kanalisation und ein Entgegenwirken der Aufheizung können durch Entsiegelung von Flächen erreicht werden. Rigolen dienen beispielsweise zur Zwischenspeicherung von Regenwasser“, sagt sie und zählt weiter auf: Wasserflächen trügen durch Verdunstung zur Kühlung der Umgebung bei. Stadtbäume, Grünflächen und Dachbegrünung dienten der Kühlung, böten aber auch Pflanzen und Tieren Lebensräume. „Zudem federn die Maßnahmen der Regenwasserversickerung die Folgen von Starkregenereignissen ab.“

Klimaanpassungskonzept der Stadt

Mit dem im Juni 2021 vom Stadtrat beschlossenen Klimaanpassungskonzept wurde ein strategischer Rahmen gesetzt, um die Folgen des Klimawandels in Castrop-Rauxel zu mindern, die Stadt resilienter gegenüber den durch den Klimawandel spürbaren Veränderungen zu machen. Welche Maßnahmen aber sind bisher durchgeführt worden? Wie sieht die weitere Planung aus?

Die Regenwasserversickerung spielt eine wichtige Rolle: So wird mittlerweile das Regenwasser von Sportflächen so abgeleitet, dass es versickern beziehungsweise durch Rückhaltung genutzt werden kann. Bereits 2004 wurde für den Verwaltungsneubau an der Fridtjof-Nansen-Realschule statt eines Kanalanschlusses eine Versickerungsanlage für Regenwasser eingebaut. Auch beim Neubau des Quertraktes und der neuen Sporthalle der Realschule wird Regenwasser versickert. Weitere Versickerungsanlagen gibt es am Ernst-Barlach-Gymnasium, an der Grundschule Am Busch sowie am Kindergarten Lummerland.

Entsiegelung von Flächen

Die Entsiegelung von Flächen, Schulhöfe oder Sportflächen zum Beispiel, ist ein weiteres Element im Konzept der Schwammstadt. Die ehemaligen Beton-Tennisplätze im Goldschmiedingpark wurden in eine Grünfläche umgestaltet. Ziel war es, die Fläche der Natur wieder zuzuführen und klimaresilient zu gestalten. Hierzu wurde nicht nur die alte Asphaltfläche abgetragen; jetzt wachsen hier Wiesengräser und Bäume.

Die ehemaligen Tennisplätze im Goldschmiedingpark wurden wieder der Natur zugeführt.
Die ehemaligen Tennisplätze im Goldschmiedingpark wurden wieder der Natur zugeführt. © Dieter Düwel

Wie sieht es mit den Neubaugebieten „Beerenbruchviertel“ und „Wohnen an der Emscher“ aus? Nicole Fulgenzi erklärt, dass alle neuen Planverfahren die Regenwasserversickerung und Verdunstung berücksichtigen. Beide Neubaugebiete haben Retentionsbecken und unterirdische Regenrückhaltung.

Nicht zu sehen, aber trotzdem relevant für die Schwammstadt ist die Speicherung von Niederschlagswasser in Baumrigolen. Wie in einem Schwamm wird Regenwasser aufgenommen und steht den Bäumen in Trockenphasen zur Verfügung. Durch die Pufferzone der Baumgrube können sich Wurzeln besser ausbreiten, was die Lebensdauer der Bäume erhöht. Die Bäume verdunsten zudem mehr Wasser und tragen zur Kühlung des städtischen Klimas bei. Baumrigolen gibt es am Schöttelkamp, am Habinghorster Markt und an anderen Stellen.

Dach- und Fassadenbegrünung

Im Jahr 2021 legte die Stadt ein Förderprogramm zur Dach- und Fassadenbegrünung auf, das Hauseigentümern Geld für die Installation einer Dach- oder Fassadenbegrünung mit vorrangig heimischen Pflanzen bot. Von August 2021 bis Mai 2022 wurden laut Presseamt elf Dächer und eine Fassade begrünt.

Gründächer auf neuen städtischen Immobilien sind schon Standard, wie beim Neubau der Feuerwehrwache an der Pallasstraße, an der Fridtjof-Nansen-Realschule, der Wilhelmschule und der Lindenschule. In Planung ist auch ein Gründach auf der neuen Kita „Harkortschule“. Das im Bau befindliche Bürgerzentrum bekommt an der Stirnseite eine Fassadenbegrünung.

Weitere Projekte und Maßnahmen tragen den Gedanken der Schwammstadt in sich, zum Beispiel das Projekt „Gießkannenhelden“ oder der finanzielle Anreiz zur Umgestaltung von Schottergärten. Erste mobile Stadtbäume werden nach Angaben der Pressestelle nach den Sommerferien aufgestellt. Das „Blütenprogramm“ hat Spuren hinterlassen. Blühwiesen und Staudenbepflanzungen sind über das ganze Stadtgebiet verteilt.

Noch recht neu: Staudenbepflanzung an der Maslingstraße
Noch recht neu: Staudenbepflanzung an der Maslingstraße © Dieter Düwel

Der Trinkwasserspender, der in der Altstadt mit der Gelsenwasser AG aufgestellt wurde, trägt auch zur Nachhaltigkeit bei. Michael Werner, Vorstand des EUV, erklärt: „Das Wasser, das auf dem Boden landet, fließt nicht in die Kanalisation ab. Es versickert über eine Rigole am benachbarten Baum und versorgt ihn.“ Fünf weitere Trinkwasserspender sind in Planung.

Einweihung des Trinkwasserspenders in der Altstadt
Einweihung des Trinkwasserspenders in der Altstadt © Archiv

Wie sind die Maßnahmen, die bisher ergriffen wurden und die geplant sind, einzuordnen? Michael Werner sieht die Stadt auf dem richtigen Weg: „Gerade die Unwetter am Donnerstag und Freitag haben wieder gezeigt, dass wir mitten im Klimawandel sind. Die Dringlichkeit des Problems kommt allerdings bei den Bürgern erst immer dann an, wenn Wasser die Kellertreppe runter läuft.“

Die Wiese vor dem Forumsplatz ist Teil des Blütenprogramms.
Die Wiese vor dem Forumsplatz ist Teil des Blütenprogramms. © Dieter Düwel

Daher fordert Werner, noch besser mit der Natur umzugehen: „Das heißt, wir müssen uns anpassen. Wir müssen weniger versiegeln, mehr offene Gewässer und Verdunstungsmöglichkeiten haben.“

Der EUV-Vorstand sieht die Stadt dafür gut aufgestellt. Austausch und Zusammenarbeit mit den anderen Ruhrgebietsstädten dienen dem langfristigen Ziel, die ganze Region klimaresilient zu machen.

Um die Folgen des Klimawandels abzumildern und das Stadtleben der Bürger nachhaltig attraktiver zu gestalten, haben sich die 16 Städte der Emscher-Region mit der Emschergenossenschaft in der Zukunftsinitiative „Klima.Werk“ (www.klima-werk.de) zusammengeschlossen. Die Förderkulisse des Projekts „Klimaresiliente Region mit internationaler Strahlkraft“ des Landes NRW umfasst das Gebiet des Regionalverbandes Ruhr (53 Städte und Gemeinden). In den klimafesten Wandel sollen bis 2030 rund 250 Millionen Euro investiert werden. In ausgewiesenen Gebieten sollen 25 Prozent der befestigten Flächen abgekoppelt und die Verdunstungsrate um 10 Prozentpunkte gesteigert werden.

Die Stadt Castrop-Rauxel entwickelte ein Klimaanpassungskonzept, das nach öffentlicher Beteiligung am 24.06.2021 im Rat der Stadt beschlossen wurde.

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