In 60 Jahren lief der Keller immer wieder voll Hannelore Andrä hat bei jeder Warnung Angst

Immer wieder läuft der Keller voll : Andräs bei jeder Warnung in Angst
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Es gluckerte so komisch. Kurz nach Mitternacht. Da wusste Hannelore Andrä sofort Bescheid. Die Castrop-Rauxelerin stand aus dem Bett auf, lief in den Keller und sah, wie das Wasser stieg. Seit 60 Jahren wohnt sie mit ihrem Mann Herbert im Haus in den Ickerner Aapwiesen.

Ein hübsches, ruhiges Viertel, in dem man zusammenhält und gern mit den Nachbarn über den Gartenzaun hinweg schnackt. Wenn Herbert und Hannelore über ihren schauen, blicken sie auf die Bäume, die das Friedhofsgelände einrahmen. Ihr Rasen ist ordentlich gepflegt, aber sie haben an diesem Freitag Fußmatten und Teppiche darauf verteilt. Die liegen zum Trocknen bei 27 Grad in der Sonne. Hübsches Sommerwetter eigentlich. Wenn da nicht diese Nacht gewesen wäre.

„Bis 3 oder 4 Uhr haben wir im Keller gestanden“, sagt Hannelore Andrä. Und das nicht zum ersten Mal: Vor zwei Jahren, da hätte das Wasser fast einen Meter hoch gestanden. Das kennt man ja. „Da lief das Wasser wie ein Sturzbach über eine Kaskade von außen die Treppe runter in den Keller“, erinnert sie sich, als unsere Redaktion sie besucht. Es kam aus den Gullys, vom Friedhof herunter, von den Feldern.

Herbert Andrä, wie seine Frau an diesem Tag ein bisschen müde, zeigt auf die Nachbarstraßen die Breslauer rauf: „Das Wasser drückt von dort hier runter und spült dann die Gullydeckel hoch“, erklärt er. Das mit den Kanälen sei hier einfach nicht gut gelöst.

Aapwiesen an der Emscher gelten als gefährdet

Eine Karte im Geoportal des Kreises Recklinghausen im Internet zeigt das eindeutig: Die Aapwiesen, eine Wohnsiedlung, gebaut nach dem Krieg in die Emscheraue hinein, sind ein Problemgebiet. Wenn es Extremwetter oder schwere Unwetter gibt, dann sind die vielen Reihenhäuser hier gefährdet, ein stückweit abzusaufen. Auch In der Wanne direkt auf der anderen Seite der Emscher: problematisch.

Der Emscher selbst sieht man am Tag nach der Unwetternacht deutlich an, dass es übermäßig viel Regen gab. Sie fließt im hohen Tempo und bis zum Rand gefüllt unter der Brücke an der Waldenburger Straße durch. Rundherum, meldet die Feuerwehr, habe es rund 60 Einsätze gegeben. Schwerpunkte: Henrichenburg und Ickern. In anderen Häusern nebenan habe die Feuerwehr Keller ausgepumpt.

Herbert Andrä kommt mit dieser Tauchpumpe seit Jahrzehnten ganz gut zurecht. Auch in dieser Nacht pumpte er mit ihr das Wasser aus dem Haus.
Herbert Andrä kommt mit dieser Tauchpumpe seit Jahrzehnten ganz gut zurecht. Auch in dieser Nacht pumpte er mit ihr das Wasser aus dem Haus. © Tobias Weckenbrock

Herbert Andrä hält die Baumarkt-Tauchpumpe hoch: 20 Jahre leiste das 20-Euro-Gerät gute Dienste. Nur einen größeren Schlauch, wie die Feuerwehr sie hat, könnte er mal anbringen, meint seine Frau Hannelore.

Sie brauchten diesmal keine Hilfe von der Feuerwehr. Sie halfen sich selbst. Wie beim Schacht und der Gosse am Straßenrand vor seinem Gartenzaun auch, sagt Herbert: Die mache er immer sauber. Tut ja sonst keiner.

Angst um die Heizungsanlage

Schon lange stehe bei ihnen im Keller nichts mehr auf dem Boden rum. Höchstens wasserdichte Kisten. „Ich mache mir nur immer Sorgen um den Heizungskeller“, so Hannelore Andrä. „Da muss man ja Tausende Euro hinlegen für eine neue Anlage, wenn die alte absäuft“, sagt sie.

Die Nachbarin, eine junge Frau, wirft ein paar nasse Pappkartons aus ihrer Haustür. Hannelore Andrä ruft rüber: „Na, auch Wasser im Haus gehabt?“ „Ja“, antwortet die Frau. „Aber nur ein paar Zentimeter. Endlich mal ein Grund, etwas auszumisten“, sagt sie und lacht. Sie werde sich bald mal eine paar Plastikkisten zulegen...

Hannelore und Herbert Andrä haben bei Unwetter-Warnungen jedes Mal Angst um ihr Haus.
Hannelore und Herbert Andrä haben bei Unwetter-Warnungen jedes Mal Angst um ihr Haus. © Tobias Weckenbrock

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