Familie Hosse mit Nia (7) in Frohlinde: Das Kind wurde 2020 in die Lindenschule eingeschult. Aber in die OGS geht Nia zurzeit nicht.

© Famile Hosse

Familie stellt Zahlung der OGS-Beiträge wegen Corona-Pandemie ein

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135 Euro im Monat bezahlen, aber keine Leistung in Anspruch nehmen: Das will Familie Hosse aus Castrop-Rauxel nicht mehr. Sie hat die Zahlung der Beiträge für die Betreuung von Nia (7) eingestellt.

Frohlinde

, 21.04.2021, 20:00 Uhr / Lesedauer: 3 min

Die Kindertagesstätten in Castrop-Rauxel sind derzeit nur halb so voll wie sonst. Etwa 50 Prozent der Kinder kämen in der aktuellen Pandemie-Lage in die Kitas, teilt die Stadt auf Anfrage mit. Aus manch einer Einrichtung ist zu hören, dass nur gut ein Drittel der Kinder kommt. Die anderen 50 Prozent oder zwei Drittel: Sie werden offenbar zu Hause betreut.

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Vergleichbar ist die Situation in der Offenen Ganztagsschule: Hier werden Kinder nach dem Unterricht in der Grundschule betreut. Deutlich weniger zurzeit als üblich.

Alle Eltern zahlen die Kindergarten- und OGS-Beiträge für ihr Kind, wenn es beitragspflichtig ist. Egal, ob es Kita oder OGS besucht oder schon seit Monaten nicht. Die Höhe der Gebühr hängt vom Familieneinkommen an. Bei manch einer Familie kommen 300, 400 oder gar 500 Euro zusammen, bei Familie Hosse sind es 135 Euro für die OGS an der Lindenschule. Monat für Monat.

Viele Eltern wollen die Pandemie ausbremsen

Das Kind nicht zu bringen, ist ein freiwilliger Akt der Solidarität: Denn die Eltern, die so handeln, tun es, um das Kind und die Familie, aber damit auch die Gesellschaft vor einer weiteren möglichen Corona-Infektion zu schützen. Wer sein Kind nicht in die Kita bringt, vermeidet Kontakte. Und muss trotzdem genauso weiter zahlen wie jemand, der sein Kind Tag für Tag in die Einrichtung bringt.

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In vielen Familien ist das aufgrund der Jobsituation der Eltern unvermeidbar: Sie schaffen es einfach nicht, das Kind selbst zu betreuen und gleichzeitig zu arbeiten. Sie haben, das vorweg, vollen Anspruch auf die Betreuung: Die Betreuungszeit ist um zehn Stunden reduziert, aber sonst läuft alles abgesehen von diversen Hygienemaßnahmen wie üblich.

„Seit einem Jahr versuche ich den Spagat zwischen Arbeit, Kind, Haushalt ohne jegliche Hilfe hinzubekommen, um alle zu schützen.“
Carina Hosse

Carina und Benjamin Hosse geben ihre Tochter Nia (7) dennoch nicht mehr in die OGS der Lindenschule in Frohlinde. Nia geht dort in die 1. Klasse, soll aber nicht einem unnötig großen Infektionsrisiko ausgesetzt werden. „Seit einem Jahr versuche ich den Spagat zwischen Arbeit, Kind, Haushalt ohne jegliche Hilfe hinzubekommen, um alle zu schützen“, schrieb Carina Hosse kürzlich in einer E-Mail an den Bürgermeister. Auch, vielleicht sogar besonders die Großeltern. „Und der Dank ist, dass wir monatlich 135 Euro zahlen müssen?“

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„Es ist meiner Meinung nach an Dreistigkeit kaum zu überbieten“, findet Carina Hosse, „seit Monaten kaum Unterricht anzubieten, OGS bitte nur in dringenden Fällen, hier gibt es dann Lunchpakete... und sich dafür auch noch die vollen Beiträge einzustecken.“

Nia (7) geht eigentlich gern in die Lindenschule. Und auch in der OGS macht ihr das Spielen mit den anderen Kindern Spaß. Aber Corona hat viel verändert.

Nia (7) geht eigentlich gern in die Lindenschule. Und auch in der OGS macht ihr das Spielen mit den anderen Kindern Spaß. Aber Corona hat viel verändert. © Famile Hosse

Sie arbeitet 30 Stunden in der Woche, ihr Mann im Schichtdienst in Vollzeit. „Nia hat in der OGS zu Mittag gegessen. Jetzt ist sie um 12 Uhr zu Hause und hat Hunger“, sagt ihre Mama. Eigentlich schafft sie es nicht, bis dahin etwas zu kochen.

Der entsprechende Brief der Lindenschule an die Eltern liest sich tatsächlich wie eine Aufforderung, das Kind nicht in die OGS zu schicken: „Sollten Sie nicht die Möglichkeit haben, Ihr Kind zu Hause zu betreuen, bieten wir wieder ein Not-Betreuungsangebot an“, heißt es in dem Schreiben, das unserer Redaktion vorliegt. Und es geht auch nur per Antrag. Im Klartext heißt das: Die Eltern werden so oder so voll zur Kasse gebeten, müssen aber beantragen, dass ihr Kind das Angebot wahrnehmen darf.

Carina Hosse berichtet, dass andere Eltern genauso sauer seien und die Zahlung der Beiträge und für das Essen in der OGS eingestellt hätten. Das habe sie nun auch getan.

Antwort der Stadt: „Es tut mir Leid“

Und was macht die Stadt? Sie ändert nichts. Immerhin antwortet sie aber auf die Mail von Carina Hosse. „Es ist leider in der Tat so, dass das Land NRW einer Erstattung nicht zugesagt hat“, heißt es in einer Antwort aus dem Vorzimmer des Bürgermeisters. „Uns ist bewusst, dass diese Entscheidung für viele Familien eine hohe zusätzliche Belastung darstellt, weshalb Herr Kravanja sich weiterhin dafür stark macht, eine mögliche Erstattung der Beiträge über das Land zu bewirken“, schreibt die Mitarbeiterin aus dem Vorzimmer des Bürgermeisters. Der habe sie gebeten, ihr zu antworten. „Es tut mir leid, Ihnen in dieser Angelegenheit bisher keine positive Rückmeldung geben zu können und wünsche Ihnen und Ihrer Familie alles Gute!“

Ohne die Erstattung des Landes könne sich die Stadt den Erlass der Gebühren übrigens nicht leisten, hatte Bürgermeister Kravanja im Interview mit unserer Redaktion bestätigt. Denn die Kosten vor allem für das Personal müsse sie weiterhin tragen.

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Die Osterferien verbrachte Nia in Quarantäne. Es gab einen Positivfall in der OGS. Das brachte sie zu der Entscheidung, es besser sein zu lassen. Dort kann nicht so genau für die Kontaktnachverfolgung getrennt werden kann wie im Klassenraum. Die OGS an der Lindenschule, sagt Carina Hosse, besuchten zu normalen Zeiten um die 80 Kinder. Die Plätze sind extrem begehrt. Eigentlich gibt es in Castrop-Rauxel sogar Jahr für Jahr eine höhere Nachfrage als angebotene Plätze.

Zurzeit gingen so um die 20 Kinder in die Betreuung an der Lindenschule. Auch andere Eltern sollen ihre Zahlung schon längere Zeit eingestellt haben. Eine Mutter schon seit Februar. Sie habe Carina Hosse dasselbe empfohlen. Und, wurde sie schon per Mahnung von der Stadt zur Zahlung aufgefordert? „Nein“, sagt Carina Hosse.

„Ich finde, wir müssen etwas dagegen tun“, meint sie. „Sonst wird sich da nichts bewegen.“

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