Ein Zitat, das sich verselbstständigt hat. Im Kontext der Massenschlägerei an der Wartburgstraße von Bürgermeister Rajko Kravanja geäußert, hat er es jetzt, fast ein Jahr nach der Äußerung, erklärt. „Wir haben kein Problemviertel in Castrop-Rauxel“, sagte er damals in der gekürzten Fassung eines Interviews gegenüber dem WDR. Die gewalttätigen Auseinandersetzungen fanden ein regionales Echo. Und seine Aussage im WDR heftigen Widerhall in Castrop-Rauxel, vor allem auf Facebook.
Er sei oft auf diese Aussage angesprochen worden, sagte Kravanja nun am Montagabend (29.4.2024) in einer Facebook-Sprechstunde, die rund 90 Minuten lang lief und die live auf Facebook gestreamt wurde. Darin stellte ihm der Rauxeler Guido Baumann, Moderator und Admin der großen Facebook-Gruppe „Du bist Castroper, wenn...“ mit über 25.000 Mitgliedern, Fragen. Und gleich zu Anfang widmete sich der Bürgermeister diesem Themenkomplex.

Rückblende in den vergangene Sommer: Damals stritten sich zwei Großfamilien mit Waffengewalt auf der Wartburgstraße hinterm Hauptbahnhof und lösten damit einen gewaltigen Polizeieinsatz aus, der große Ermittlungen nach sich zog, die bis heute laufen. Im Zentrum standen Männer mit familiär syrischen und türkisch-libanesischen Wurzeln, die auf eigene Faust (hier wörtlich zu nehmen) einen Konflikt lösen wollten, der zwischen Kindern an einem Dienstag begann und am Donnerstagabend in den Gewaltszenen gipfelte.
Am Morgen danach stand Kravanja im Anzug vor dem Rathaus vor einer Kamera des WDR und sagte in einem 19-sekündigen Ausschnitt: „Es war kein Problemviertel. Es ist kein Problemviertel. Wir haben auch kein Problemviertel in Castrop-Rauxel. Es sind immer punktuelle Dinge, die uns da zu schaffen machen. Aber die haben Sie in jeder Stadt. Und insofern ist es eben eher ein bundesrepublikanisches Problem. Das müssen wir eben gesamtgesellschaftlich lösen, nicht nur in Castrop-Rauxel.“
Bei Facebook wurde er in der Woche drauf dafür derbe angeschossen: Er verschließe die Augen, die Wartburgstraße, die Lange Straße, ein Teil von Merklinde seien sehrwohl problematisch. „Erbärmlich“ und „unglaublich“, so Kritiker unter anderem.
Im Zusammenhang mit der Razzia von Freitagabend unter anderem im Saunaclub Penelope, vor der er Landes-Innenminister Herbert Reul am Rathaus in Empfang nahm, sagte er nun, er werde „immer verprügelt“ für die Aussage von damals. Verbal, versteht sich. „Es stimmt, ich habe das damals so gesagt. Man darf aber den Kontext nicht aus den Augen verlieren, in dem ich das gesagt habe.“ Es sei auf ganze Stadtteile bezogen gewesen.
Es gebe keine Problem-Stadtteile, wiederholte er nun am Montagabend (29.4.2024), und nur das habe er gemeint. „Aber es gibt Problemstraßen oder Teile von Straßen“, so Kravanja, „das sage ich immer wieder, und die haben wir ja auch im Blick. Dazu gehören auch die Dinge, die wir nun unter die Lupe genommen haben.“
Rauxel sei „kein Problem-Stadtteil im Ganzen, aber natürlich ist der Bereich um den Bahnhof sehr kritisch“, so Kravanja. Genauso sei die Situation auf der „Lange Straße an eins, zwei Punkten sehr kritisch, die müssen wir beobachten. Aber deshalb ist nicht der ganze Stadtteil Habinghorst ein Problemviertel“.
Im Sommer 2023 sagte Kravanja aber auch, die Wartburgstraße, die man sicher zum Bereich Bahnhofsumfeld zählen kann, sei bisher nicht auffällig gewesen. Inzwischen gibt es dort aber mehr Präsenz der Ordnungskräfte und Polizei. Auslöser waren unter anderem eine Eisenstangen-Schlägerei, zuletzt auch ein Macheten-Angriff auf dem Berliner Platz. Anwohner und Geschäftsleute aus umliegenden Läden berichten, es sei zunehmend problematisch.