Erlass-Chaos um vorgezogene Booster-Impfung in Castrop-Rauxel
Coronavirus
Vier Wochen statt fünf Monate: Die Wartezeit zwischen Zweit- und Booster-Impfung kann drastisch verkürzt werden. In Castrop-Rauxel setzen verschiedene Stellen den Erlass unterschiedlich um.
Diese Entscheidung kam unerwartet: Laut einem neuen Erlass können sich die Castrop-Rauxeler ab sofort schon vier Wochen nach der Zweitimpfung ihren Booster abholen. So hat es das NRW-Gesundheitsministerium am Montag (13.12.) beschlossen.
Damit wird die Wartezeit deutlich verkürzt: Bislang war die Booster-Impfung erst nach frühestens fünf Monaten möglich. Nun folgt das Land aber einer Empfehlung der Ständigen Impfkommission (Stiko). Sie ist an Personen mit schwer eingeschränktem Immunsystem gerichtet.
Beim Kreis Recklinghausen sei der neue Erlass noch am Montag (13.12.) eingegangen, bestätigt Lena Heimers von der Pressestelle. Er wird nun umgehend umgesetzt: „Wir haben die Impfstellen heute morgen darüber informiert”, erklärt Heimers am Dienstag (14.12.).
Niemand wird abgewiesen
Die Stiko, so Heimers, empfehle die geringere Wartezeit zwar nur für besonders gefährdete Personen, aber „Erlass ist Erlass.” Und in dem heißt es wörtlich: „Personen, bei denen die Grundimmunisierung weniger als fünf Monate zurückliegt, sind jedoch nicht zurückzuweisen und ebenfalls zu impfen – sofern ein Mindestabstand von vier Wochen erreicht ist.”
Für Castrop-Rauxel heißt das: Im kommunalen Impfzentrum am Europaplatz kann sich jeder ab sofort schon nach vier Wochen boostern lassen. Unterschiede zwischen Personen mit einem gesunden und geschwächten Immunsystem werde es vor Ort nicht geben.
Und nicht nur dort wird der Booster schon nach vier Wochen angeboten: „Wenn jemand die Auffrischung früher möchte, wird er sie auch kriegen”, sagt Frank Westerhaus von der Gemeinschaftspraxis am Castroper Stadtgarten.
Er sehe darin einen Schritt raus aus der Krise: „Wir können ja nicht auf einer Seite Panik machen und auf der anderen keine Lösungen anbieten”, sagt Westerhaus. Ohnehin gebe es noch nicht genug Daten, um genau zu beurteilen, wann genau die Auffrischung des Impfschutzes notwendig sei.
Daher wolle Westerhaus auch lieber „auf die sichere Seite wechseln”. Ob die vorzeitige Booster-Impfung auch bei gesunden Personen sinnvoll sei, wolle er nicht bewerten: „Ich bin kein Virologe und kann nur als Mediziner sagen, dass eine Impfung zu viel besser als eine zu wenig ist”, erklärt Westerhaus.
Anders sah das am Dienstag auf Anfrage unserer Redaktion Dr. Holger Knapp von der Gemeinschaftspraxis in Ickern: „Der Zweck einer Booster-Impfung ist es, den nachlassenden Impfschutz wieder aufzufrischen", erklärt der Arzt. Eine gesunde Person habe aber auch nach Monaten noch genug Antikörper.
Zunächst habe er es daher auch für einen Druckfehler gehalten, als er von dem neuen Erlass gelesen hat: „Fünf Monate auf vier Wochen ist ein extremer Schritt”, sagt Knapp.
Gesunde Patienten bekommen dritte Spritze nicht früher
Daher werde er Patienten mit einem intakten Immunsystem auch nicht früher boostern: „Auf den Tag genau kommt es nicht an, aber mindestens vier Monate sollten schon zwischen den Impfungen liegen”, erklärt Knapp.
Das bestätigt auch Mona Vosseler von der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe (KVWL): „Eine vorzeitigere Auffrischungsimpfung macht unseres Erachtens nach keinen Sinn”, erklärt die Sprecherin.
Höherer Aufwand in den Impfstellen befürchtet
Die KVWL befürchte nun einen „erhöhten Beratungsaufwand vor Ort.” Daher empfiehlt sie ihren Mitgliedern in den Praxen, den Impfabstand nicht zu verkürzen.
Anders sei es jedoch bei immungeschwächten Personen. Hier könne die vorzeitige Auffrischung sinnvoll sein, „da bei diesen Menschen von einer stark verminderten Impfantwort ausgegangen werden kann.”
Auch Holger Knapp kündigte an, eine Ausnahme bei immungeschwächten Patienten zu machen. Es sei gut, dass sie nun schneller an die Booster-Impfung kommen können. In diesen Fällen werde er die Auffrischung dann schon nach vier Wochen durchführen.
Doch dafür nun eine allgemeine Empfehlung auszusprechen, führe laut Knapp nur zu Problemen: „Es wäre logistisch gar nicht umsetzbar, wenn ja quasi jeder für den Booster kommen könnte, der schon zweimal geimpft wurde”, erklärt der Arzt.
Knapp erinnerte an den Moment, als der Mindestabstand zur Booster-Impfung auf fünf Monate heruntergesetzt wurde: „Schon da haben wir erlebt, dass es einen plötzlichen Ansturm auf die Arztpraxen gab”, erzählt der Mediziner.
Viele würden keinen Termin mehr bekommen
Eine mögliche Folge: Viele Menschen, für die eine Booster-Impfung notwendig wäre, könnten keinen Termin mehr bekommen. Diese Szenarien wolle Knapp daher unbedingt vermeiden.
In einem Punkt könne er den Erlass aber verstehen: „Durch die schnellere Booster-Impfung könnte man sich einen Vorsprung verschaffen, um vor die nächste Welle zu kommen”, so Knapp. Vor allem im Hinblick auf die Omikron-Variante des Coronavirus sei das jetzt wichtig.
Studiert Economics und Journalismus in Dortmund, schreibt über die Menschen und ihre Geschichten in Castrop-Rauxel, schätzt die Vielfalt und Mentalität im Ruhrgebiet. Arbeitet sich gerne in verschiedenste Themen ein und fühlt sich daher im Lokaljournalismus richtig aufgehoben.