Einzelhandel mit Leben füllen: Konzept der Stadt

Zentren- und Einzelhandelskonzept

Das Zentren- und Einzelhandelskonzept für Castrop-Rauxel wird fortgeschrieben. Vor dieser Entscheidung wurde am Donnerstag im Rat allerdings grundlegend diskutiert. Dabei ging es weniger um das Konzept als solches, sondern darum, wie man es eigentlich mit Leben füllt. Wir erklären Punkt für Punkt die Details.

CASTROP-RAUXEL

, 26.11.2016, 07:31 Uhr / Lesedauer: 4 min
Einzelhandel mit Leben füllen: Konzept der Stadt

Zentren- und Einzelhandelskonzept  - was ist das überhaupt?

Beim Zentren- und Einzelhandelskonzept handelt es sich um ein Steuerungsinstrument. Auf Grundlage des Schriftstücks kann man Flächennutzungs- und Bebauungspläne begründen, die zum Beispiel keine Geschäfte an bestimmten Orten in der Stadt zulassen. Oder andersrum: Die Geschäfte nur an bestimmten Orten zulassen. Hat man ein solches Konzept nicht, ist es für Investoren oder Geschäftsleute leichter, Bauanträge für Einzelhandelsstandorte genehmigt zu bekommen. 2010 verabschiedete die Stadt das letzte Konzept dieser Art, das nun aktualisiert und fortgeschrieben wird, weil sich seither im Stadtbild einiges verändert hat. Seine Fortschreibung nach fünf Jahren wurde im Übrigen 2010 schon politisch festgelegt.

 

Warum wurde dann jetzt über die Fortschreibung diskutiert?

Grundsätzlich kann man sagen, weil die Politik in Teilen die Wirksamkeit des Konzepts infrage stellt. Und das vielleicht nicht zu Unrecht: Denn obgleich es das Zentren- und Einzelhandelskonzept gibt, gibt es Ansiedlungen von Geschäften an Stellen, an denen man sie aus Verwaltungs- und Politiksicht heute vielleicht eher nicht so gern sähe. Das hat mit der Stadtentwicklung zu tun. So haben sich am Westring-Center und entlang der Siemensstraße in Habinghorst Einkaufszentren entwickelt, die den historischen Orts- und Ortsteilzentren schaden. Für beide Standorte gilt: Hier gibt es durch A42 und B235 eine gute Verkehrsanbindung und zudem viele Parkplätze direkt vor den Türen der Geschäfte. 

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Warum gibt es diese Einkaufsstandorte überhaupt?

Nun, eine Stadt steht im Wettbewerb mit anderen Städten. Die Welt der Kunden und der Bürger generell hört ja nicht an den Stadtgrenzen auf. Heißt: Der Ruhrpark Bochum ist beliebt bei Castrop-Rauxelern. Dortmund-Kley/-Oespel mit den vielen großen Geschäften ist ebenfalls attraktiv. Und wer innenstädtisches Shopping mag, der wird in Dortmund mit der Thier-Galerie nebst Westenhellweg glücklich. Oder er fährt zu den Arcaden in Recklinghausen. Städte brauchen eine starke Wirtschaft und einen erfolgreichen Einzelhandel – um attraktiv für Bürger zu sein, aber auch als direkte Steuer-Einnahmequelle (Gewerbesteuer) und um Arbeitsplätze zu schaffen.  

 

Wie kann es aber sein, dass es das trotz eines solchen Konzeptes gibt?

Klar ist: Erst waren die Ansiedlungen, dann das Konzept. Das kann man vor allem für den Standort Siemensstraße so sagen, aber auch für die Anfänge der Entwicklung des Westring-Centers. Und wenn ein Investor erst einmal eine Fläche gekauft hat, dann will er sie eben auch bebauen, um Rendite herauszuschlagen. Das geschieht derzeit vor allem in Sachen Westring-Center: Die Bauanträge für einen neuen Aldi und die Rossmann-Drogerie sind so gut wie durch.

Diese Entwicklung ist nun seit Monaten teil großer Diskussionen, die sich nun im Rat in der zentralen These entlud, die Manfred Postel (FWI) zuerst formulierte: „Wenn man nach zehn Jahren beobachtet, wie das Konzept gehandhabt wurde, dann kann man nur sagen: Es hat nicht funktioniert. Wir dachten, wir bekommen Rechtssicherheit, haben aber alle Prozesse bis auf ein paar Vergleiche verloren. Nichts, was wir erreichen wollten, haben wir erreicht.“ Man habe zum Beispiel gegen die Arcaden Recklinghausen, die letzte Eröffnung eines Einkaufszentrums im Umfeld, keinen Einspruch eingelegt. Es habe Einwilligungen in den Ruhrpark und die Thier-Galerie in Dortmund gegeben. „Städte wie unsere sind aber die Leidtragenden – und wir machen auch noch Reglementationen bei uns auf der ‚grünen Wiese‘“, so Postel.

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Warum soll aber ein Aldi am Westring der Innenstadt schaden?

Auch sagt FWI-Sprecher Postel etwas Wahres: Wer die Sortimente der Discounter heute im Vergleich zu vor 10 oder 20 Jahren betrachtet, wird feststellen – vor allem bei Dingen, die man früher eher in Innenstädten kaufen konnte, also Schuhe oder Drogeriewaren zum Beispiel, findet man dort inzwischen immer öfter. „Und Discounter haben wir heute in jedem Stadtteil“, so Postel. Sein Fazit: „Wir binden uns mehr, als dass wir uns mit dem Konzept Freiheiten lassen. Eine mögliche Ansiedlung von Ikea müssten wir aufgrund des Konzeptes auch ablehnen.“ Darum stimme man gegen die Fortschreibung.

Ingo Boxhammer (Die Linke) pflichtete ihm weitgehend bei, unterstrich aber, dass die Fehler in Castrop-Rauxel gemacht würden, nicht bei den Nachbarn: „Das Ansiedeln von Gewerbe ist der Tod der Zentren in Städten unserer Größe.“ Die Linke stimmte trotzdem für die Fortschreibung – man müsse nur Prozentwerte definieren bei der Frage, wie viel Zentrenschädlichkeit durch Kaufkraftverlust man zulassen wolle. „Es ist ein ständiger Abwägungsprozess, und dem kann ich hier nicht immer folgen“, so Boxhammer.

Wenn man die Effekte von Aldi und Rossmann am Westring-Center auf Altstadt und das benachbarte Herne aus den aktuellen Gutachten zusammenrechne, komme man auf knapp 20 Prozent Kaufkraft-Abzug. „Wenn die Abweichung so groß ist und trotzdem zugelassen, wofür brauchen wir dann das Konzept noch?“, fragte er. Und zum Thema einer möglichen Ikea-Ansiedlung fügte er an: „Wenn das kommt, beerdigen wir 80 Prozent des Umsatzes in der Innenstadt. Ikea verkauft alles, von der Kaffeetasse bis zur Matratze.“ Fazit: Die Linke stimmte der Fortschreibung zu – „wir sind aber nicht glücklich darüber“.

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Was spricht denn dann doch für dieses Konzept?

Dazu gab der Technische Beigeordnete eine simple Antwort. Heiko Dobrindt: „Ich kann nicht empfehlen, auf die Beschlussfassung zu verzichten. Tun wir das, verzichten wir auf den Anspruch, steuern zu wollen. Dann haben wir ‚laissez faire‘ – also jeder interessierte Geschäftsmann kann überall da ansiedeln, wo sich eine wirtschaftliche Möglichkeit für ihn bietet. Das Konzept als Grundlage zu beschließen für unsere Bauleitplanung, ist wichtig. Denn auch alle Förderbescheide für diverse Maßnahmen von Land oder Bund beinhalten, dass die Grundlagen der Einzelhandelsentwicklung in einer Kommune über so ein Konzept festgelegt sind.“

 

Wie endete die Abstimmung?

Die Koalitionsfraktionen aus SPD, Grünen und FDP ebenso wie die CDU-Fraktion äußerten sich gar nicht. Aber es war ganz klar: Sie folgten in der Sache klar den Worten von Dobrindt. Nur die FWI stimmte mit vier Stimmen dagegen.

Daraus folgt: Das Einzelhandelskonzept wird fortgeschrieben. Den Entwurf, er hat 207 Seiten, hat das Stadtplanungsbüro Junker+Kruse schon mit dem Datum Oktober 2016 fertiggestellt. Was er nun für die weitere Steuerung bringt, muss die Zukunft zeigen. Dass das Konzept seit 2008 manches Mal an realer Steuerungskraft mangelte, da sind sich eigentlich alle einig.