Vier Wochen lang hat Simone Hendrich die Füße still gehalten. „Ich hätte schon was zu sagen gehabt, aber meckern ist einfach nicht so meins“, sagt die Einzelhändlerin, die das Geschäft „Hendrich – Strümpfe und mehr“ am Biesenkamp 8 in der Castroper Altstadt betreibt.
Wieso die 54-Jährige nun doch öffentlich klagt? „Jetzt ist es eh egal, ich hab nichts mehr zu verlieren“, erklärt sie. „Es geht um meine Existenz.“ Denn die Baustelle, die der EUV-Stadtbetrieb hier seit dem 8. November eingerichtet hat, um die Straße Am Markt zwischen Hausnummer 7 und Biesenkamp barrierearm umzubauen, belastet auch sie stark.
Weihnachtsgeschäft fällt weg
„Ab Oktober sind meine besten drei Monate“, erzählt die Einzelhändlerin, die in ihrem Geschäft neben Strümpfen und Socken auch Kleidung und Accessoires wie Hüte, Mützen und Schals verkauft. „Und jetzt, vor Nikolaus, da müsste hier eigentlich die Hütte brennen. Aber es ist nichts los.“ Neun oder zehn Kunden seien an diesem Montagvormittag (4.12.) vielleicht da gewesen. „Dafür, dass auch noch Anfang des Monats ist, ist das sehr wenig.“ Sie rechne in der Zeit der Baustelle mit etwa 50 Prozent weniger Einnahmen. Das Weihnachtsgeschäft falle so für sie quasi aus.

„Ich kann nicht verstehen, warum die Baustelle gerade jetzt eingerichtet worden ist“, sagt Simone Hendrich. „Wo doch durch das Weihnachtsdorf eh schon Parkplätze in unmittelbarer Nähe wegfallen, kommen durch die Maßnahme noch weitere hinzu. Und wenn die Leute hier nicht parken können, dann kommen sie einfach nicht“, weiß die 54-Jährige.
Strenge Förderrichtlinien
Wieso die Baustelle gerade in der für den Einzelhandel wichtigen Vorweihnachtszeit eingerichtet worden ist, hatte EUV-Vorstand Michael Werner auf Nachfrage unserer Redaktion bereits erklärt. Es hängt damit zusammen, dass die Maßnahme mit Fördergeldern finanziert wird. Die konnten laut Werner erst im September/Oktober beantragt werden und wurden erst kürzlich bewilligt. Bestandteil der Förderung sei außerdem, dass die Mittel noch in diesem Jahr ausgegeben werden.
„Die Arbeiten müssen gemäß Förderung zwingend bis Ende des Jahres abgeschlossen sein – aufgrund von vorgegebenen Förderrichtlinien gibt es dort auch keine Spielräume“, konkretisiert EUV-Sprecherin Sabine Latterner nun auf erneute Nachfrage unserer Redaktion. Sie dieses Jahr zum Beispiel nach Weihnachten zu beginnen und erst im Januar abzuschließen, sei also nicht möglich gewesen. „Natürlich wären eine frühzeitige Bewilligung und ein weiter gefasster Umsetzungszeitraum mit der Möglichkeit einer entsprechenden Vorbereitung auch in unserem Sinne“, sagt sie.
„Es wird schwierig“
Der EUV habe versucht, die Einzelhändler vor der Baumaßnahme über die Arbeiten in Kenntnis zu setzen, fügt Sabine Latterner hinzu. Die beiden zuständigen Bauleiter seien hierfür persönlich in den ansässigen Geschäften gewesen. „Zugleich wurden die Kontaktdaten hinterlegt, um bei Fragen oder Problemen zur Verfügung zu stehen und für Abhilfe zu sorgen. Sollten die Informationen im Vorfeld nicht bei allen Eigentümern und Geschäftsbetreibern angekommen sein, so bedauern wir das sehr“, sagt sie. Die Sprecherin stellt in Aussicht, dass die Baumaßnahme „zum 22. Dezember 2023 abgeschlossen sein“ soll. Natürlich aber sei das auch „immer abhängig vom Wetter“.

Für das Weihnachtsgeschäft wird das also wohl weder Simone Hendrich noch den anderen Einzelhändlern hier am Biesenkamp helfen. Sie sagt, dass sie auch keine solche Information über die Arbeiten erhalten habe. Weil sie eben keine direkte Anliegerin sei, schätzt sie. Wie es für die Geschäftsfrau zukünftig weitergehen wird? Das vermag die 54-Jährige noch nicht zu beantworten. „Es wird schwierig, ich muss gucken“, sagt sie nur und zuckt mit den Schultern. Seit 2019 habe sie das Geschäft hier nun. Und noch nie, nicht mal während der Corona-Hochphase, sei es so schwer und die Zukunft so unsicher gewesen, wie jetzt.
- Auf dem Castroper Marktplatz gibt es insgesamt 108 Parkplätze: 100, auf denen man mit Parkschein parken kann, vier für Schwerbehinderte, zwei zum Laden von E-Fahrzeugen und zwei für Motorräder. Das erklärt Stadtsprecherin Maresa Hilleringmann auf Nachfrage unserer Redaktion. Während des Weihnachtsdorfes stünden 34 davon zur Verfügung.
- Für den „Himmlischen Advent“ an diesem Wochenende (9. und 10.12.) werden übrigens keine weiteren Parkplätze gesperrt. Er findet auf dem Boulevard am Marktplatz statt.
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