Einst kamen Jimi Hendrix und Schalke-Stars Heute sind alle Discos in Castrop-Rauxel zu

Einst kamen Jimi Hendrix und Schalke-Stars – heute sind die Discos zu
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Spektrum, Remember, Isi-Treff: Die Geschichte der Diskotheken in Castrop-Rauxel nahm in den 80er-Jahren Fahrt auf. Damals gab es hier gleich mehrere Discos. Heute würden sie wohl eher Clubs genannt, doch so weit kam es gar nicht. Nach einander schlossen sie alle. Eine der ersten spektakulären Disco-Geschichten spielte sich aber schon deutlich vor dieser Zeit ab: 1964 im Saalbau Haus Bresser, aus dem später die Discothek Las Vegas wurde.

Jimi Hendrix in Castrop-Rauxel

Damals stand die Gitarrenlegende Jimi Hendrix in der Cottenburgstraße in Obercastrop auf der Bühne. „Jimi Hendrix war zu der Zeit aber noch völlig unbekannt und spielte als Gitarrist in der Band von Little Richard, die an zwei Tagen insgesamt vier Vorstellungen bei Bresser gab“, sagt Dieter Krieger, der damals als 15-jähriger Rock’n‘Roll-Fan im Publikum war. Auch der inzwischen verstorbene Hans Frackowiak erinnerte sich in seinem Internet-Blog „Castroper Geschichten“ unter der Überschrift „Woodstock in Obercastrop“ an diesen Tag: „Auf der Bühne spielte ein Gitarrist mit Krauskopf, der haute mit links auf seine Rechtsgitarre ein.“

In der Band habe neben Jimi Hendrix auch Don ‚Sugarcane‘ Harris gespielt, der später Violinist bei Frank Zappa wurde. „Wir waren damals im Saalbau Bresser auch in der Garderobe der Musiker und haben uns Autogramme geholt“, sagt Dieter Krieger. Wenig später habe er Little Richard und Jimi Hendrix auch über den Castroper Wochenmarkt schlendern sehen.

Der Saalbau Bresser an der Cottenburgstraße in Obercastrop.
Der Saalbau Bresser an der Cottenburgstraße in Obercastrop. © Foto Laumann

Doch nicht nur Jimi Hendrix spielte im Saalbau Bresser, auch die Rattles, die Lords und Bill Haley ließen es während der 60er-Jahre in dem Musiklokal richtig krachen.„Da gab’s einfach Musik, die hörte man sonst nirgendwo“, sagte Bernd Stankowski, selbst Gitarrist bei den Band Skyrider. Ein weiterer Musiker, von dem es anders als von Jimi Hendrix auch ein Foto gibt, der im Saalbau auftrat, ist Drafi Deutscher. Bevor er mit „Marmor, Stein und Eisen bricht“ berühmt wurde, trat er im Saalbau auf. Inhaber Karl Steinert hatte das Lokal 1960 übernommen und bis September 1967 geführt. Während dieser Zeit war Bresser im ganzen Ruhrgebiet ein Begriff für Live-Musik. Nach dem Krieg hatte der Saal zunächst als Auffanglager für Flüchtlinge gedient. Ende der 60er Jahre wurde das Gebäude abgerissen.

Schalke-Stars gingen ins „Remember“

In der Ickerner Diskothek Remember ist es hingegen gar nicht sicher, ob die größten Stars auf der Bühne standen oder selbst als Gäste kamen. „Die Abende mit Live-Künstlern waren dabei eigentlich immer ein Zuschussgeschäft, denn die nahmen damals auch schon 2000 oder 3000 Mark für einen Abend. Wenn wir von 110 Besuchern je 10 Mark nahmen, mussten wir draufzahlen. Aber es steigerte natürlich das Ansehen“, erzählte Wirt Jürgen Rombeck.

Auf der einen Seite stehen Schlagersänger wie Howard Carpendale und auch Bernd Clüver, der „Junge mit der Mundharmonika“, auf der anderen Schalke-Spieler: „Angeführt von Torwart und Paradiesvogel Norbert Nigbur“, wie Rombeck sagte. Auch „Stan“ Libuda, Klaus Fischer und Klaus Fichtel seien nach fast jedem Heimspiel dabei gewesen. „In der Zeit des Bundesliga-Skandals haben die sich oft bei uns zusammengesetzt und beraten, wie es weitergeht“, so Rombeck.

Diesen Gruß schickte die Fußball-Nationalmannschaft an Jürgen Rombeck von der WM 1974. Ganz oben hat mit schwarzem Filzer Norbert Nigbur unterschrieben.
Diesen Gruß schickte die Fußball-Nationalmannschaft an Jürgen Rombeck von der WM 1974. Ganz oben hat mit schwarzem Filzer Norbert Nigbur unterschrieben. © Thomas Schroeter

Beim WM-Sieg 1974 schickte die deutsche Nationalmannschaft eine von allen Spielern unterschriebene Grußkarte an Jürgen Rombeck. Fünf Jahre zuvor hatte er die „Tanzdiskothek“ zusammen mit seiner Frau Heidi übernommen, nachdem ihr Vorgänger nach nur eineinhalb Jahren pleite gemacht hatte. Jürgen Rombeck hingegen ging trotz eigener Disco weiter seinem Job nach. Bei einem Henrichenburger Bauunternehmen war er in leitender Position tätig.

Heidi (2.v.r.) und Jürgen Rombeck (l.) mit dem Schlager-Pärchen Adam und Eve, das im Dezember 1969 in Ickern zu Gast war.
Heidi (2.v.r.) und Jürgen Rombeck (l.) mit dem Schlager-Pärchen Adam und Eve, das im Dezember 1969 in Ickern zu Gast war. © Archiv Rombeck

An der Recklinghauser Straße Ecke Ickerner Straße übernahm das Paar nicht nur die beliebte Disco in der ersten Etage, sondern auch die Kneipe „Zum Treppchen“ im Erdgeschoss. Die wurde aber nach kurzer Zeit an andere Betreiber untervermietet. Nach fünf Jahren im Remember – das zunehmend unter Großdiskotheken litt – gaben Heidi und Jürgen Rombeck schließlich auf. Ihr Nachfolger machte aus dem Laden eine Bar. Unter verschiedenen Besitzern und Namen ging der Betrieb für fast 25 Jahre bis in die frühen 2000er weiter. Heute erinnert am Ickerner Kreisel nichts mehr an die ruhmreiche Diskotheken-Vergangenheit.

Der Spektrum-Geist lebt weiter

1982 bereicherte das Spektrum die Disco-Landschaft in der Europastadt – und blieb für Jahrzehnte. 1500 Leute passten rein in die Großraum-Disco mit eigener Autobahnausfahrt. 600 oder 700 Leute machten den Laden aber auch schon gut voll. Und das war damals an guten Freitagen und Samstagen der Standard-Besuch.

Ganz viel 80er. Ganz viel Independent: Das war die Stilrichtung des Spektrums. Creed. Sisters of Mercy. Smoking Suckers. Echter Underground, erinnert sich DJ Ted Newman, der regelmäßig selbst auflegte: „Dieser Laden war schön abgefuckt, die Leute waren mega-cool, man konnte auch alleine hingehen, man hat einfach immer wen zum Quatschen getroffen.“ Nach drei Jahren musste in Henrichenburg an der Suderwicher Straße umgebaut werden. Es gab Probleme mit Anwohnern. Es war zu laut, also baute man im gut angebundenen Außenbereich neu.

Heribert Seck im Jahr 2007 vor der Spektrum Music Hall am Westring. Kurze Zeit später war hier überraschend Schluss.
Heribert Seck im Jahr 2007 vor der Spektrum Music Hall am Westring. Kurze Zeit später war hier überraschend Schluss. © Privat

2007 feierte der Inhaber Heribert Seck am Westring 277b eine große Party. Weil seine „Music Hall“, wie das Spektrum im Untertitel hieß, damals 25 Jahre alt wurde. „Mir macht es noch immer Spaß“, sagte er damals, als er unserer Redaktion eines der seltenen, recht wortkargen Interviews gab und fügte noch hinzu: „Wenn alles gut läuft.“ Da wollte er noch fünf Jahre dran hängen. Kaum zu glauben, dass wenige Monate später plötzlich Schluss war. Aus den fünf Jahren wurden wenige Monate. Es lief offenbar nicht alles gut.

Was genau los war zwischen unserem Interview im September 2007 und dem Dezember, ist nicht klar. Aber es setzte ein Sinneswandel ein: Seck verkündete das Ende des Spektrums. Anfang Dezember 2007 fand das letzte Live-Konzert auf der Bühne mit Claymore, Layment und Metallity statt. Ende Januar 2008 folgte die letzte Nacht, die die Coverband Seven Cent einläutete.

Auf das Spektrum folgte das MT-One. Und dann nach wenigen Monaten wieder das Spektrum.
Auf das Spektrum folgte das MT-One. Und dann nach wenigen Monaten wieder das Spektrum. © Frank Bock (Archiv)

Auf Heribert Seck und das Spektrum folgten 2008 Martin Jegodowski und Thomas Corso mit dem MT-one. Damals hieß es: „Nur mit einer Disco im klassischen Stil kommt man heute nicht mehr weit.“ So wollten die neuen Macher das alte Spektrum zu einer bunten Mischung aus Dance-Hall, Diskothek, Cocktail-Bar mit VIP-Lounge etc. umstricken. „In nur fünf Wochen ist es dem Chef der neuen Diskothek, Thomas Corso, zusammen mit seinem Team gelungen, aus dem urigen Spektrum eine moderne Music-Hall zu machen“, urteilten wir damals in dieser Zeitung. Doch schon nach wenigen Monaten war wieder Schluss. „Die beiden neuen Betreiber hatten ein paar gute Ideen, aber sie haben viele Fehler gemacht“, meinte Heribert Seck später. Schon Ende des Jahres hatte er das Spektrum wieder übernommen. Das mit dem Spektrum ging aber auch nur noch anderthalb Jahre gut. Im Juni 2010 gab Seck im Alter von 54 Jahren das zweite Ende des Spektrums bekannt. Heute ist in dem Laden eine Spielothek zu Hause.

Auch im Haus Oe auf Schwerin wurde die Spektrum-Revival-Party schon gefeiert.
Auch im Haus Oe auf Schwerin wurde die Spektrum-Revival-Party schon gefeiert. © Christian Püls (Archiv)

Möglich machte es der unermüdliche Einsatz von Inhaber Mustafa Kurtoglu, denn für ihn war der Mix aus Kneipe und Diskothek mehr als nur sein Job. „Ich habe da viel Herzblut reingesteckt. Ich wollte Castrop-Rauxel immer etwas bieten“, sagt er heute.

Isi-Treff oder Asi-Treff?

2016 gingen auch im Isi-Treff die Lichter aus. „Nach über 30 Jahren brauchte ich einfach eine Auszeit. Der Akku war leer“, sagte Betreiber Mustafa Kurtoglu zum Ende des Kneipen-Disko-Hybriden an der Vinckestraße. Genau wie das Spektrum begann die Ära in Ickern ebenfalls 1982. Gewissermaßen das Markenzeichen des Isi-Treffs waren die Live-Auftritte bekannter Schlagerstars und DJs. Mickie Krause, Olaf Henning, Willi Herren, Supa Richie, Culture Beat oder Michael Wendler, um nur einige Namen zu nennen: Promis aus der Schlagerszene gaben sich in Ickern sozusagen die Klinke in die Hand.

Der Isi-Treff erhielt seinen Namen durch Mustafas Bruder Ismail Kurtoglu, der einst der Inhaber war, bevor „Isi“ das Geschäft zu Beginn der Nuller-Jahre an „Musti“ übergab. Doch wer über den Isi-Treff schreibt, der kann auch den im Volksmund weniger schmeichelhaften, aber gebräuchlichen Namen „Asi-Treff“ nicht übergehen. Es kamen auch Gäste in Jogginghose rein.

Dutzende Flyer, unterschriebene Autogrammkarten und Fotos zeugen von den Musikgästen, die im Isi-Treff von Mustafa Kurtoglu regelmäßig die Stimmung zum Kochen brachten.
Dutzende Flyer, unterschriebene Autogrammkarten und Fotos zeugen von den Musikgästen, die im Isi-Treff von Mustafa Kurtoglu regelmäßig die Stimmung zum Kochen brachten. © Archiv

Zwar waren die Hochzeiten von Isi-Treff und Spektrum die gleichen, allerdings sei die Konkurrenz immer eine faire und gute gewesen. „Die Spektrum-Gäste kamen auch mal zu uns und umgekehrt“, sagt Mustafa Kurtoglu. „Die Konkurrenz hat immer beide Geschäfte belebt.“

Für Stella Ranft, die damals noch Jupe hieß, war die Isi-Bar wie ein zweites Zuhause. „Die Musik war gemischt, es war alles dabei“, erinnert sie sich. Und die Getränke? Drei Euro Eintritt musste man zahlen, aber die Wertmarke für ein Freigetränk war inklusive. Longdrinks kosteten in der Happy Hour nur 50 Cent. Heute kaum vorstellbar. Genauso, dass hier bis zuletzt überall geraucht werden konnte. 2016 war trotzdem auch hier Schluss. Seitdem hat Castrop-Rauxel keine echte Disco mehr.

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