Mysterium Spektrum und wie es vor 15 Jahren endete Castrop-Rauxeler Diskotheken-Geschichte

Mysterium Spektrum und wie eine Diskotheken-Ära vor 15 Jahren endete
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Es war ein irres Party-Wochenende, das Heribert Seck am 21. und 22. September 2007 auf die Beine stellte. So schwer hatte er es gar nicht. Denn er führte damals einen Laden, der einfach lief. Weil die Marke etabliert war, weil sein Club von Leuten wie Martin Neumann, der heute 49 Jahre alt ist und den jeder nur als Teddy kennt, geliebt wurde. Weil das Spektrum eben das Spektrum war.

2007 feierte der Inhaber Heribert Seck am Westring 277b also eine große Doppel-Party. Weil seine „Music Hall“, wie das Spektrum im Untertitel hieß, damals 25 Jahre alt wurde. Jubiläum! 1500 Leute passten rein in die Großraum-Disco mit eigener Autobahnausfahrt. 600 oder 700 Leute machten den Laden aber auch schon gut voll. Und das war damals an guten Freitagen und Samstagen der Standard-Besuch.

Martin Neumann (49) kennt mit bürgerlichem Namen kaum jemand. Als Teddy oder DJ Ted Newman ist er dagegen lokale Prominenz. Er erinnert sich gern als Spektrum und feiert bis heute Revival-Partys.
Martin Neumann (49) kennt mit bürgerlichem Namen kaum jemand. Als Teddy oder DJ Ted Newman ist er dagegen lokale Prominenz. Er erinnert sich gern als Spektrum und feiert bis heute Revival-Partys. © Tobias Weckenbrock

Kaum zu glauben, dass wenige Monate später plötzlich Schluss war. Als Seck unserer Redaktion am 19. September noch eines der seltenen, recht wortkargen Interviews gab, da wollte er noch fünf Jahre dran hängen. „Mir macht es noch immer Spaß“, sagte er damals und fügte noch ein „Wenn alles gut läuft“ an seine eigene Prognose an. Aus den fünf Jahren wurden wenige Monate. Es lief offenbar nicht alles gut.

1982 begann die Geschichte dieser einzigartigen Party-Location, die noch heute im Bewusstsein vieler Castrop-Rauxeler hängen geblieben ist. Darum feiern noch heute Hunderte, manchmal mehr als 1000 Menschen auf den Namen „Spektrum“. So wie kommenden Samstag, wenn bei „Tante Amanda“ die „Spektrum Old School Party #20“ läuft. Eine Party-Reihe von und mit DJ Teddy Newman, eben jenem Martin Neumann, der bis 2008 zu den Stammgästen zählte.

Independent und echter Underground

Ganz viel 80er. Ganz viel Independent: Das war die Stilrichtung des Spektrums. Creed. Sisters of Mercy. Smoking Suckers. Echter Underground. „Man konnte die Uhr danach stellen“, erinnert sich Teddy im großen PottCAS-Interview mit unserer Redaktion an das Spektrum: „Um 2.41 Uhr wurde Melissa Etheridge gespielt...“ Und zu „Like the way I do“ ging es auf der Tanzfläche am Westring rund.

„Dieser Laden war schön abgefuckt, die Leute waren mega-cool, man konnte auch alleine hingehen, man hat einfach immer wen zum Quatschen getroffen“, sagt Teddy. „Ein unfassbarer Charakter.“ Und: „Man ist dann halt morgens so um 8 oder sogar um 10 Uhr rausgegangen. Es war einfach wunderschön.“

1982 ging die Spektrum-Ära los. Drei Jahre lang war Henrichenburg an der Suderwicher Straße das Zuhause. Aber dort gab es Probleme mit Anwohnern. Es war zu laut. Also baute man im gut angebundenen Außenbereich neu. Bereut, sagte Heribert Seck 2007 im Interview, habe er das nie. Vielleicht zehn Prozent sei schlecht gewesen in all den 25 Jahren. Heißt: 90 Prozent gut oder sehr gut.

Für ihn sei Spektrum ein Name für Vielfalt: „Zu uns kommen viele verschiedene Leute, wir spielen alle Musikrichtungen querbeet“, sagte Seck 2007. Das würde DJ Teddy nicht unbedingt unterstreichen. Denn Euro Dance oder Pop gehörte nicht unbedingt dazu. Aktuelle Charts fand man anderswo, nicht im Spektrum, wo es ab 0.30 oder 1 Uhr richtig abging.

Marc Stahlberg (l.) ist bis heute das Gesicht von Seven Cent. Die Band hat ihren Probenraum nicht weit vom Spektrum entfernt und war nicht ohne Grund ein Magnet auf den letzten Partys im Laden am Westring.
Marc Stahlberg (l.) ist bis heute das Gesicht von Seven Cent. Die Band hat ihren Probenraum nicht weit vom Spektrum entfernt und war nicht ohne Grund ein Magnet auf den letzten Partys im Laden am Westring. © Archiv

Was genau los war zwischen unserem Interview im September 2007 und dem Dezember, ist nicht klar. Aber es setzte ein Sinneswandel ein: Seck verkündete das Ende des Spektrums. Anfang Dezember fand das letzte Live-Konzert auf der Bühne mit Claymore, Layment und Metallity statt. Ende Januar 2008 folgte die letzte Nacht, die die Coverband Seven Cent einläutete.

Danach legte ein DJ auf. DJ Teddy erinnert sich: irgendwas aus den Charts. Nach dem Gig von Seven Cent war der Laden, vorher noch mit 1500 Leuten bis zum Rand gefüllt, schnell wie leergefegt. Heribert Seck hatte Nachfolger gefunden: Martin Jegodowski und Thomas Corso, die das „MT-one“ noch im Februar eröffneten.

Die neuen Macher wollten den Laden zu einer bunten Mischung aus Dance Hall, Diskothek, Cocktail-Bar mit VIP-Lounge etc. umbauen. Und vielleicht war genau das ihr Fehler: Am 5. Dezember 2008 standen Seven Cent wieder auf der erhaltenen Live-Bühne. Nicht etwa im „MT-one“, sondern unsere Zeitung titelte: „Spektakel im Spektrum“. Die „Kult-Discothek“ öffnete wieder unter altem Namen. „Am Bewährten festhalten“ war der Plan von Heribert Seck und seiner Tochter Maria, und der DJ legte wieder AC/DC, Depeche Mode und Bon Jovi auf. Spektrum-like.

„Die beiden neuen Betreiber hatten ein paar gute Ideen, aber sie haben viele Fehler gemacht“, meinte Heribert Seck später mal. „Eine Jet-Set-Disco ist in Castrop-Rauxel fehl am Platz. Das war einfach zu abgehoben.“ Das mit dem Spektrum ging aber auch nur noch anderthalb Jahre gut. Im Juni 2010 gab Seck im Alter von 54 Jahren das zweite Ende des Spektrums bekannt.

29. Februar 2008: Das "MT-one" eröffnet in den Räumen, in denen vorher das Spektrum war. Nicht einmal ein Jahr hielt sich der neue Club, dann war im Dezember das Spektrum wieder da. Aber auch dessen endgültiges Ende kam dann im Sommer 2010. Heute lebt es als Partyreihe fort.
29. Februar 2008: Das „MT-one“ eröffnet in den Räumen, in denen vorher das Spektrum war. Nicht einmal ein Jahr hielt sich der neue Club, dann war im Dezember das Spektrum wieder da. Aber auch dessen endgültiges Ende kam dann im Sommer 2010. Heute lebt es als Partyreihe fort. © Frank Bock (2008)

„Nach den Sommerferien und einer intensiven Grundreinigung in der Sommerpause werde ich dann aus dem Spektrum ein Party- und Event-Center machen“, sagte der Unternehmer und Rock-Veteran an. Dazu sei die Immobilie nahe der Autobahn 42 hervorragend geeignet: „Wir haben Veranstaltungsräume von 50 bis 1200 Personen. Da ist für jeden Zweck etwas Geeignetes dabei.“

Heute ist in dem Laden eine Spielothek zu Hause. Und diese legendären Partys finden anderswo statt: DJ Teddy füllte damit erst das Haus Oe auf Schwerin. Immer ausverkauft. „Es ist eingeschlagen wie eine Bombe“, sagt Martin Neumann heute. Seine Old School Party war beim zweiten Mal schon überlaufen mit 600 Gästen. Zum Teil waren nach drei Stunden alle Tickets im Vorverkauf vergriffen.

Biergarten-Party ist ein Garant

Den Biergarten von Tante Amanda füllt Teddy locker mit bis zu 1000 Leuten. Ein absoluter Garant, wenn das Wetter gut ist. So wie im Mai, als er Ausgabe 19 feierte. Den Namen „Spektrum“ dürfe er verwenden, genauso wie jeder andere. Im Mythos in Habinghorst sei jemand anders mit zwei Spektrum-Party-Versuchen nicht erfolgreich gewesen. Er dagegen legt Blondie, Bob Marley, B-Movie, Billy Idol und Co. auf und es wird voll. Manchmal auch zu voll. Dazu rocken „Dougie and the blind brothers“ die Bühne. Motorrad-Freunde von Teddy; absolute Knaller und Stimmungs-Garanten, wie er meint.

Für eine feste Spektrum-Location sei heute wohl nicht mehr die richtige Zeit. Weil keiner mehr wie er selbst einst jedes Wochenende feiern gehen will. Er selbst habe so manche Mittwochnacht dort verbracht und sei dann ohne zu schlafen am Donnerstag zur Arbeit gegangen. Kaum vorstellbar, heute, 2023, wo Teddy zwei kleine Kinder hat und als Schlosser arbeitet. Da reicht ihm, ebenso wie vielen anderen seiner Generation, die richtige Party-Dosis ein paar mal im Jahr. Und er feiert mit, auch wenn das Auflegen für ihn auch Arbeit bedeutet.

Wenn am Sonntagmorgen über den Feldern von Westerfilde Prince in einer 15-Minuten-Version erklingt, dann wissen viele Gäste, dass das Ende der Spektrum Old School Party erreicht ist. Ein Klassiker. Ted Newman hat ihn aus dem Spektrum-Fundus geerbt. Gibt es in keinem der Streaming-Portale, sagt er. Und es werden wieder Leute dazu tanzen, die einst neben ihm standen: auf der Kult-Tanzfläche am Westring. Im einzigartigen Spektrum.

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