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Corona fordert Tagesmütter: „Ich kann die Kinder ja nicht einsperren“
Kinderbetreuung
Immer mehr Kinder sollen langsam wieder Zugang zu Betreuung bekommen - auch bei Tageseltern. Eine Castrop-Rauxeler Tagesmutter berichtet, welch große Herausforderungen das mit sich bringt.
„Das geht nicht“, sagt Georgia Dimou. Sie ist Tagesmutter und wenn sie „das geht nicht“ sagt, meint sie damit, einen Mundschutz bei der Arbeit zu tragen. Sie habe es versucht, aber die Kinder fingen an zu weinen, weil sie ihr Gesicht und ihre Mimik nicht sehen konnten, erzählt Dimou am Telefon, während ihre Tageskinder ihren Mittagsschlaf halten.
Vier Tageskinder im Alter von 15 Monaten bis etwas über 2 Jahren betreut sie eigentlich. Aktuell hat sie zwei Jungen bei sich zu Hause, ein anderer kommt in der kommenden Woche. Seit Donnerstag (14. Mai) erweitern die Kitas ihr Betreuungsangebot Schritt für Schritt wieder. Das gilt auch für die Tagespflegen in Castrop-Rauxel.

In ihrer privaten Kindertageseinrichtung "Die kleinen Eulen" betreut die Tagesmutter Georgia Dimou eigentlich vier Kinder. Aktuell sind es aber nur zwei. © Dimou
Einen Jungen habe Dimou durchgängig betreut, obwohl sie zuerst Bedenken hatte, weil ihre Tochter ein schwaches Immunsystem habe, sagt sie. Weil beide Eltern des Jungen im Gesundheitswesen tätig sind, machte die 43-Jährige es dann aber doch. Der zweite Junge sei in der vergangenen Woche wieder zu ihr gekommen. Und dabei zeigte sich ein Problem: Wirklich praktikabel sind die neuen Regelungen nicht.
Abstand zu den Kindern ist unmöglich
Eigentlich müssen die Eltern die Kinder draußen vor der Tür abgeben. „Aber wir mussten eine komplette Wiedereingewöhnung starten“, sagt Dimou. Sieben Wochen lang hatte der Junge sie nicht gesehen. „Wir haben das größtenteils im Garten gemacht, aber die Mutter war die ganze Zeit dabei“, erzählt die Tagesmutter. Den Abstand zu einander hätten sie eingehalten, „aber es ist schwierig“.
Unmöglich ist es, ihn zu den Kindern einzuhalten. „Sie suchen automatisch meine Nähe. Sie sind schließlich noch sehr, sehr klein“, sagt Dimou. „Wenn ich ihnen sage, du darfst nicht auf meinen Arm, verstehen sie ja gar nicht warum.“

Georgia Dimou ist froh, dass sie einen Garten hat, in dem die Kinder spielen können. © Dimou
Desinfektion ist für die Tagesmutter mittlerweile zur Routine geworden. An der Eingangstür steht jetzt ein Spender mit Handdesinfektion. So ist es vom Jugendamt vorgegeben. Die Eltern und die Tagesmutter tragen Mundschutz, wenn die Kinder an der Tür übergeben werden. Dimou führt eine Liste, wer sie bringt. Dann werden erst mal die Hände gewaschen. Die Handtücher wandern nach jedem Abtrocknen in die Wäsche.
Auch das Spielzeug desinfiziert sie regelmäßig. Es ist weniger als vorher, einige Teile habe sie zur Seite genommen, weil sie durch das Desinfektionsmittel kaputt gingen. In zwei Räumen im Erdgeschoss betreut Dimou die Kinder. „Ich kann die Kinder ja nicht dort einsperren“, sagt sie. Sie seien auch im Flur, in der Küche und im Bad. Mehrmals am Tag desinfiziere sie die Flächen und die Hände der Kinder. Dimou hat früher als Pflegerin gearbeitet. Hygienepläne und deren Umsetzung seien ihr nicht fremd, sagt sie, aber „es ist schon schwierig und vor allem anstrengend.“

Spielen dürfen die Kinder im Spielzimmer noch immer, allerdings gibt es weniger Spielzeug. Es muss mehrmals täglich desinfiziert werden. © Dimou
Tagesmütter bekommen weiter die volle Zahlung
Tagesmütter sind selbstständig. Für jedes Kind, das sie betreuen, bekommen sie Geld vom Jugendamt. Viele fragten sich, wie es weitergeht, wenn sie weniger Kinder betreuen dürfen. Auch Dimou: „Ich finde es wirklich toll, dass Herr Kravanja uns sogleich zugesagt hat, dass wir weiter das volle Geld bekommen, auch wenn wir weniger Kinder betreuen.“
Oder gar keine, so wie Rita Elminowski aktuell. Eigentlich wuseln drei Kinder bei ihr zu Hause herum. Weil sie mit 63 Jahren selbst zur Risiko-Gruppe gehört und ihr Mann gleich in dreifacher Hinsicht, betreut sie gerade keine Kinder. Leicht fällt ihr das nicht. „Die Eltern zeigen Verständnis, aber ich werde jede Nacht fünf Mal wach“, sagt Elminowksi.
Beim ersten Mal denke sie: „Du kannst nicht aufmachen, du musst dich und deinen Mann schützen.“ Beim zweiten Mal: „Die armen Familien, du musst wieder aufmachen.“ So gehe es dann immer hin und her. „Das ist echt belastend“, sagt sie und ergänzt: „Die Kinder fehlen mir so sehr, das ist schon unprofessionell.“
Als gebürtiger Dortmunder bin ich großer Fan der ehrlich-direkten Ruhrpott-Mentalität. Nach journalistischen Ausflügen nach München und Berlin seit 2021 Redakteur in der Dortmunder Stadtredaktion.
