Castrop-Rauxeler Schwule tadeln Blutspendereform

"Immer noch diskriminierend"

Homosexuelle Männer dürfen künftig Blut spenden. Die Bundesärztekammer (BÄK) hat die entsprechende Richtlinien überarbeitet. Damit ist das Verbot zwar faktisch abgeschafft. Aber nur faktisch. Drei von uns befragte Schwule aus Castrop-Rauxel halten die Regelungen nach wie vor für diskriminierend. Denn sie hat einen Haken.

CASTROP-RAUXEL

, 18.08.2017, 05:35 Uhr / Lesedauer: 3 min
Homosexuelle Männer sollen künftig unter bestimmten Voraussetzungen auch Blut spenden dürfen.

Homosexuelle Männer sollen künftig unter bestimmten Voraussetzungen auch Blut spenden dürfen.

So müssen Schwule nun auf einem Fragebogen die Frage beantworten, ob sie in den vergangen zwölf Monaten Geschlechtsverkehr mit einem Mann hatten. Beantworten sie die Frage mit Ja, kann ihre Blutspende nach wie vor nicht verwendet werden. Sie wird zwar laut Stephan Jorewitz, Referent für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit des Blutspendedienstes West in Hagen, im Labor untersucht, danach aber vernichtet.

Sex zwischen Männern ist „sexuelles Risikoverhalten“

Bei Sex zwischen Männern handelt es sich laut Bundesärztekammer um „sexuelles Risikoverhalten“: Erst nach einem Jahr, so die BÄK, dürften homosexuelle Männer Blut spenden. Dann nämlich führe es „nicht zu einer Erhöhung des Risikos für die Empfänger von Blut und Blutprodukten“. 

Kritiker hingegen sagen, es gebe heute Testmethoden, die eine HIV-Infektion - und genau darum geht es bei der Risiko-Betrachtung vor allem - schon sechs Wochen nach dem letzten Geschlechtsverkehr gesichert ausschließen können.

Separate Blutproben für die notwendigen Laborkontrollen 

Ist das Testverfahren also einfach zu schlecht? „Fakt ist“, sagt Claudia Müller, Sprecherin des DRK-Blutspendedienstes West in Münster, „bei der Spende werden einige separate Blutproben für die notwendigen Laborkontrollen entnommen. Dieses Blut wird im Labor mithilfe der neuesten Testverfahren auf eine Vielzahl von Krankheitserregern, darunter Hepatitis B, Hepatitis C, HIV und Lues (Syphilis) untersucht.

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Die Laborkontrollen sind äußerst sensibel und aufwendig und machen einen großen Teil der Herstellungskosten der Blutprodukte aus. Doch nur so kann das DRK dem hohen Anspruch gerecht werden, den es an Qualität und Sicherheit der Produkte stellt.“

Jeder Spender bekommt an der Anmeldung einen Fragebogen 

Das Verfahren bei der Spende läuft so ab: Jeder Spender bekommt an der Anmeldung einen Fragebogen ausgehändigt, den er wahrheitsgemäß beantworten muss. Der zweite Bogen, den man bekommt, hat zwei Aufkleber: einen mit grünem und einen mit rotem Rand. Einen davon muss der Spender am Ende aufkleben und damit die Spende freigeben oder wegen der Zugehörigkeit zu einer Risikogruppe stoppen.

Jorewitz erklärt: „Da habe ich mit dem roten Aufkleber die Möglichkeit zu sagen: Ich gehe zur Spende und will, dass mein Blut untersucht wird, möchte aber, dass es dann weggeschmissen wird. Der Spender wird dann informiert, wenn sein Blut nicht in Ordnung ist. Ist es unauffällig, kann er bei der nächsten Spende den grünen Aufkleber nehmen.“

Und das sagen homosexuelle Männer aus Castrop-Rauxel zu diesem neuen Verfahren:

  • Christian Beisenherz: „Ich halte die Regelung nach wie vor für eine Diskriminierung, denn dann verlangen Sie die ‚Ich hatte 12 Monate keinen Sex‘-Erklärung doch bitte auch von heterosexuellen Menschen. Dahinter steht ja nach wie vor das Vorurteil vom promiskuitiv (relativ häufig wechselnde Partner, d. Red.) lebenden homosexuellen Mann. Als wären heterosexuelle Männer und Frauen mit wechselnden Partnern nicht ebenso gefährdet. Ärgerlich, weltfremd und kein Schritt nach vorne.“
  • Bernd Goerke: „Die Neufassung der Regelung stellt in meinen Augen keine Verbesserung dar, sondern hält an Stigmatisierungen der Vergangenheit fest. Sicherlich waren es in den 80er-Jahren zunächst männliche Homosexuelle, die sich mit HIV infiziert haben. Aber in den letzten 30 Jahren ist in Hinsicht auf HIV einiges an Prävention passiert. Leider sind heute verschiedene Formen von Hepatitis und andere Erkrankungen wieder auf dem Vormarsch. Kurz gefasst hätte ich mich gefreut, wenn man zu einer Allgemeinaussage, dass alle Menschen mit wechselnden Sexualpartnern/-innen auf Blutspenden verzichten sollten, gekommen wäre. Nur so sind auch andere, häufig für die Betroffenen nicht sofort erkennbare, durch Blut übertragbare Krankheiten zunächst auszuschließen. So zu tun, als wenn nur Männer, die mit Männern Sex haben, von vornherein eine besondere Risikogruppe darstellen, die vor einer Blutspende mindestens ein Jahr keinen Sex haben dürfen, ist einfach vollkommen weltfremd und geradezu lächerlich. Und um es noch deutlicher zu sagen: Die gleiche Bundesärztekammer beklagt sich um Spendermangel in den Ferienzeiten und nimmt gleichzeitig Spendewilligen die Möglichkeit.“
  • Ein Paar, das namentlich nicht genannt werden möchte: „Welches Paar, das fast 30 Jahre zusammen lebt, hat zwölf Monate am Stück überhaupt keinen Sex? Dann stimmt doch irgendetwas nicht mit ihrer Beziehung. Gemeint ist in der Richtlinie wohl etwas anderes, nämlich Sex mit Dritten außerhalb einer monogamen Beziehung. Dann sollte man das aber unabhängig von der sexuellen Orientierung formulieren: ‚Neigen Sie zu promisken Sexualverhalten?‘ Das soll es nämlich ebenso bei Heterosexuellen geben.“
  • Jörg Schlösser (Vorsitzender des Vereins Terrortucken): „Ich bin seit Jahren schon erschüttert, dass man als Homosexueller werde Blut noch Knochenmark spenden darf. Die Neuregelung empfinde ich als blanken Hohn und weitere Ausgrenzung von Homosexuellen. Gerne würde ich helfen und mit meiner Spende Leben retten, aber unter diesen Voraussetzungen hinterfrage ich weiterhin unser Gesundheitssystem in diesem Bereich.“
  • Karsten Schlösser (2. Vorsitzender der Terrortucken): „Ich finde es lächerlich. Wie soll die Zwölf-Monatsregelung kontrolliert werden? Gerne würde ich spenden, aber unter diesen Voraussetzungen garantiert nicht.“
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