Hans-Joachim Schmale-Baars schließt sein Café Residenz.

© privat

Café Residenz: Hier speisten Lothar Matthäus und ein Prinz von Preußen

rnKult-Gastronomie

Nach 36 Jahren ist Schluss: Das Café Residenz schließt. Konditormeister Hans-Joachim Schmale-Baars erzählt aus der 36-jährigen Geschichte, von Berühmtheiten und vom Sehnsuchtsort Italien.

Castrop

, 07.01.2021, 17:30 Uhr / Lesedauer: 4 min

Zarter Rinderbraten mit Rahmwirsing, Hirschbraten mit Rotkohl oder Königsberger Klopse stehen im Café Residenz auf der Außer-Haus-Speisekarte. Torten und Pralinen liegen in den Auslagen. Bis zum 17. Januar. Dann bleibt der Herd aus, der Backofen kalt. Qualmen soll etwas ganz anderes bei Hans-Joachim Schmale-Baars (64).

Seine Residenz aber schließt endgültig. Nach 36 Jahren. 36 Jahren harter Arbeit, aber auch toller Erfahrungen und besonderer Gäste. Doch davon später mehr.

„Einen weiteren langen Lockdown halte ich nicht durch“, hat der Konditormeister und Hotelier am Donnerstagvormittag vermeldet. Es war ein Schock für viele Castrop-Rauxeler, die in dem Jugendstilhaus im Herzen der Altstadt ihre Familienfeste gefeiert haben. Für Hans-Joachim Schmale-Baars ist der Schritt zwar schmerzhaft, aber nicht unerwartet. Im Gespräch mit ihm zeigt sich, dass die Corona-Pandemie zwar den Ausschlag gab, aber nicht der einzige Grund für die Schließung ist.

„Am 1. April 1985 habe ich zum ersten Mal die Tür geöffnet mit jugendlichem Überschwang, viel Blauäugigkeit und 500.000 Mark Schulden. Damals war ich 28 Jahre jung und hatte kaum Eigenkapital, außer meiner eigenen Arbeitskraft.“ So erinnert sich Schmale-Baars an die Anfänge vor 36 Jahren, als aus der „Alten Apotheke“ ein Café wurde. Arbeitsjahre sind es noch mehr: Vor 50 Jahren hat er seine Ausbildung zum Konditor begonnen.

„5 Uhr morgens aufstehen, – erst in die Backstube, dann in die Küche, Mittagstisch, anschließend Servieren im Café und abends oft nach 22 Uhr noch auf Hotelgäste warten… Das ist mein Alltag geworden“, beschreibt Hans-Joachim Schmale-Baars. Und es wäre wahrscheinlich noch etwas weiter gegangen, wenn nicht die Corona-Pandemie für zusätzliche Belastung gesorgt hätte. „Mir fehlt die Kraft“, sagt er ganz offen.

Weil er seine 13 Mitarbeiter bis auf einen Auszubildenden wegen des Umsatzeinbruchs in Kurzarbeit schicken musste, machte er 2020 immer mehr selbst, auch im Hotel, sieben Tage die Woche, von morgens früh bis abends. Geschlossen hat er nur, wenn er unbedingt musste. Monteure wohnten beispielsweise bei ihm, als andere Reisende nicht mehr kamen.

Jetzt lesen

Dadurch hatte er immer noch Einnahmen. Mit der Konsequenz, dass er Corona-Hilfen nicht in Anspruch nehmen konnte. „Andere Hotels haben sofort komplett geschlossen. Das wollte ich aber nicht“, sagt der 64-Jährige. Dass er einen Mischbetrieb mit Café, Restaurant und Hotel hat, hat sich hier negativ ausgewirkt.

Konditormeister Nils Opsölder (l.) und Café-Inhaber Hans-Joachim Schmale-Baars mit der Castroper Weihnachtspunschtorte. Damit beteiligte sich Opsölder vor fünf Jahren an der Fernsehsendung „Deutschlands bester Weihnachtsbäcker“ mit Juror Johann Lafer.

Konditormeister Nils Opsölder (l.) und Café-Inhaber Hans-Joachim Schmale-Baars mit der Castroper Weihnachtspunschtorte. Damit beteiligte sich Opsölder vor fünf Jahren an der Fernsehsendung „Deutschlands bester Weihnachtsbäcker“ mit Juror Johann Lafer. © Lynn Pies

Einen Nachfolger gibt es nicht. Bereits seit fünf Jahren hat er sich in Zusammenarbeit mit der Handwerkskammer Münster mit der Betriebsnachfolge beschäftigt. Viele Interessenten, sogar aus Süddeutschland, haben sich das Café Residenz angesehen. Zugeschlagen hat keiner. „Vielleicht kommt ja noch einer, nicht jetzt in der Pandemie, aber vielleicht in einem Jahr“, sagt Hans-Joachim Schmale-Baars. Die Hoffnung sterbe bekanntlich ja zuletzt. Dann werde er gerne auch Rezepte weitergeben und neue Inhaber unterstützen.

Er selbst hat viele Pläne für die Zukunft. Bevor er darüber spricht, blickt er zurück auf die Jahrzehnte, in denen er sich langsam alles aufgebaut hat.

? Wie hat sich das Residenz entwickelt?

„Wann immer ein Kredit abbezahlt war, wurde in die nächste Ausbaustufe investiert: Einrichtung der Gesellschaftszimmer, die Restaurant-Küche, die Hotelzimmer, der Gästeparkplatz. In den letzten Jahren kamen regelmäßige Kulturveranstaltungen hinzu: die Kaffeehausmusik, monatliche Rezitationen mit Schriftstellern und Schauspielern, Ausstellungen. Highlights im Jahr waren stets die Operngala, das amerikanische Thanksgiving und die Nachtfahrt Live.“

? Wer hat alles bei ihm gegessen, gefeiert und geschlafen?

„Ensemble-Mitglieder des Westfälischen Landestheaters stiegen oft bei uns ab. WDR-Moderatoren haben hier die Auftaktveranstaltung der Ruhr.2010 vorbereitet. Junge Sänger haben sich auf den „European Song Contest“ bei uns vorbereitet. Der inzwischen verstorbene Friedrich Wilhelm Prinz von Preußen, der Urenkel des letzten Kaisers, hat zwei Nächte bei uns gewohnt, und wir mussten uns an die Bodyguards vor unserer Tür gewöhnen.

Jetzt lesen

Höchste Geheimhaltung war auch angesagt, als Lothar Matthäus in seiner Zeit als Kapitän der Nationalmannschaft mit seinen Teamkollegen vor einem Länderspiel im Westfalenstadion zu einem Foto-Shooting bei uns vorbeikam. Die angebotenen Pralinen fanden höchsten Zuspruch der Spieler, die Theke wurde nahezu geplündert. Und ich wurde verdonnert, damals kein Sterbenswörtchen davon zu erzählen.

Opernsänger aus dem legendären „Taci“ in New York haben schon eine Operngala im „Residenz“ gesungen zu unserem 25-jährigen Jubiläum. Zum 30. kam die Kammeroper Köln, die seitdem jedes Jahr im Dezember bei uns gastiert hat. Und immer wieder waren populäre Kabarettisten im „Residenz“ zu Gast: René Steinberg, Lioba Albus, Fritz Eckenga, Franziska Mense-Moritz, Hennes Bender und andere mehr.“

Was bleibt unvergesslich?

„Unvergesslich blieb ein junges sympathisches Hochzeitspaar aus Hamburg, das seine Flitterwochen ausgerechnet in Castrop-Rauxel verbringen wollte, weil sie so viele dumme Sprüche über die Stadt gehört hatten. Als sie anriefen, um sich zu erkundigen, habe ich ihnen eine Traum-Hochzeitsreise versprochen. Sie blieben drei Wochen, und jeden Morgen machte ich ihnen neue Vorschläge für den Tag: Ausflüge nach Henrichenburg, zum Industriemuseum Zollern II, Bergbaumuseum, Starlight-Express, Fußball im Westfalenstadion, Radtour am Kanal. Es hat ihnen so gut gefallen, dass sie mehrfach wieder hier waren, um in Castrop Urlaub zu machen.“

? Nicht nur die Gäste, auch die Mitarbeiter schreiben Geschichten

„Als Chef des „Residenz“ war ich nicht nur Konditormeister und Hotelier, sondern oft auch Makler und Sozialarbeiter: Eine alleinstehende, schwangere Mitarbeiterin habe ich ins Krankenhaus begleitet, als die Wehen einsetzten. Die Krankenschwester glaubte, ich wäre der Vater. Für eine Auszubildende aus Italien habe ich mich auf Wohnungssuche begeben.

Talal Abou Laben (l.) kam als Flüchtling aus Syrien nach Deutschland und erhielt eine Ausbildung bei Café-Inhaber Hans-Joachim Schmale-Baars und Konditormeister Nils Opsölder (r.).

Talal Abou Laben (l.) kam als Flüchtling aus Syrien nach Deutschland und erhielt eine Ausbildung bei Café-Inhaber Hans-Joachim Schmale-Baars und Konditormeister Nils Opsölder (r.). © Daniele Giustolisi (Archiv)

Einem Flüchtling aus Syrien habe ich geholfen bei der Anerkennung, Vermittlung eines Sprachkurses, und ihm dann einen Ausbildungsplatz als Konditor angeboten. Sozialeinrichtungen habe ich oft benachrichtigt, wenn ich merkte, dass ältere Gäste nicht mehr klarkamen und Hilfe brauchten. All das gehörte dazu.“

? Wie geht es weiter?

„Es war eine schöne Zeit, aber einmal ist immer Schluss,“ so das Resümee des Konditormeisters, der 2021 auch 65 wird. „Zeit für die Rente.“ Bis zum 31. Januar werden noch einige Gäste ihren Hotelaufenthalt abschließen. Am 1. Februar geht es nach Italien. In Viterbo nördlich von Rom gibt es seit zwei Jahren in der historischen Altstadt ein Haus, das jetzt nicht mehr nur Ferienort, sondern zweiter Lebensmittelpunkt wird.

„Ich habe 50 Jahre handwerklich gearbeitet. Jetzt will ich etwas anderes machen“, sagt Hans-Joachim Schmale-Baars. Er möchte noch besser Italienisch lernen, eine Hochschule besuchen. Lernen, das macht ihm Spaß. Jetzt soll nicht mehr der Backofen, jetzt soll der Kopf qualmen.

Lesen Sie jetzt