Was wird aus den kleinen Bauwerken wie diesem Spielhäuschen, vor allem aber den Würfeln des Bormann-Kunstwerks mitsamt der Brunnensäule? Wenn es brennt, stehen sie laut Feuerwehr-Tests im Weg.

© Tobias Weckenbrock

So gut wie sicher: Bormanns Brunnen bleibt, drei Castroper Quader müssen weg

rnLambertusplatz

Der Lambertusplatz in der Castroper Altstadt wird sich bald verändern. Die Brunnensäule des Künstlers Jan Bormann bleibt zwar stehen, aber ein Teil des Kunstwerks muss weg. Grund ist die Feuerwehr.

Castrop

, 18.02.2022, 17:55 Uhr

Das langjährige Duell zwischen Feuerwehr und dem Künstler Jan Bormann geht offenbar unentschieden aus: Jan Bormanns Brunnen kann auf dem Lambertusplatz auch aus Sicht der Feuerwehr stehen bleiben. Aber Teile seines Kunstwerks, drei Quader, die ebenfalls auf dem Platz in der Altstadt stehen, müssen wohl weg.

Die Feuerwehr hat gegen Jahresende zwei große Übungsszenarien durchgespielt, nach deren Aufarbeitung und Analyse für Feuerwehrchef Ulrich Vogel feststeht, dass Teile des Kunstwerks im Zweifel Rettungsarbeiten zu sehr behindern würden.

Szenario 1: ein Rettungseinsatz im Schlatholt-Gebäude, Münsterstraße 12. Ein Brand, der eine Evakuierung der Wohnung im 4. Obergeschoss erfordert. Das übte die Feuerwehr im November 2021. Der Zeitverzug durch die Aufbauten während des Wochenmarktes 50 Sekunden. Die Steinquader dagegen hielten die Drehleiter etwa sechs Minuten auf. „Das hat länger gedauert als die Fahrt zur Einsatzstelle“, erklärte Ulrich Vogel in dieser Woche der Politik und Verwaltung. Zwei Stände vom Wochenmarkt mussten eingeklappt oder abgebaut werden.

Jetzt lesen

Seine Erkenntnisse im Detail: Die Marktbeschicker hätten sich vorbildlich verhalten. „Die Übung war so streng geheim, dass nur ich davon wusste“, so Vogel. „Für eine zuverlässige Menschenrettung, gerade im Herbst, bei Dunkelheit, mit Hilferufen, die die Rettungskräfte unter Druck setzen, fehlt jeglicher Spielraum. Diese sechs Minuten sind für uns unhaltbar.“

Das Fazit der Feuerwehr: „Wie der Platz im Moment genutzt wird, ist eine Menschenrettung für die Wohnung Münsterstraße 12 im 4. Obergeschoss nicht möglich. Somit wäre der Platz als Feuerwehrfläche freizuhalten. Eine Nutzung für die Kirmes, den Weihnachtsmarkt oder andere Veranstaltungen ist damit auch nicht möglich.“

Szenario 2: ein Feuer im hölzernen und mit Kupfer verkleideten Dachstuhl der Kirche St. Lambertus. Auch hier, so Vogel, wäre eine Brandbekämpfung als Menschenrettung zu verstehen, denn hier drohe aufgrund der engen Bebauung rundherum eine Brandausbreitung auf Nachbargebäude oder ein Einsturz der Kirche.

Das Befahren des Lambertusplatzes im Trümmerschatten des Kirchturmes sei ausgeschlossen. Die eigene Drehleiter habe eine Höhe von 23 Metern. Man würde die Berufsfeuerwehr Dortmund mit alarmieren, die über eine Teleskopmastbühne verfügt. Sie braucht eine Aufstellfläche von 11 mal 7 Metern, um den Hub durch breite Stützen auszugleichen. Die maximale Rettungshöhe liegt dann bei 54 Metern.

Auch hier gab es eine Übung, geheim gehalten, am 17.12.2021 um 8 Uhr. Zunächst stellte man das Fahrzeug neben dem Optiker Fielmann, also am Fuße der breiten Treppe auf. „Man kommt dann mit der Gondel bis zur südlichen Seite des Kirchenschiffs“, so Vogel. „Die andere Seite kann man nicht erreichen. Der Dachstuhl des Langhauses ist damit also nicht hinreichend erreichbar.“

Erkenntnis: Eine weitere Aufstellfläche direkt vor dem ehemaligen Schuhhaus Schlatholt sei notwendig. Man müsse die drei Quader der Brunnenanlage, eine Laterne, ein Spielgerät und ein Hochbeet mit Bänken vor dem Schlatholt-Schaufenster entfernen. Vogel: „Wir brauchen beide Flächen am Lambertusplatz, um unsere Aufgaben erfüllen zu können. Aus heutiger Sicht erscheint eine Genehmigung des Brunnens an dieser Stelle fraglich.“

Für Vogel die Minimallösung, sprich das mildeste Mittel: Man muss mindestens die zwei Aufstellflächen erreichen können, noch besser sei ein gänzlich freier Lambertusplatz.

Jetzt lesen

Jan Bormann (82) kämpft für und um sein Kunstwerk in der Castroper Altstadt.

Jan Bormann (82) kämpft für und um sein Kunstwerk in der Castroper Altstadt. © Abi Schlehenkamp (A)

Jan Bormann, bekannter Bildhauer und Schöpfer des Brunnen-Kunstwerks, nahm ebenfalls an der digitalen Ausschusssitzung Teil. Seit langem schon wirft er Ulrich Vogel vor, er prüfe nicht alle Optionen hinreichend. Vor allem andere Aufstellflächen rund um die Kirche bei einem Brand von St. Lambertus lasse er außer acht: Man könne sie am Biesenkamp zwischen Doherr-Haus und Eiscafé Adriano ebenso aufstellen wie in der Fußgängerzone am Juwelier Zimmer oder in der Einfahrt vom Biesenkamp direkt zur Kirche, um mit den Auslegern durch die Baunischen übers Kirchdach zu gelangen. Immer wieder legte er auch unserer Redaktion seinen eigenen Rettungsplan vor.

Diese Zeichnung zeigt die Kirche im Zentrum. Rundherum hat Bormann den Trümmerschatten bei einem Zusammenbruch des Turms eingezeichnet. Und die Aufstellmöglichkeiten für die Feuerwehr, die er erkennt, mitsamt der Länge der Drehleiter.

Diese Zeichnung zeigt die Kirche im Zentrum. Rundherum hat Bormann den Trümmerschatten bei einem Zusammenbruch des Turms eingezeichnet. Und die Aufstellmöglichkeiten für die Feuerwehr, die er erkennt, mitsamt der Länge der Drehleiter. © Jan Bormann

Diese zweite Zeichnung von Jan Bormann zeigt den Lambertusplatz zwischen Münsterstraße (unten) und den tiefer liegenden Gemeindehaus-Räumen. Hier sind die Quader zu erkennen und die Brunnensäule (dunkel), die Laternen (gelbe Lichtkränze), das Kinderspielhaus (in blau) und die möglichen Fahrtwege eines großen Feuerwehrautos zur den Aufstellflächen. Dafür müsste man nur einzelne Quader verschieben, meint der Künstler.

Diese zweite Zeichnung von Jan Bormann zeigt den Lambertusplatz zwischen Münsterstraße (unten) und den tiefer liegenden Gemeindehaus-Räumen. Hier sind die Quader zu erkennen und die Brunnensäule (dunkel), die Laternen (gelbe Lichtkränze), das Kinderspielhaus (in blau) und die möglichen Fahrtwege eines großen Feuerwehrautos zur den Aufstellflächen. Dafür müsste man nur einzelne Quader verschieben, meint der Künstler. © Jan Bormann

Dabei hat er Nils Bettinger (FDP) an seiner Seite, der Bormanns Fragen in den Raum stellte. Ulrich Vogel entgegnete: „Es gibt keine weiteren Flächen mit 16 Tonnen Auflast als vom Lambertusplatz rund um die Kirche, die man nutzen könnte.“ Michael Werner (EUV-Vorstand) ergänzte konkret: „Die ersten 50 Meter vom Biesenkamp bis zum Café 1910 sind noch nicht in der Bauklasse 32 ertüchtigt (Bodenwertklasse). Außerdem handelt es sich um einen schmalen Durchgang zwischen Eisdiele und dem anderen Gebäude. Das wird schon eng.“

Bettinger meinte, wenn dieser Bereich ertüchtigt werde, könnte diese Stelle ja doch noch eine Option werden. Feuerwehrchef Ulrich Vogel: „Die Wirklichkeit ist anders als die Fantasie. Eigentlich würde man sich je nach Windlage und Rauchausbreitung verschiedene taktische Möglichkeiten wünschen. Aber klar, wir sind durch die bauliche Realität eingeschränkt, das muss man auch hinnehmen. Aber nur in gewissem Maße.“

Jetzt lesen
Jetzt lesen

Bormanns zentraler Vorschlag: Die Feuerwehr kann Steinquader in Brunnennähe verschieben und dann auf den Platz fahren. „Die Würfel sind in Nullkommanix zur Seite geschoben oder gezogen“, meinte er.

Vogel entgegnete: „Das ist für uns eine zusätzliche Manipulation. Unsere kleine Armada fährt an, da ist es schon eng genug in der Altstadt. Wir müssen unter Atemschutz in das Gebäude, das Löschgruppenfahrzeug muss also taktisch gut positioniert sein; ebenso wie die Drehleiter.

Wenn ich nun noch ein drittes Fahrzeug bräuchte mit einer Seilwinde, das die Poller wegzieht – dann ist das im Grundsatz möglich, aber mit einem enormen Zeitverlust verbunden, der einer Menschenrettung nicht zuträglich ist, und eine zusätzliche Belastung und Unfallgefahr der Feuerwehrleute in Atemschutz und beim Schlauchrollen, immer unter dem Stress der Lage, bedeutet.“

„Ihr Kampf für die Kunst ist wirklich zum Niederknien, klasse, wie Sie sich dafür einsetzen!“

Ulrich Vogel, Feuerwehrchef

Vogel zolle „Herrn Bormann Respekt, dass er sich für Kunst und Kultur, also das, was die Stadt liebenswert macht, einsetzt. Ihr Kampf für die Kunst ist wirklich zum Niederknien, klasse, wie Sie sich dafür einsetzen!“ Aber auch: „Ihre Interessen decken sich nicht mit unseren Fakten. Ich hoffe, dass Sie die Fachkompetenz und die geltenden Gesetze respektieren.“

Jetzt lesen

Die bringt Bormann nicht auf: Er fordert im Nachgang des Betriebsausschusses, der sich mit über 30 Mitgliedern über eine Stunde nur mit diesem Vortrag und der Debatte beschäftigte (und nicht zum ersten Mal): „Das einzig wichtige Argument, das ich in der Sitzung vorgebracht habe, das aber untergegangen ist: Ich möchte ein Brandschutzgutachten sehen. Das habe ich vor Jahren angefordert, es wurde nie vorgelegt. Damit man anhand von Fakten diskutieren kann. Sonst ist das alles Nonsens.“

Verwaltungsvorstand: „Wir setzen das um“

Wie aber geht es nun weiter? Der Ausschuss hörte die neuen Einlassungen. Nach Ulrich Vogels Auffassung berate die Feuerwehr fachlich, sei aber keine Baubehörde und veranlasse auch keine Veränderungen. Das Bauamt um Philipp Röhnert müsse nun prüfen, wie man diese Situation rechtlich betrachtet und welche Maßnahmen nötig sind. Michael Werner ergänzte, der EUV werde eine Entscheidungsvorlage für die nächste Sitzungsfolge vorlegen, eine sechs Meter hohe Laterne sei nicht flott entfernt.

Jetzt lesen

Ordnungs-Dezernent Michael Eckhardt fasste das so zusammen: „Nach verwaltungsinterner Abstimmung wird das dann durch die Bauordnung im Verwaltungshandeln direkt umgesetzt. Einen politischen Beschluss braucht man nicht, aber man gibt das dann hier sicher noch mal zur Kenntnis.“

Danach nahm er das Verwaltungs-Fazit vorweg: „Aufgrund der langen und umfangreichen Betrachtung mit realistischen Einsatzszenarien wird die Entscheidung wohl so fallen: Wir nehmen bestimmte Quader weg, markieren die Aufstellflächen. Wir werden nicht das ganze Kunstwerk wegnehmen, sondern machen nur das Mindestmaß, drei einzelne Quader. Ich denke, das wird man dann so entscheiden.“

Lesen Sie jetzt