„Wer im Netz nicht gefunden wird, den gibt es nicht“ Expertin zur Lage in der Castroper Altstadt

„Wer im Netz nicht gefunden wird, den gibt es nicht“
Lesezeit

Die Castrop-Rauxeler Altstadt hat es im Moment nicht leicht. Die Leselust schließt bald, Schuh Grosse-Kreul hat vor kurzem geschlossen und auch die ehemalige Schlatholt-Filiale steht wieder leer. Nur einige der vielen Geschäfte, die in den vergangenen Monaten verschwunden sind.

Castrop-Rauxel steht mit seinen Problemen aber nicht allein da, weiß Marion Runge. Sie ist Geschäftsführerin des Handelsverbandes Nordrhein-Westfalen Ruhr-Lippe zu dem auch Castrop-Rauxel gehört. Der Verband vertritt die Interessen des Einzelhandels. „Kleine Städte im Dunstkreis von größeren Städten haben es einfach schwer.“ Man sei mit dem Auto von Castrop-Rauxel aus schnell in Städten wie Dortmund oder Bochum. Gleichzeitig kaufen die Menschen vor allem Nicht-Lebensmitel weiterhin viel online.

Viele finden keine Nachfolge

Für die Leselust in Castrop-Rauxel gibt es keine geeignete Nachfolge, ein Phänomen das viele inhabergeführte Geschäfte haben. Marion Runge: „Es sind immer weniger Menschen bereit, das Risiko einzugehen.“ Ein Geschäft aufzubauen, sei mühsam. Man müsse sich auf 60-Stunden-Wochen einstellen und viel arbeiten. „Es ist auch nicht mehr wie früher, wo man selbstverständlich das Geschäft der Eltern übernommen hat.“ Junge Menschen seien nicht mehr so stark interessiert an Berufen im Einzelhandel.

Aber wie kann eine Innenstadt wie die von Castrop-Rauxel punkten? „In Befragungen hören wir da immer die gleichen Punkte. Sauberkeit, Sicherheit und Plätze zum Verweilen“, erzählt Marion Runge. Es gehe nicht mehr in erster Linie um das Einkaufen, sondern um das Erlebnis in der Stadt. Attraktive Städte brauchen also Grünflächen, Spielplätze und schön gelegene Sitzgelegenheiten. Wer durch die Altstadt spaziert erkennt: Ansätze davon gibt es in Castrop-Rauxel zwar, aber es ist noch viel Luft nach oben.

Die Gerry Weber Filiale steht seit vielen Monaten leer, genau wie das Ladenlokal daneben. Castrop-Rauxel hat in den vergangenen Monaten mehrere Geschäfte verloren.
Die Gerry Weber Filiale steht seit vielen Monaten leer, genau wie das Ladenlokal daneben. Castrop-Rauxel hat in den vergangenen Monaten mehrere Geschäfte verloren. © Nora Varga

Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt die Studie „NRW kauft ein“, die das Land NRW 2024 veröffentlicht hat. Auch in der Studie wird betont, dass Grünflächen, Sitzmöglichkeiten, Sauberkeit und Beleuchtung wichtig sind für belebte Innenstädte. Auch die Erreichbarkeit der Innenstadt ist von großer Bedeutung. Einfach Parkplätze zu streichen, ohne gute Alternativen zu schaffen, sei laut der Studie gefährlich, weil es das Einzugsgebiet der Innenstadt verkleinert und so weniger Kunden kommen: „Dessen müssen sich die Städte bewusst sein, wenn sie ohne realitätsnah konzipierte Alternativangebote den PKW-Verkehr aus den Innenstädten herausnehmen.“

Digitaler Auftritt ist wichtig

Aber auch die Geschäfte selbst können etwas tun, um mehr Kunden anzulocken. Läden müssen laut Marion Runge online vertreten sein. „Wer im Netz nicht gefunden wird, den gibt es nicht.“ Dieses Problem hatte zum Beispiel die Schatztruhe, ein Second-Hand-Laden, der in der Altstadt nur wenige Monate überlebt hat. Das Geschäft war übers Internet nicht zu finden gewesen, hatte keinen Eintrag auf Google Maps. „Das geht heute nicht mehr“, bestätigt Marion Runge. Nur auf Laufkundschaft könne man nicht mehr setzten.

Es gibt Städte, denen falle es leichter Kundinnen und Kunden anzuziehen. Im Kreis Recklinghausen sei das zum Beispiel Haltern am See. Die Stadt habe ohnehin mehr Tourismus und auch mehr verkaufsoffene Tage. Aber mittelgroße Städte ohne diese Besonderheiten haben es momentan in gesamt NRW schwer, berichtet Marion Runge.

Das eine Erfolgsrezept gibt es aber nicht. Dass eine bestimmte Sorte von Geschäft immer funktioniert, könne man nicht sagen. Aber eine gute Erreichbarkeit und die Aufenthaltsqualität seien wichtig. „Die Kunden wollen heute nicht mehr direkt nur einkaufen, sie wollen auch unterhalten werden.“ Dazu können auch Aktionen und Veranstaltungen beitragen.