Aufreger: Jude Bellingham. © picture alliance/dpa
Borussia Dortmund
Welche Strafen BVB-Profi Jude Bellingham fürchten muss – und welche nicht
Vermutlich hat Jude Bellingham vielen Fans am Samstag aus der Seele gesprochen. Dennoch muss der BVB-Profi nach seiner Kritik an Schiedsrichter Felix Zwayer gravierende Konsequenzen fürchten.
Ein begeisterndes Fußballspiel mit einer schwachen Schiedsrichterleistung: Nach dem Bundesliga-Topspiel zwischen Borussia Dortmund und dem FC Bayern München war vor allem beim unterlegenen BVB der Unparteiische Felix Zwayer das Thema der Gespräche und nicht die sportliche Analyse. Den größten Aufreger lieferte der 18-jährige Jude Bellingham.
Unmittelbar nach dem Abpfiff sagte er in einem Interview im norwegischen TV-Sender Viaplay: „Du gibst einem Schiedsrichter, der schon vorher mal Spiele geschoben hat, das größte Spiel in Deutschland. Was erwartest du?“
Juristen sehen kaum Chancen für eine Strafanzeige gegen Borussia Dortmunds Bellingham
Schiedsrichter-Beobachter Marco Haase hat als Privatperson Strafanzeige erstattet und dafür die Paragrafen 185 bis 187 des Strafgesetzbuches angeführt, es gehe um Beleidigung, üble Nachrede und Verleumdung. Der erfahrene Referee auf hohem Amateurniveau hatte dies auch damit begründet, dass sich durch die Aussagen Bellinghams die Unparteiischen im Allgemeinen verunglimpft fühlten. Die Anzeige ist am Montag bei der Dortmunder Polizei eingegangen, bei der hiesigen Staatsanwaltschaft noch nicht.
Juristen geben dem Ansinnen wenig bis keine Chancen. „Beleidigung ist ein Antragsdelikt, das heißt: Hier wird nur auf Antrag des Beleidigten ermittelt. Da müsste man erstmal feststellen, ob der Herr Haase antragsberechtigt ist“, sagt der Düsseldorfer Sportrechtsexperte Dr. Paul Lambertz. Ein weiteres Argument gegen diese Form der Strafverfolgung: „Der Spieler geht ja explizit auf einen Schiedsrichter ein. Daraus eine Beleidigung gegenüber der Masse an Schiedsrichtern abzuleiten, ist schon sehr fragwürdig.“
Ob es sich ganz grundsätzlich um eine Beleidigung handle und ob Zwayer solche Anzweiflungen nicht aushalten müsse, sei eine weitere Fragestellung. Es müsste eine herabwürdigende oder wider besseres Wissen getätigte Beleidigung nachgewiesen werden.
DFB-Kontrollausschuss ermittelt: Stellungnahme von BVB-Profi Bellingham
Bedrohlicher könnte der Fall für Bellingham vor der Sportgerichtsbarkeit laufen. Der DFB-Kontrollausschuss um Dr. Anton Nachrainer hat die Ermittlungen aufgenommen und den Spieler um eine Stellungnahme gebeten. Die sollte Mitte der Woche verfasst sein, danach beantragt der Kontrollausschuss eine entsprechende Strafe. Akzeptieren Bellingham und der BVB, wäre das Verfahren damit erledigt. Kommt es zu keiner Einigung, wird das DFB-Sportgericht aktiv. Doch welches Strafmaß muss Borussia Dortmunds Mittelfeldspieler überhaupt befürchten?
In der Regel enden die Verfahren um „unsportliches Verhalten“ in den Interview-Situationen nach den Spielen mit einer Geldstrafe. Als Beispiel sei hier genannt: Mario Gomez hatte seinen Gegenspieler Maik Franz 2008 als „Arschloch“ betitelt – das kostete ihn 8.000 Euro.
Vom DFB drohen BVB-Youngster Bellingham eine Geldstrafe und sogar eine Sperre
Aus den Reihen der Rechtsexperten beim DFB heißt es, bei der Aussage von Bellingham könne man auch mit einem „schwerwiegenden Fall“ argumentieren. Er habe Schiedsrichter Zwayer persönlich in seiner Integrität angegriffen, aber auch das Schiedsrichterwesen im Allgemeinen und den DFB als Ganzes. Dann käme eventuell § 9 Ziffer 1. der Verfahrensordnung zum Zug. Dort heißt es: „Eines unsportlichen Verhaltens gemäß § 1 Nr. 4. macht sich insbesondere schuldig, wer sich […] provokativ beleidigend verhält.“ Dann käme neben einer Geldstrafe potenziell auch eine Sperre in Betracht.
„Dafür erscheint mir die Hürde zu hoch, um hier von einem schwerwiegenden Fall zu sprechen“, meint Jurist Lambertz. Zöge der Fall außerhalb des DFB keine Konsequenzen nach sich, dann sollte das auch trotz des Bemessungsspielraums nicht zu einer Bestrafung innerhalb des eigenen Wertesystems führen. Ein Punkt, den alle Gesprächspartner anführen: Da hat ein junger Spieler in einer aufgeheizten Atmosphäre unmittelbar nach Abpfiff übermäßig scharfe Worte gewählt. Den Sachverhalt der einstigen Bestechlichkeit von Zwayer, bei dem selbst das Ende der (internen) Aufarbeitung 15 Jahre her ist, könne er auch nur vom Hörensagen, eventuell vom Kabinengeflüster, gekannt haben.
Anzeige gegen BVB-Profi: Akte Bellingham soll bis Ende der Woche geschlossen werden
Eine klare Andeutung von gefühlter Ungleichbehandlung hatte BVB-Kapitän Marco Reus auch nach dem vorherigen Bundesliga-Spiel in München geäußert, damals hatte ein nicht geahndeter Körpereinsatz gegen seinen Mitspieler Emre Can die spielentscheidende Szene herbeigeführt. Reus sagte damals: „Ich sage Ihnen ganz ehrlich: Wenn das bei Bayern gewesen wäre, hätte er (der Schiedsrichter, d. Red.) 100-prozentig gepfiffen. Das ist so. Bei Bayern wäre es gepfiffen worden, fertig, aus, ist so.“ Diese Aussage blieb damals ohne Folgen.
Interesse an einer längeren juristischen Auseinandersetzung dürften weder die Schiedsrichter noch der DFB noch Borussia Dortmund und Jude Bellingham haben. Dann könnte die Akte Bellingham bis Ende der Woche geschlossen werden.
BVB-Fans haben am Montag angekündigt, im Falle einer Geldstrafe Spenden zu sammeln.
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