
Edin Terzic (r.) soll erneut das Traineramt bei Borussia Dortmund übernehmen. © imago / Ulrich Hufnagel
Trumpf in der Hinterhand: So laufen die BVB-Verhandlungen mit Edin Terzic
Borussia Dortmund
Neuer Kader, neuer Sportdirektor - und plötzlich auch ein neuer Trainer. Das BVB-Gesicht wird sich extrem verändern. Edin Terzic soll sportlich und atmosphärisch für Aufschwung sorgen. So laufen die Verhandlungen.
Den Analysten an der Börse darf man maximal Ferndiagnosen zutrauen bei der Zustandsbeschreibung von Borussia Dortmund. Am Freitag verwunderte ihre Einschätzung auf den ersten Blick: Nach einem Tag, der aufgrund der Trennung von Marco Rose „nicht einfach“ war, wie Klubchef Hans-Joachim Watzke erklärte, befürworteten die Anleger offensichtlich das Aus für den Trainer: Der Kurs der BVB-Aktie stieg um mehr als vier Prozent.
Kein volles BVB-Vertrauen in Marco Rose vorhanden
Ob sportlich und atmosphärisch ein ähnlicher Aufschwung gelingt, wird umso kritischer beäugt werden, wie er von den Verantwortlichen sehnlichst erhofft wird. Während sich das Ende der Zusammenarbeit mit Rose und seinem Team grundsätzlich durchaus mit einer Reihe von Argumenten rechtfertigen lässt, überrascht der Zeitpunkt. In die gemeinsame Saisonanalyse gingen die Bosse mit Rose als klarem Cheftrainer-Kandidaten für die Saison 22/23.
Als während der stundenlangen Besprechung mehr und mehr die Defizite der abgelaufenen Spielzeit auch auf Rose gemünzt wurden (Verletzungsmisere, das Aus in den Cup-Wettbewerben, fehlende Konstanz, taktische Schwächen, Gegentorflut), stellte der amtierende Coach dem Vernehmen nach die Vertrauensfrage. Würde Rose, der bei den Fans keinen hohen Stellenwert besaß und auf Kritik dünnhäutig reagierte, selbst bei einem wackeligen Start ins nächste Spieljahr, zu 100 Prozent auf das Vertrauen seiner Vorgesetzten zählen können?
Bei Borussia Dortmund wartet man auf das Ja-Wort von Edin Terzic
Als die Antwort darauf nicht eindeutig ausfiel, auch die sportliche Leitung nicht für Rose in die Bresche sprang, war das Schicksal des Trainers besiegelt. Die „Elefantenrunde“ endete, so heißt es, bei manchen Beteiligten mit tiefer Enttäuschung und Frust wie nach manchen Partien in der jüngeren Vergangenheit. Menschlich schmerzt die Demission des sechsten Trainers seit 2015 schwer. Sie ist aber auch eine Lehre aus dem Sommer 2020, als Lucien Favre auf der Kippe stand, der BVB aber weiter auf ihn setzte – nur um dann den deutlich unschöneren Weg gehen zu müssen, während der Saison den Trainer zu wechseln.
Nutznießer damals wie heute: Edin Terzic. Den Ex-Coach hat der BVB, das mag mit zu dieser außergewöhnlichen Situation rund um Rose geführt haben, wie einen Trumpf in der Hinterhand gehalten. Terzic steht als designierter Nachfolger seines Nachfolgers parat, auch wenn er davon bis zum Freitag nichts geahnt haben soll. Er bekommt vollen Zuspruch der Klubführung, darf sein Trainerteam (Peter Herrmann und Sebastian Geppert sind als Co-Trainer auserkoren) zusammenstellen und muss, nachdem am Samstag organisatorische und administrative Aufgaben abgehakt werden sollten, nur noch zusagen. Am Sonntag sind weitere Gespräche geplant - dann könnte schnell Vollzug gemeldet werden.
Edin Terzic soll beim BVB neue Euphorie entfachen
Den 39-Jährigen, dem vor einem Jahr mit dem DFB-Pokalsieg ein Meisterstück gelang, hatte allen voran Klubchef Hans-Joachim Watzke bewusst so lange wie möglich auch emotional an den Verein gebunden. Terzic widerstand zwischenzeitlich der Versuchung, sein Glück anderswo als in seinem Lieblingsklub zu suchen. Nun muss er nur noch zugreifen.
In die gesamte Kaderplanung und das Transfergeschäft war Terzic als Technischer Direktor und einer der ersten Ansprechpartner für den künftigen Sportdirektor Sebastian Kehl komplett involviert. Seine Meinung zählt etwas beim BVB – und künftig könnte er auch wieder wichtige Entscheidungen fällen. Neben seiner sportlichen Expertise, von der Watzke, Zorc, Kehl und Sammer angetan sind, wäre Terzic auch ein Joker gegen die aufkommenden Vorbehalte gegenüber der Klubführung: Als Liebling der Massen könnte Menschenfänger Terzic nicht nur die Wogen glätten, sondern auch für eine neue Euphorie sorgen.
Der BVB wird mit einem anderen Gesicht aus der Pause kommen
Aus dem Ende mit Schrecken bei Rose könnte tatsächlich eine Aufbruchsstimmung entstehen, die es mit dem alten Trainer nicht gegeben hätte. Umbruch im Kader, neuer Trainer, neuer Sportdirektor: Borussia Dortmund wird mit einem anderen Gesicht aus der Sommerpause kommen. Nicht wenige sagen: Es wurde höchste Zeit, dass der BVB zu sich zurückkehrt.
Schon als Kind wollte ich Sportreporter werden. Aus den Stadien dieser Welt zu berichten, ist ein Traumberuf. Und manchmal auch ein echt harter Job. Seit 2007 arbeite ich bei den Ruhr Nachrichten, seit 2012 berichte ich vor allem über den BVB. Studiert habe ich Sportwissenschaft. Mein größter sportlicher Erfolg: Ironman. Meine größte Schwäche: Chips.
