
Das Aus von Marco Rose erhöht beim BVB den Druck auf Hans-Joachim Watzke (M.) und Sebastian Kehl. © imago / Team 2
Ende mit Knalleffekt: Roses Scheitern erhöht auch den Druck auf die BVB-Bosse
Meinung
Der Rauswurf von Marco Rose kommt überraschend. Nach einer enttäuschenden Saison treibt der BVB den Umbruch radikal voran. Das erhöht den Druck auch auf die Entscheider selbst.
Die Fakten lagen auf dem Tisch, als am Donnerstag die BVB-Granden ihr endgültiges Urteil fällten. Nach einer Spielzeit mit 15 Niederlagen und zu vielen Enttäuschungen wird der Kader umgebaut, doch damit nicht genug: Auch Trainer Marco Rose (45) muss gehen. Es ist ein Ende mit Knalleffekt: Roses Arbeit stand zwar auch in der Klubführung immer wieder in der Kritik, doch dieser klare Schnitt nach vielen gegenteiligen Bekundungen überrascht. Auch den Coach selbst.
Das Aus in den Pokalwettbewerben hat den BVB schwer getroffen
Handelt der BVB mit Klubchef Hans-Joachim Watzke und dem neuen Sportdirektor Sebastian Kehl an der Spitze richtig? Ja, wenn nach der Analyse der Fehlleistungen zu viele Argumente gegen Rose sprachen. Die Verletztenmisere hat das Trainerteam nie in den Griff bekommen, was neben anderen Faktoren auch der Trainingsplanung zuzuschreiben ist. Das Ausscheiden in den Pokalwettbewerben hat den BVB bloßgestellt und finanziell schwer getroffen. Eine fußballerische Handschrift, eine Spielidee für den hochwertigen Kader oder Aktionen gegen die Defensivschwäche wurden im Laufe der Saison immer mehr vermisst.
Mängel, die Rose anzulasten sind – aber längst nicht allein ihm. Schließlich wurde er von seiner widerstandsunfähigen, mangelhaft motivierten und nicht überzeugend zusammengestellten Mannschaft mehrmals im Stich gelassen. Zwingend geboten war seine Demission daher nicht. Doch das Vertrauen in die Leistungsfähigkeit des Trainers war offensichtlich so weit geschwunden, dass man den Neustart im Sommer nicht mehr in seine Hände legen wollte.
Der BVB agiert konsequenter als bei der Personalie Lucien Favre
In dieser Konsequenz agieren die Borussen damit anders als bei Lucien Favre, der spätestens nach zwei Spielzeiten keine Fürsprecher mehr in der Führungsriege hatte. Dennoch hielt man im Sommer 2020 an ihm fest – um diesen Fehler nach wenigen Monaten zu korrigieren. Das spülte den damaligen Co-Trainer Edin Terzic in die vorderste Reihe. Seit dem DFB-Pokalsieg 2021 und einem famosen Endspurt in der Bundesliga genießt das Eigengewächs höchstes Ansehen in der Chefetage wie bei den Fans. Nun ist er der größte Favorit auf die Nachfolge seines Nachfolgers.
Sechs Trainer hat der BVB damit seit dem Ende der Ära Jürgen Klopp 2015 verschlissen. Unterschiedliche Typen mit teils gegensätzlichen Spielphilosophien. Ein ziemlicher Schlingerkurs. Rose hätte wie andere Trainer Zeit und passende Spieler benötigt, um seine Vorstellungen durchzubringen. Die bekam er nicht. Den ehrgeizigen Leipziger wird das tief enttäuschen. Er hatte, wie alle anderen, den Beteuerungen der Bosse geglaubt, dass er den Umbruch nicht nur planen, sondern auch umsetzen darf. Bei einigen Transfers hat er bereits mitgewirkt. Jetzt wird er rausgeschmissen, nachdem man ihn vor 18 Monaten flehend angeworben hatte.
Auch die BVB-Verantwortlichen müssen sich hinterfragen
Die immer kürzeren Abstände zwischen „hire and fire“ werfen insgesamt ein schlechtes Licht auf Borussia Dortmund und die anderen fünf Bundesligisten, die kurz nach dem Saisonende ihre Trainer vor die Tür gesetzt haben. Ein entscheidender Faktor für Erfolg ist und bleibt Kontinuität. Die Fußballbranche hingegen giert wie von Sinnen nach kurzfristigen Hurra-Erlebnissen. Gelingt das nicht, wird die nächste Sau durchs Dorf getrieben. Die Schattenseite des Showbusiness.
Dortmunds Fans wünschen sich keine Show, sondern Wir-Gefühl, Hingabe und ab und zu Spektakel im Stadion. Gelingt das nach dem Umbruch im Sommer nicht, dürfte die erhoffte Aufbruchstimmung ebenso rasch wieder abebben. Dann müssen sich auch die Bosse hinterfragen, ob sie die richtigen Entscheidungen für ihre Borussia treffen. Roses Rauswurf erhöht auch den Druck auf Watzke und Kehl.
Schon als Kind wollte ich Sportreporter werden. Aus den Stadien dieser Welt zu berichten, ist ein Traumberuf. Und manchmal auch ein echt harter Job. Seit 2007 arbeite ich bei den Ruhr Nachrichten, seit 2012 berichte ich vor allem über den BVB. Studiert habe ich Sportwissenschaft. Mein größter sportlicher Erfolg: Ironman. Meine größte Schwäche: Chips.
