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Saison gelaufen! Borussia Dortmund auf der Suche nach Zielen
Fußball
Für Borussia Dortmund ist die Saison nach dem 1:4 gegen RB Leipzig endgültig gelaufen. Die Spannung muss trotzdem hochgehalten werden. Der BVB begibt sich auf die Suche nach neuen Zielen.
Auf der größten Bühne, die der europäische Vereinsfußball zu bieten hat, geht die wilde Fahrt am Dienstag und Mittwoch in die nächste Runde. Champions League, Viertelfinale, die Bayern freuen sich auf das machbare Los Villareal, Manchester City, in der Königsklasse in der vergangenen Saison Endstation für den BVB, bekommt es mit Real Madrid zu tun – und Samstagsgegner RB Leipzig darf immerhin am Donnerstag in der Europa League weiterspielen. Atalanta Bergamo ist dort nicht der attraktivste Gegner, aber auch kein Fallobst.
Der BVB verpasst die großen Europapokal-Spiele in diesem Jahr
Das sind die Spiele, auf die man als Profi hinarbeitet. Sternstunden des Fußballs entwickeln sich in diesen Partien, von denen auch Borussia Dortmund schon eine Menge erlebt und einige selbst kreiert hat. Doch nicht in diesem Jahr.
Wenn die Spieler dann vor dem Fernseher die spielen sehen, denen sie am liebsten auf dem Rasen begegnen würden, dürfte das die Katerstimmung nach dem 1:4 gegen Leipzig vielleicht noch um ein paar Tage verlängern. Ein Spiel, das mit dafür gesorgt hat, dass der Borussia mit großer Wahrscheinlichkeit nun eine relativ triste Saison-Endphase bevorsteht.
Die Saison ist für Borussia Dortmund endgültig gelaufen
Im April und Mai, wenn es um die Wurst geht, wenn die Entscheidungen fallen, steht Borussia Dortmund vor der schwierigen Herausforderung, eine Saison ordentlich zu Ende zu bringen, in der man in den Pokalwettbewerben früh die Segel gestrichen hat und in der auch in der Liga nicht mehr viel geht.
„Da muss jeder selbst genügend Motivation mitbringen, den Anspruch, den wir alle an uns haben, auch zu leben und auf den Platz zu bringen“, sagt Sebastian Kehl, und der designierte BVB-Sportdirektor schiebt im Gespräch mit den Ruhr Nachrichten noch hinterher: „Wir haben alle die Verpflichtung, bis zum Sommer das Maximale aus den letzten Partien herauszuholen.“ Kehl weiß freilich, dass das Einfordern dieser scheinbaren Selbstverständlichkeit und die Umsetzung zwei verschiedene Paar Schuhe sein können.
BVB muss die Spannung hochhalten
Nach oben zu den Bayern geht bei neun Zählern Rückstand nichts mehr. Selbst wenn ein Freiburger Einspruch gegen die Wertung des Samstags-Spiels Erfolg haben würde, bliebe es bei sechs Punkten Abstand. Wohl zu viel auch angesichts des machbaren Restprogramms der Bayern und der gleichzeitigen Inkonstanz der Borussia. Nach unten andererseits ist Dortmunds Polster seit Wochen ausreichend komfortabel.
Kehls eindringliche Mahnung an Professionalität und Arbeits-Ethos soll vor allem diejenigen erreichen, die schon wissen, dass ihre Zeit in Dortmund ablaufen könnte. Viel ist im Fluss momentan. Seinen Willen auch zu größeren Umwälzungen im Kader hat Kehl bereits bekundet – aber auch darauf hingewiesen, dass der Klub gültige Verträge natürlich respektieren müsse. Wie groß der Umbruch im Sommer wirklich ausfallen wird, hängt von vielen Faktoren ab – unter anderem auch vom Willen der betreffenden Spieler, sich zu verändern. Der wird nicht bei jedem mit ordentlichem Vertrag ausgestatteten Kicker ausgeprägt sein.
Borussia Dortmund im Endspurt: „Vorspielen für die kommende Saison“
Weil die offenkundigen Ziele verfehlt wurden und Platz zwei aktuell nicht gefährdet ist, würden die letzten sechs Partien auch eine Art „Vorspielen für die kommende Saison“ bedeuten, hat Abwehrchef Mats Hummels nach dem 1:4 gegen Leipzig erklärt. Für den ein oder anderen geht es noch darum, sich vielleicht doch noch für eine weitere Chance zu empfehlen.
Vor allem aber muss der BVB alles daransetzen, das abgekühlte Verhältnis zu den eigenen Fans zu verbessern. Die Pfiffe nach der Pleite gegen Leipzig waren unüberhörbar. Räumliche Distanz durch zwei Jahre Pandemie und verlässlich schwankende Leistungen in dieser Phase haben dazu geführt, dass in Teilen der Fangemeinschaft eine Entfremdung vom Sport stattgefunden hat – nicht nur in Dortmund. Dieser Teil der Anhänger erhebt derzeit immer lauter die Stimme. Unverhohlen (Haaland) und weniger offen (Akanji) kommunizierte Abwanderungsgedanken einiger Leistungsträger tun ihr übriges.
Borussia Dortmund muss die Fans zurückgewinnen
Auch BVB-Trainer Marco Rose hat davon gesprochen, als er kürzlich anmerkte, die Anhänger während dieser schwierigen Phase und nach schwachen Leistungen zum Teil im Stich gelassen und daher „verloren“ zu haben. Wenn Hummels also von einem „Vorspielen“ spricht, thematisiert er damit auch diesen Punkt: Der BVB muss versuchen, die Fans wieder zu begeistern, sie bedingungslos hinter sich zu bringen wie bei ihrer Rückkehr am Samstag in der ersten Spielhälfte – und sie künftig seltener zu enttäuschen. Mit entsprechender Rückendeckung in die neue Saison zu gehen, könnte ein wichtiger Vorteil sein.
Rose hat klargestellt, dass es unabhängig von faktischen Tabellenkonstellationen die Aufgabe und der Anspruch der Mannschaft sein müsse, auch ohne große erkennbare Reize die Saison seriös zu Ende zu spielen. Alles andere verbiete sich. Das heißt auch, dass jetzt keine Zeit für Experimente ist.
BVB wird nicht experimentieren
Gedankenspiele, einigen Spielern aus der im März in der Youth League begeisternden U19 Chancen bei den Profis zu geben, hegt der Trainer nicht. Zum einen, weil der Nachwuchs kurz vor Erreichen der Endrunde um die deutsche Meisterschaft steht und dort der volle Fokus liegt. Zudem sei der Sprung aus den Junioren zu den Profis riesengroß, hat Rose gesagt. Es geht darum, die Talente nicht mit zu großen Fremd-Erwartungen zu überfrachten und zu großen Karriere-Sprüngen in zu kurzer Zeit zu überfordern.
In irgendeiner Form aber wird Rose am Freitag, wenn Dortmund in Stuttgart gastiert, reagieren. Die Verletztenliste ist deutlich geschrumpft, seine Möglichkeiten zu reagieren sind entsprechend gestiegen. Und Rücksicht hat der Trainer lange genug genommen.
Dirk Krampe, Jahrgang 1965, war als Außenverteidiger ähnlich schnell wie Achraf Hakimi. Leider kamen seine Flanken nicht annähernd so präzise. Heute nicht mehr persönlich am Ball, dafür viel mit dem Crossbike unterwegs. Schreibt seit 1991 für Lensing Media, seit 2008 über Borussia Dortmund.
