Zorcs langer Schatten: So will Sebastian Kehl beim BVB neue Impulse setzen

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Zorcs langer Schatten: So will Sebastian Kehl beim BVB neue Impulse setzen

rnBorussia Dortmund

Auf der Position des BVB-Sportdirektors folgt im Sommer Sebastian Kehl auf Urgestein Michael Zorc. Die Aufgabenfülle ist gewaltig. So will der Ex-Kapitän Borussia Dortmund wieder auf Kurs bringen.

Dortmund

, 28.03.2022, 06:00 Uhr / Lesedauer: 4 min

Borussia Dortmund wird sich sportlich verändern. Im Sommer übernimmt Sebastian Kehl (42) als Sportdirektor. Mit dieser Personalie und aus Lehren dieser Saison sind Veränderungen verknüpft. Im dritten und letzten Teil unserer Serie beleuchten wir das Management:


Als Max Eberl im Januar seinen Job als Sportdirektor von Borussia Mönchengladbach wegen der überbordenden Belastung quittierte, sorgte das für viel Aufsehen. Ein erfolgreicher Manager, der die Brocken hinwirft und ganz offen kommuniziert, dass ihn Stress, Druck und Aufgabenvielfalt als Person überfordern und die Gesundheit über Gebühr belasten, das hatte es zuvor höchst selten gegeben. „Man macht sich natürlich Gedanken über all diese Themen, die Max benannt hat“, sagt Sebastian Kehl. Der 42-Jährige wird vom Sommer an verantwortlich die sportlichen Geschicke von Borussia Dortmund leiten.

Sebastian Kehl: BVB-Auszeit, Weltreise und Studium bei der UEFA

Nicht erst Eberls Rücktritt und die jahrelange enge Begleitung seines Vorgängers, BVB-Sportdirektor Michael Zorc, haben bei Kehl ein tiefes Verständnis für die mächtige Aufgabe hervorgerufen. „Am Ende erwartet man von jemandem wie Eberl, der so lange dabei war, dass er Stärke zeigt und immer eine Antwort und eine Lösung parat hat. Aber manchmal sind wir einfach Menschen.“

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Wie wenige andere Borussen kennt es Kehl, im Rampenlicht zu stehen. 15 Jahre als Spieler, viele davon als Mannschaftsführer, hat er die Branche und ihre ergebnisfokussierte Brutalität von der Profiseite her kennengelernt. Nach seinem Karriereende gönnte er sich eine Auszeit mit einer Weltreise, um dann mit dem ihm eigenen Ehrgeiz seine zweite Karriere voranzutreiben. Management-Studium bei der UEFA, Einstieg in die höchste Funktionäresebene in Dortmund.

Der BVB steht vor einem Umbruch - die Ergebnisse müssen trotzdem stimmen

Von Anfang an war Kehl in alle Entscheidungsprozesse eingebunden. Klubchef Hans-Joachim Watzke hatte ihn auserkoren, weil er „kein Ja-Sager“ sei. Kritisch reflektierend, lösungsorientiert und, eine seiner Lieblingsvokabeln, „ambitioniert“ trat Kehl im Sommer 2018 seinen Dienst an als „Leiter der Lizenzspielerabteilung“. Ein sperriger Titel, aber eine weitsichtige Personalplanung. Wenn er nach vier Jahren Übergangszeit, in der er zunehmend die Richtung vorgab, nun das Kommando endgültig übernimmt, könnte der Zeitpunkt dennoch kaum schlechter sein.

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Da ist der große Schatten, den das Denkmal von Zorc wirft. Da liegt mit den Auswirkungen der Pandemie eine wirtschaftlich denkbar schwierige finanzielle Lage zugrunde. Da gibt es den Kader, den er erbt, und der in mehreren Aspekten eine deutliche Unwucht zeigt. Nicht zuletzt besteht, allen genannten Punkten zum Trotz, eine gleichbleibende hohe Erwartungshaltung an den BVB. Zeit für den Umbruch will man dem Klub gerne einräumen. Die Ergebnisse aber müssen dennoch stimmen. Kehl hätte einen günstigeren Moment erwischen können.

Bei Borussia Dortmund will Kehl nichts dem Zufall überlassen

Wer den stringenten Weg des Jungmanagers verfolgt hat, könnte darin einige Charakteristika des Fußballers wiederfinden. Kehl ist ein schlauer Kopf, ein Stratege und ein Kämpfer. Im Hintergrund hat er mehrere Anpassungen im sportlichen Bereich durchgeboxt, von denen er überzeugt ist und die Früchte tragen sollen.

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Einige Beispiele: Seit dem Ausbruch der Pandemie gehört Sportpsychologe Philipp Laux fest zum Betreuerstab der Borussia. Es gibt eine Ernährungsberaterin, einen Performance Manager. Das Zusammenspiel im Bereich von Athletik, Physiotherapie und medizinischer Abteilung wurde intensiviert. Kehl baut Experten ein, setzt auf wissenschaftliche Expertise. Als Sportdirektor selbst hochklassig gekickt zu haben, sei schon ein Vorteil, sagt er. Alles andere als betriebsblind, holt er das Know-how aus anderen Disziplinen hinzu. Immer weniger soll dem Zufall überlassen werden, und keine potenziell hilfreiche Innovation unbeachtet bleiben.

BVB-Sportdirektor Zorc verfügt über ein exzellentes Netzwerk

Das gilt für das Scouting, das umfassender betrieben werden und nicht mehr in erster Linie nur auf Rohdiamanten schauen soll. Im Bereich der Profis ab Anfang/Mitte 20 hat der BVB in den vergangenen Jahren nicht nur gute Griffe getan. Außerdem sollen charakterliche und physische Tauglichkeit noch genauer beäugt werden. Um eine noch höhere Durchlässigkeit für Jungprofis zu gewährleisten, ist eine engere Verzahnung mit dem Juniorenbereich etabliert worden. Alle relevanten Trainer und Mitarbeiter tauschen sich regelmäßiger aus als bisher und entwickeln individuelle Pläne für die Toptalente zwischen U17 und U23. Dem Sprung in den Profikader soll außer dem Können der jungen Kicker nichts im Weg stehen.

Kehl hat sich mit dem ihm typischen Ehrgeiz in die neue Rolle eingearbeitet. Halbe Sachen macht er nicht. Bei allen relevanten Transfer-Gesprächen, von denen der noch amtierende Sportdirektor Michael Zorc jede Menge führt, war er zuletzt mit von der Partie. Dennoch bleibt dies der Punkt, der beim Übergang vom alten zum neuen Hauptverantwortlichen Sport am schwierigsten zu kompensieren sein wird: Zorc hat in mehr als 20 Jahren auf dem Sportdirektoren-Stuhl ein dichtes und breit gefächertes Netzwerk geknüpft. Zu Spielern, Spielerberatern, Scouts. Er kennt sie alle, und alle kennen ihn. Daran anzuknüpfen, wird bei aller anzuerkennenden Akribie, mit der sich Kehl auf den neuen Job vorbereitet hat, Zeit benötigen.

Wie wird Edin Terzic bei Borussia Dortmund eingebunden?

Eher unspektakulär bleiben die Veränderungen auf den Bürofluren der Sportdirektion, vis-a-vis des Trainingsgeländes iin Brackel. Kehl hat das Sagen, der Technische Direktor Edin Terzic und Kaderplaner Markus Pilawa gehören zu seinen engsten Vertrauten. Mit der Amtsübernahme bekommt Kehl einen persönlichen Assistenten an seine Seite, Daniel Beiderbeck. Er soll ihm im Alltagsgeschäft den Rücken freihalten, bekommt aber keine entscheidenden Befugnisse und wird fernab der Öffentlichkeit wirken.

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Interessant wird auf Sicht vor allem die Personalie Terzic. Der Trainer der Pokalsieger-Mannschaft von 2021 schaufelt nach Jahren als Nachwuchs-, Co- und Cheftrainer weiteres Wissen. Seine Kenntnis über Gedankengänge in der Trainerkabine bereichern die Besprechungen, und irgendwann möchte der 39-jährige sicher gerne auch wieder als Chefcoach auf dem Platz stehen.

Sebastian Kehl benötigt beim BVB einen Vertrauensvorschuss

Das wird allerdings erst dann der Fall sein, wenn Kehl vielleicht die erste große sportliche Krise der Borussia moderieren muss, von der die Beteiligten wünschen, dass sie noch lange auf sich warten lässt. Erst einmal benötigt der künftige Sportdirektor einen Vertrauensvorschuss, die Geduld von Fans, Verantwortlichen und Medien nach dem Umbruch im kommenden Sommer und vor allem Erfolg. Dieser Parameter bleibt bei allen Veränderungen unverändert.