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Nur der Beste vom Rest? Es gäbe Schlimmeres für den BVB
Borussia Dortmund
Bayern-Jäger will der BVB sein. Doch es reicht wieder nur zum Titel als Bester vom Rest. Mehr wagen oder mehr wahren? Wohin es gehen soll, ist eine Grundsatzfrage.
Borussia Dortmund hatte kurzzeitig die Nase vorn, 2011 und 2012 war das. Doch seit die Klopp-Jünger den FC Bayern München bis aufs Blut gereizt haben, wehrt der Branchenprimus jeden Angriff mit großer Siegesgewissheit ab. Bei acht Meisterschaften in Serie steht bald der Name des ärgsten Konkurrenten von Borussia Dortmund in die Schale eingraviert. Der BVB muss sich entscheiden, ob er mehr wagen will, sportlich und wirtschaftlich, oder ob er mehr bewahren will, nämlich den Rang als Nummer zwei.
Nur mit jungen Burschen geht es nicht, diese Erkenntnis reifte vor zwei Jahren in Dortmund. Seitdem haben die Borussen ihren Kader massiv umgebaut, reihenweise erfahrene Spieler mit einem schwarzgelben Trikot ausgestattet (Witsel, Delaney, Hummels, Hazard, Brandt, Schulz, Can) und ein Ensemble zusammengestellt, das mit seiner Mischung aus Klasse und Charakter, Künstlern und Arbeitern sowie Jung und Alt bei den allermeisten Partien wie eine homogene Einheit auftritt. Für die renommierten Kräfte hat der BVB tief ins Portemonnaie gegriffen, er kann sich das erlauben, solange für in Dortmund geschliffene Rohdiamanten zig Millionen an den Rheinlanddamm überwiesen werden.
Für Titel will es beim BVB seit Jahren einfach nicht mehr reichen
Nun biegt die Saison 2019/20 auf die Zielgerade ein und die Klubchefs müssen eingestehen, dass im dritten Jahr hintereinander kein großes Finale und keine Aussicht auf Trophäen am Ende der Spielzeit das hohe Investment rechtfertigt. Borussia Dortmund spielt regelmäßig in der Champions League, setzt sich mit den auch durch wirtschaftliches Geschick verdienten Extra-Einnahmen von der Konkurrenz ab. Doch für Titel will es seit Jahren einfach nicht mehr reichen.
Es gehört derzeit zum Schicksal des BVB, dass der Rekordmeister wie beim Rennen von Hase und Igel immer einen Schritt voraus zu sein scheint. „Die Bayern sind schwer zu packen, in einem Spiel und erst recht auf Strecke“, sagte Hans-Joachim Watzke, der Vorsitzende der Geschäftsführung, im Gespräch mit den Ruhr Nachrichten. „Sie gehören momentan zu den allerbesten Mannschaften in Europa.“ Und seine Borussen können flitzen wie die Hasen - München ist zuerst am Ziel.
Der BVB hat jahrelang ausreichend schwarze Zahlen geschrieben
Nicht nur auf die Jugend zu setzen, sondern auch auf Arrivierte, um somit die Titelchancen zu erhöhen, das gehört zu den ersten großen Ableitungen der vergangenen Jahre. Diesen Weg wird Borussia Dortmund weitergehen. Mehr ins Risiko zu gehen, mehr Geld auf dem sündhaft teuren Spielermarkt auszugeben, der sich im Spitzenbereich auch in Zeiten der Coronakrise nur begrenzt beruhigen dürfte, das wäre ein Weg. Schwarzgelb hat jahrelang ausreichend schwarze Zahlen geschrieben, nach „Kicker“-Informationen stünde ein Dispo von 60 Millionen zur Verfügung. Aber Geld zu leihen, Schulden zu machen, das gehört zu den unumstößlichen No-Go‘s der Chefetage um Watzke. Bei der aktuellen ökonomischen Gesamtlage mag sich sowieso niemand verheben.
Und die implizierte Frage müsste ja lauten, ob mehr Ausgaben auch zu mehr Erfolg führen. Geld auszugeben erhöht die Wahrscheinlichkeit auf Siege ungemein. Aber die Mitbewerber schlafen ja auch nicht. Wenn Bayern München 100 Millionen Euro mehr Gehalt für seinen Kader aufwenden kann, wird sich das auch immer wieder in der Qualität der Kicker widerspiegeln. Zu bestaunen gab es das zuletzt am Dienstagabend. Geben sich die Bayern keine Blöße, bleiben die Borussen nur Bester vom Rest. Auch ein Titel, obschon nicht der gewünschte.
BVB-Boss Hans-Joachim Watzke gibt sich ernüchtert
Am Mittwoch gab sich Hans-Joachim Watzke ernüchtert. „Wir waren im vergangen Jahr sogar noch näher dran und sind auch jetzt nicht weit entfernt. Aber man muss akzeptieren, wenn der Gegner noch besser ist.“ Seine pragmatische Schlussfolgerung für die nächsten Wochen: „Jetzt fokussieren wir uns voll darauf, Platz zwei zu erreichen.“
Es bleibt nichts anderes übrig, und eingedenk der Bayern-Dominanz gibt es wohl auch Schlimmeres. Für große Teile von Borussia Dortmunds Basis gehören eine große Identifikation und bewährte Werte eh zu den wichtigeren Guthaben, die für kurzfristigen Erfolg niemand aufs Spiel setzen würde.
Schon als Kind wollte ich Sportreporter werden. Aus den Stadien dieser Welt zu berichten, ist ein Traumberuf. Und manchmal auch ein echt harter Job. Seit 2007 arbeite ich bei den Ruhr Nachrichten, seit 2012 berichte ich vor allem über den BVB. Studiert habe ich Sportwissenschaft. Mein größter sportlicher Erfolg: Ironman. Meine größte Schwäche: Chips.
