Neuzugang Ousmane Dembele ist nur am Ball frech
Schüchterner BVB-Straßenkicker
Wenn man Ousmane Dembele dabei zusieht, wie er Fußball spielt, käme man nie auf den Gedanken, er könne ein ruhiger Zeitgenosse sein. Der 19-Jährige ist frech, forsch, mutig und pfeilschnell, sobald der Ball an seinen Füßen klebt. Im Gespräch präsentiert sich Dortmunds neuer Offensivspieler dagegen eher zurückhaltend. BVB-Reporter Matthias Dersch hat mit ihm über sein Vorbild, seine Jugend und seinen Wechsel nach Dortmund gesprochen.

Ein Straßenkicker, wie er im Buche steht: Ousmane Dembele.
Im Schlepptau von Massimo Mariotti, dem Scout und nebenberuflichem Dolmetscher des BVB, betritt Ousmane Dembele den Raum. Sein Blick ist schüchtern, fast scheu. Der Händedruck lasch. Die Stimme so leise, das man ihn kaum versteht. Wie ein anderer Mensch wirkt Ousmane Dembele in diesem Moment, vergleicht man ihn mit jenem Ousmane Dembele, der vor einigen Tagen gegen Manchester United ein Tor geschossen hat, das an Frechheit kaum zu überbieten war: Am ersten vorbei, am zweiten vorbei, dann mit rechts trocken ins Eck - die Zuschauer im Stadion von Shanghai kamen aus dem Staunen kaum heraus.
Jugendlich-unbekümmert
Sieht man ihn kicken, vergisst man schnell, dass er vor drei Monaten erst 19 Jahre alt geworden ist. Zwar wirkt sein Spielstil jugendlich-unbekümmert, aber eben auch im positiven Sinne respektlos und extrem mutig. Mit seiner enormen Schnelligkeit und seiner Beidfüßigkeit ist er für den Gegner nur schwer auszurechnen - selbst wenn seine Tricks seit Jahrzehnten auf jedem Bolzplatz dieser Welt zum festen Repertoire zählen. Ein Zufall ist das nicht: Dembele ist selbst ein Straßenkicker, wie er im Buche steht.
„Den Ball in hohem Tempo eng am Fuß zu führen, zu tricksen, ein, zwei Gegner aussteigen zu lassen - das macht einfach Spaß“, sagt er und erzählt aus seiner Jugend: „Es passierte nicht nur einmal, dass meine Freunde und ich uns um 17 Uhr zum Spielen trafen. Irgendwann war es dann dunkel, meine Mutter suchte mich schon und spürte mich nicht ganz überraschend beim Fußball auf.“ Und während er so erzählt, kann man sich gut vorstellen, wie ihn seine Mutter Fatimata am Kragen packt und ihren schmächtigen Sohnemann nach Hause schleift.
"Mein Umfeld beschützt mich"
Überhaupt: seine Mutter. Sie ist Bezugsperson, Beraterin, Erzieherin und Beschützerin in Personalunion. Dembele trifft keine Entscheidung ohne sie. „Meine Mutter“, sagt er, „verfügt über eine Menge Erfahrung. Sie gibt mir bei allen wichtigen Entscheidungen Tipps. Mein Umfeld beschützt mich. Familie und Freunde führen mich gut. Ich stehe mit beiden Füßen auf dem Boden.“
Es sei denn, er steht auf dem Platz, dann scheint es zuweilen, als würde er fliegen, so rasant bewegen sich seine Füße. Als Jugendlicher - und der ist er ja eigentlich immer noch - hing Dembele mit seinen Kumpels vor dem Bildschirm ab, um sich Neymar-Videos anzuschauen. Der Superstar des FC Barcelona ist Dembeles großes Idol.
Entwicklungschance beim BVB
„Ich habe seine Tricks nachgespielt, als ich 13, 14 Jahre alt war“, sagt er über den Dribbler, der sein Land in Rio zur Goldmedaille schießen will. „Die jungen Leute eifern ihm alle nach. Neymar ist ein fantastischer Spieler. Am meisten ehrt es mich daher, wenn ich mit ihm verglichen werde. Aber es ist ein weiter Weg, bis ich so stark bin wie er.“ Einmal mit Neymar bei Barca zusammenzuspielen, das ist sein Traum. In diesem Sommer war der Schritt allerdings noch zu groß, Dembele entschied sich für den BVB - weil er dort die beste Entwicklungschance sah.
„Das Gespräch mit Thomas Tuchel und Michael Zorc beeindruckte mich“, sagt er, „sie überzeugten mich, dass ein Wechsel nach Dortmund für mich das Richtige ist.“ Schon im Winter war ein Wechsel angedacht, doch die Klubs konnten sich nicht einigen. „Ich versprach Trainer Tuchel dann, dass ich im Sommer komme“, verrät Demebele, „und was ich verspreche, das halte ich auch.“ Man sollte sich von der leisen Stimme also nicht täuschen lassen: Dieser junge Mann weiß genau, was er will.