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Lichtblick auf Linksaußen: BVB-Boss Watzke will Bynoe-Gittens als Stammspieler
Borussia Dortmund
Ein 17-Jähriger imponiert, gestandene BVB-Kollegen dilettieren: Typen wie Jamie Bynoe-Gittens wollen die Fans von Borussia Dortmund als Stammspieler sehen. Klubchef Watzke forciert den Jugendstil.
Für den Verriss von Borussia Dortmunds Peinlich-Pleite gegen den VfL Bochum lassen sich diverse Statistiken anführen, doch ein Wert steht für sich und symptomatisch für schwarzgelbe Teilzeit-Apathie: Die meisten Zweikämpfe (31) beim BVB führte tatsächlich der 17-jährige Jamie Bynoe-Gittens. Und der wurde trotz guter Leistung schon nach 63 Minuten ausgewechselt.
BVB-Trainer Rose über Bynoe-Gittens: „Zeigt Dinge, die uns fehlen“
„Jamie hat seine Aufstellung gerechtfertigt“, sagte Trainer Marco Rose. „Er zeigt Dinge, die uns fehlen und die wir gar nicht im Kader haben. Das ist ein richtiges Eins-gegen-Eins am Flügel mit Tempo.“ Den vorzeitigen Feierabend für den antrittsstarken Dribbler auf Linksaußen begründete Rose mit der Rücksicht auf dessen Physis. „Jamie ist ein großes Talent, das ein paar Verletzungsprobleme hatte. Deswegen haben wir ihn über die U19 aufgebaut. Er ist nach 60 Minuten müde geworden und muss sich erst an das Tempo hier gewöhnen.“
Diese Müdigkeit allerdings war dem jungen Engländer gar nicht anzusehen. Mit seiner stärksten Szene bereitete er das 3:2 entscheidend vor. Als er zuvor frech und unbekümmert ein Solo gegen zwei Bochumer Gegenspieler versuchte und nur knapp gestellt werden konnte, streckte ihm Mitspieler Jude Bellingham, selbst erst 18 Jahre alt, beide Daumen entgegen. Nur Mut, weiter so, sollte das bedeuten. „Ich war gar nicht nervös“, berichtete der Junge aus Reading im Westen von London. „Dass ich ohne Furcht spiele, ist genau mein Ding. Mir macht es Spaß, mit dem Ball zu dribbeln, ich gehe gern Eins-gegen-Eins“ sagte er bei BVB-TV. „Ich will am Gegner vorbeikommen, schnell sein und für Gefahr sorgen.“
BVB-Derbypleite bestätigt schlimmen Trend der gesamten Saison
„Jamie ist ein junger Bursche, aber schon sehr durchsetzungsfähig“, sagte Julian Brandt, sein Mitspieler bei Borussia Dortmund. „Er hat diese Sorglosigkeit, die junge Spieler oft noch mitbringen. Ein Spieler wie er, der auch mal an zwei oder drei Gegenspielern vorbeizieht, haben wir auf den Flügeln oftmals vermisst in dieser Saison.“ Bynoe-Gittens‘ Talent spreche für sich selbst. „Er hat alles, was es braucht für seinen nächsten großen Schritt bei uns.“
Der Jugend gehört die Zukunft, allemal, weil so viele gestandene Profis der Borussia ihre Fans, die Mannschaftskameraden und Trainer Marco Rose schmählich im Stich lassen. Die bittere Derbypleite bestätigte nur noch den schlimmen Trend der gesamten Saison. Auch in der Vereinsführung sorgt die Enttäuschung über die unverschämt schwachen Darbietungen vermeintlicher Leistungsträger für Kopfschütteln. Eine Reaktion mit dem geplanten Austausch des halben Kaders soll folgen, verbunden mit der Rückbesinnung auf alte Erfolgskonzepte.
BVB-Boss Watzke: „Das muss mal wieder funktionieren“
Klubchef Hans-Joachim Watzke will den Teenager-Modus mit den Toptalenten aus der U19 intensivieren und forcieren. „Jungen wie Tom Rothe oder Jamie Bynoe-Gittens müssen wir wieder durchbringen, die müssen irgendwann Stammspieler von Borussia Dortmund werden. Das muss mal wieder funktionieren“, betonte Watzke im Gespräch mit den Ruhr Nachrichten. „Ich glaube zu wissen, dass das die Seele der BVB-Fans am meisten berührt.“
Diese Einschätzung ist korrekt. Bynoe-Gittens bekam großen Zuspruch nach seinem couragierten ersten Startelf-Einsatz, diese 63 Minuten entfachten beim Publikum Lust auf mehr Finten, Finessen und Vollsprints. Applaus erntete er auch für Tacklings in der ersten Hälfte, als er verlorengeglaubten Bällen hinterherjagte und Einwürfe für seine Mannschaft herausholte. Ein Offensivspieler, der aggressiv den Ballführer attackiert, der an der Seitenlinie Geschwindigkeit aufnimmt und Gefahr heraufbeschwört: Linksaußen gab es am Samstag den einzigen Lichtblick an einem rabenschwarzen BVB-Nachmittag.
Borussia Dortmund geht bei der Nachwuchsarbeit voran
„Wir haben die beste U19 in Deutschland. Wenn aus dieser Mannschaft nichts hervorgeht, wann denn dann?“, fragt Watzke. Die besten Nachwuchsspieler zu Topspielern entwickeln und reifen zu lassen, „das ist unser Weg“. Hilfreicher Nebeneffekt: Den Youngstern verzeihen Fans eher einen Fehler als einem 25-Millionen-Euro-Einkauf, der dauernd verletzt, nicht konkurrenzfähig oder wiederholt geistesabwesend ist.
Schon als Kind wollte ich Sportreporter werden. Aus den Stadien dieser Welt zu berichten, ist ein Traumberuf. Und manchmal auch ein echt harter Job. Seit 2007 arbeite ich bei den Ruhr Nachrichten, seit 2012 berichte ich vor allem über den BVB. Studiert habe ich Sportwissenschaft. Mein größter sportlicher Erfolg: Ironman. Meine größte Schwäche: Chips.
