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Ist Lucien Favres unklare Vertragssituation ein Problem für den BVB?
Pro und Contra
Lucien Favre geht - Stand jetzt - ist sein letztes Vertragsjahr bei Borussia Dortmund. Ist das ein Problem für den Trainer und den BVB? Unser Pro und Contra.
Seit dem 1. Juli 2018 trägt Lucien Favre die Verantwortung für die Profifußballer von Borussia Dortmund. Vor zwölf Monaten wurde sein Vertrag bis zum 30. Juni 2021 verlängert. Einen Gesprächstermin für eine weitere Ausdehnung der Zusammenarbeit gibt es bislang nicht, Favre geht mit dem Saisonstart in sein letztes Vertragsjahr. Wir fragen: Ist das ein Problem für den Trainer und den BVB?
Pro: Ja, Favres auslaufender Vertrag ist ein Problem (Von Dirk Krampe)
Die Formel ist recht einfach: Schafft es Lucien Favre, aus dem großen Potenzial dieser Mannschaft endlich Konstanz in die Leistungen des BVB zu bekommen, wird seine unklare Vertragssituation über das Ende der kommenden Saison hinaus kein großes Thema werden. Bundesliga ist ohnehin längst ein Tagesgeschäft geworden, langfristige Verträge sind oft nicht das viele Papier wert, auf das sie gedruckt sind. Was dann im Jahr drauf sein wird? Heute noch nicht entscheidend. Schwankt hingegen die Performance, leistet sich die Borussia wie in seinen ersten beiden Jahren zu viele Ausrutscher nach unten, droht aus dem Stand eine Debatte, die sich Borussia Dortmund gerne ersparen würde.
Favres Position bei Borussia Dortmund ist keinesfalls unumstritten
Schon mit einer Vertragslaufzeit über das Ende der aktuellen Saison hinaus war Favres Zukunft in Dortmund in unschöner Regelmäßigkeit Thema. Anders als zum Beispiel in den jüngsten Fällen in Hoffenheim, wo Julian Nagelsmanns Wechsel zu RB Leipzig schon sehr früh bekannt wurde, und in Leipzig selbst, wo Ralf Rangnick für ein Jahr als Trainer einsprang, bis Nagelsmann dann verfügbar war, ist Favres Position im Klub keinesfalls so unumstritten. Diskussionen über eine Zukunft mit dem Schweizer Trainer über das Ende der neuen Saison hinaus drohen der Borussia ohnehin schon, sie würden sofort an Schärfe zunehmen, wenn die intern ausgegebenen Ziele in Gefahr geraten würden.
Im Fußball hat sich die Begrifflichkeit der „Lame duck“ überholt, eine geschwächte Position von Favre ist auch nicht wirklich erkennbar. Er wird in der Mannschaft geschätzt. Dennoch ist es natürlich auch ein Zeichen an den Trainer (und die Spieler?), dass sein Klub keine Eile mit einer Vertragsverlängerung hat. Der Mannschaft sollte dies bei schwachen Auftritten allerdings nicht als leichtes Alibi dienen. Das wäre dann doch zu billig.
Contra: Nein, Favres auslaufender Vertrag ist kein Problem (Von Tobias Jöhren)
Es gibt kein Problem, nur weil Lucien Favre mit einem auslaufenden Vertrag in seine dritte Saison bei Borussia Dortmund geht. Der Schweizer mag manchmal vielleicht wie ein Kauz daherkommen, eine lahme Ente, eine „Lame Duck“, wie es in der US-Politik gerne heißt, ist Favre allerdings ganz sicher nicht. Das klingt vielleicht ganz lustig, zielt im Kern aber völlig an der Sache vorbei.
Lucien Favre wird beim BVB nur der Erfolg retten können
Die entscheidende Frage, die es vielmehr zu stellen gilt, ist eigentlich ganz einfach: Was würde sich ändern, wenn Favre bei Borussia Dortmund einen Vertrag besäße, der über den 30. Juni 2021 hinaus datiert wäre? Die noch einfachere Antwort lautet: nüscht. Denn Favre wird nur der Erfolg retten können, nicht seine Vertragslaufzeit. Alles andere als eine außergewöhnlich erfolgreiche Saison des BVB, an deren Ende im Idealfall ein Titel stehen sollte, wird dazu führen, dass Borussia Dortmund spätestens im Sommer 2021 einen neuen Cheftrainer suchen und finden wird.
Natürlich ist ein Titel dabei keine Pflicht. Falls der FC Bayern München alles in Grund und Boden spielt, der BVB alles abruft, es am Ende aber trotzdem nicht reicht, okay. Falls die BVB-Führungsetage wie in den vergangenen zwei Spielzeiten allerdings den Eindruck gewinnen sollte, dass das eigene Potenzial nicht vollends ausgeschöpft wird und man unabhängig von der Konkurrenz zu viel liegen lässt, nicht okay.
Favre wird in der Mannschaft als verlässlicher Trainer geschätzt
Vielleicht ist die Konstellation, so wie sie jetzt ist, deswegen sogar eine Chance. Favre wird in der Mannschaft als verlässlicher Trainer geschätzt. Der 62-Jährige steht nicht im Verdacht, ungerecht oder launisch zu handeln, ihm geht es immer um die Sache, es geht um Fußball. Seine Werte und seine Menschlichkeit stehen in der Kabine hoch im Kurs. Und wenn seine Spieler mit dem Vorurteil aufräumen möchten, Favre könne keine Titel gewinnen, dann wäre dafür jetzt genau der richtige, weil womöglich letztmögliche Zeitpunkt.
Dirk Krampe, Jahrgang 1965, war als Außenverteidiger ähnlich schnell wie Achraf Hakimi. Leider kamen seine Flanken nicht annähernd so präzise. Heute nicht mehr persönlich am Ball, dafür viel mit dem Crossbike unterwegs. Schreibt seit 1991 für Lensing Media, seit 2008 über Borussia Dortmund.

Tobias Jöhren, Jahrgang 1986, hat an der Deutschen Sporthochschule in Köln studiert. Seit 2013 ist er Mitglied der Sportredaktion von Lensing Media – und findet trotz seines Berufes, dass Fußball nur die schönste Nebensache der Welt ist.
