Die ungarische Fußballlegende Lajos Detari im Interview: „Klopp hatte mich auf dem Radar“
EM 2020
Die ungarische Fußballlegende Lajos Detari spricht im Interview über die Zeit bei Eintracht Frankfurt, sein Leben in Ungarn, die EM 2020 – und Ex-BVB-Coach Jürgen Klopp.

Der ehemalige Fußballprofi Lajos Detari bei einer Veranstaltung in Frankfurt. © imago images / Jan Huebner
Obwohl Lajos Detari nur für eine Saison das Trikot der Frankfurter Eintracht streifte, genießt er heute noch einen Legendenstatus in der Mainmetropole. Als er im Sommer 1987 für knapp zwei Millionen US-Dollar von Honved Budapest zur Eintracht gewechselt ist, war er der teuerste Transfer der Bundesligageschichte. Lange Zeit hatte es den Anschein, dass die Verpflichtung des filigranen Mittelfeldakteurs, den ein halbes Dutzend europäischer Spitzenteams auf den Einkaufszettel hatte, ein großes Missverständnis war. In der Rückrunde jedoch drehte der Ungar zur Glanzform auf, erzielte insgesamt 14 Tore und führte das Team von Trainer Karl-Heinz Feldkamp mit einem Freistoßtreffer zum Pokalgewinn gegen den VfL Bochum. Anschließend verkauften ihn die Frankfurter für eine Rekordablösesumme von 17 Millionen DM an Olympiakos Piräus. Heute betreibt der 58-jährige, der zwischenzeitlich kurze Trainertätigkeiten in Griechenland und Ungarn ausgeübt hat, eine Fußballakademie in Budapest.
Die ungarische Nationalmannschaft trotzte mit einer beeindruckenden Leistung den Franzosen einen Punkt ab. Haben Sie das Spiel etwa in der fast ausverkauften Puskas-Arena miterlebt?
Nein. Ich habe das Spiel mit Freunden vor dem Fernseher angeschaut. Unsere Mannschaft knüpfte mit ihrer Leistung an die Vorstellung gegen Portugal an, die leider nicht mit Punkten belohnt wurde. Die „equipe trocolore“ tat sich in der glühenden Hitze von Budapest unheimlich schwerer als unsere Auswahl und war nicht so dominant wie gegen Deutschland.
Jetzt kommt es in München zum vermeintlichen Endspiel um den Einzug ins Achtelfinale. Trauen Sie der ungarischen Mannschaft einen Erfolg in der Allianz Arena zu?
Das klingt etwas klischeehaft, aber ausgeschlossen ist im Fußball gar nichts, auch wenn Deutschland für mich ein Mitfavorit auf den Turniersieg ist. Unabhängig davon hat sich die ungarische Nationalmannschaft bis dato sehr gut präsentiert, was natürlich mit einem riesigen Imagegewinn verbunden ist.
In Budapest scheint die Fußballnormalität zurückgekehrt zu sein, wenn man die vollgefüllte Ferenc Puskas Arena anschaut, wo es, anscheinend, gar keine Corona-Beschränkungen mehr gibt. Wie erklären Sie das?
Prinzipiell muss ich sagen, dass die Rückkehr der Fans in den Stadien eine tolle Sache ist, sei es mit weniger oder mehr Zuschauern. Ein Turnier mit Geisterspielkulisse wäre unvorstellbar. Was die Lage in Budapest betrifft, fußt die Entscheidung des ungarischen Organisationskomitees, ein volles Stadion zu präsentieren, auf die positive Entwicklung in der Pandemiebekämpfung dank, unter anderem auch, der hohen Impfquote der Bevölkerung.
Das EM-Turnier erlebte bereits am ersten Spieltag einen dramatischen Höhepunkt, als der dänische Spieler Christian Eriksen, nach einem Kollaps, knapp dem Tod entronnen ist. Ist es nachvollziehbar, dass die Partie, nach kurzer Unterbrechung, weitergeführt wurde?
Das waren wirklich schockierende Bilder aus dem Stadion in Kopenhagen. Ich kann mir vorstellen, dass die Spieler extrem unter Druck standen, auch wenn sie das nicht so offen gesagt haben. Ich könnte jedenfalls nicht am nächsten Tag um zwölf Uhr mittags spielen, wie es ihnen angeboten wurde, weil ich wahrscheinlich die ganze Nacht nicht schlafen würde. Konzentriert waren die Skandinavier aber nach diesem Vorfall sicherlich nicht!
In einem Interview sagten Sie, dass Ungarn dank Platini bei der EM dabei sein kann, eine Teilnahme an einer WM ist jedoch kaum vorstellbar sei. Wie meinten Sie das?
Platini ermöglichte doch als UEFA-Präsident die Ausweitung des Teilnehmerfeldes des EM-Turniers von 16 auf 24 Teams, was natürlich die Wahrscheinlichkeit einer Qualifikation enorm erhöht. Hinzu kommt noch die neugeschaffene „Nations League“, über deren Umwege auch Tickets vergeben werden und uns auch letzendlich die Qualifikation an der laufenden EM ermöglicht hat. Bei der WM sind die Sachen etwas komplizierter, zumal dort die Plätze nicht so großzügig vergeben werden. Insofern vermute ich, dass Ungarn es wieder sehr schwer haben wird, an dem WM-Turnier in Katar teilzunehmen. (Anm. d. Red.: Ungarn ist in der WM-Qualifikationsgruppe I mit England, Albanien, Polen, Andorra und San Marino)
Verfolgen Sie eigentlich die Geschehnisse bei der Frankfurter Eintracht?
Ich verfolge die Bundesliga im Allgemeinen und die Eintracht natürlich ganz besonders. Zudem habe ich einen guten Draht zu Charly Körbel und Andy Möller, der noch vor paar Jahren Co-Trainer der ungarischen Nationalmannschaft war. Das letzte Mal war ich als Gast beim Europa-Cup Halbfinale gegen Chelsea in der „Commerzbank-Arena“. Die Wertschätzung, die ich in Frankfurt immer noch erfahre ist gigantisch.
Ähnlich dürfte es auch mit Jürgen Klopp gewesen sein?
Ich wusste gar nicht, dass Kloppo zu meiner Zeit in der Amateurmannschaft der Eintracht spielte und mich so auf dem Radar hatte. (lacht) Als ich vor Jahren in Mainz hospitierte, kam er auf mich zu und sprach mir seine Bewunderung aus. Anschließend waren wir gemeinsam beim Essen. Ein sehr besonderer Mensch und Trainer.
Haben Sie ihn schon mal in Liverpool besucht?
Nein, das hat sich noch nicht ergeben.
Betrachten Sie rückblickend Ihre Karriere nicht als etwas unvollendet, gemessen an den Stationen und den Titeln, die Sie holten? Immerhin waren Sie damals ein Objekt der Begierde für viele Topklubs in Europa.
Es nützt nichts über die Vergangenheit zu grübeln. Ich bin mit mir im Reinen. Als Kind im kommunistischen Ungarn hätte ich mir diesen Werdegang nie zu träumen gewagt. Man muss zudem berücksichtigen, dass ich nicht stets alleiniger Entscheidungsträger war. Den Wechsel zu Eintracht fädelte der ungarische Verband ohne meine Kenntnisnahme ein. Ich wurde im Nachhinein informiert. So war es damals bei den meisten Vereinen des Ostblocks. Der AS Monaco und der FC Barcelona hatten damals auch Interesse bekundet mich zu verpflichten, die Frankfurter beherrschten anscheinend besser die sportpolitische Diplomatie. (lacht) Nach dem Pokalgewinn wollte ich eigentlich Frankfurt auch nicht verlassen, und wenn, dann primär zu Juventus Turin wechseln, das mich unbedingt verpflichten wollten und mein Lieblingsverein war.
Stattdessen landeten Sie bei Olympiakos Piräus und den obskuren Vereinspräsidenten Georgios Koskotas, der zuvor auch Wolfram Wuttke bezirzte.
Er überbot mit der Rekordsumme von 17 Millionen DM das Angebot der Italiener, was natürlich ein lukrativer Deal für alle Beteiligten war, den ungarischen Verband inbegriffen. Bei der Vorstellung am Rathausplatz von Piräus begrüßten mich 10.000 Fans! Ich wurde mit einem fürstlichen Vertrag ausgestattet und spielte Woche für Woche vor frenetischem Publikum. Sportlich lief es zwar nicht ganz rund, zumal der besagte Koskotas im Spätherbst fluchtartig das Land verlassen hatte, nachdem er sich als Hauptakteur eines riesigen finanzpolitischen Skandals entpuppte. In der zweiten Saison holte ich auch in Griechenland, mit zwei persönlichen Toren, den Pokal, ehe ich dann nach Italien wechselte. Allerdings nicht zu Juventus Turin, sondern zum FC Bologna. Trotz der Turbulenzen wollte ich die Zeit in Griechenland nicht missen.