Marco Reus legte alles in den Schuss hinein. Tempo, Härte, Flugkurve – dieser Freistoß war ein Meisterwerk der Präzision und obendrein das 158. Pflichtspieltor des BVB-Kapitäns für seinen Klub. Der Treffer zum 3:1 gegen Hertha BSC am Sonntagabend entfaltete mit Wucht seine Wirkung: Der 33-jährige Reus zog sich damit höchstselbst aus seinem Stimmungstief nach der Nicht-Berücksichtigung im Champions-League-Kracher gegen den FC Chelsea vier Tage zuvor. Über den aktuellen sportlichen Wert hinaus erreichte der Ur-Borusse eine historische Marke: Er zog in der Rekord-Torschützenliste mit Manfred Burgsmüller auf Platz drei der klubinternen Rangliste gleich.
Besondere Ehre für BVB-Kapitän Reus
Man brauche nicht darüber zu reden, dass er „nicht glücklich“ gewesen sei, gegen Chelsea außen vor gewesen zu sein, erklärte Reus nach 4:1-Erfolg gegen Berlin, „sonst hätte ich auch den falschen Beruf gewählt.“ Aber er könne die Argumentation des Trainerteams um Chefcoach Edin Terzic zum Teil nachvollziehen: „Ich komme aus einer langen Verletzung, es ist wichtig für mich, gesund zu bleiben. Unser Kader ist gut bestückt, da muss sich jeder straffen.“ Der Spielführer der Schwarzgelben straffte sich, legte seinen ganzen Frust unter anderem in seinen Freistoß und genoss nach dem Abpfiff eine gesonderte Huldigung von den treuen BVB-Fans auf der Südtribüne, die ihn mit Sprechchören feierten. Seit mehr als zehn Jahren steht der gebürtige Dortmunder im Profikader der Borussia. Seine Tore haben viele Partien entschieden. Seine Treue wissen seine Anhänger zu schätzen. Und die Tradition und die Vereinstreue ehren sie.
Seit Sonntag gehört Reus nun zu den drei besten Torschützen in der Geschichte des Ballspielvereins. Reus holte Burgsmüller ein und liegt nur noch einen Treffer hinter Michael Zorc, der mit 159 Toren auf Rang zwei rangiert. Spitzenreiter ist – und bleibt vorerst – Klublegende Adi Preißler, der zwischen 1945 und 1950 sowie von 1952 bis 1959 in unterschiedlichen Ligen 177 Pflichtspieltreffer für Borussia Dortmund erzielte. Zorc dürfte Reus in dieser Spielzeit noch einholen. Und Preißler?

Mit guten Argumenten wird hinter den Kulissen über die Bewertung der Top-Torschützen diskutiert. Zorc hatte beispielsweise 300 Einsätze mehr als Preißler, war jedoch als zentraler Mittelfeldspieler deutlich defensiver postiert. Da fallen Tore nicht vor die Füße. Bundesliga und Europapokal mögen außerdem anders einzuschätzen sein als die damalige Oberliga West, die höchste Spielklasse in den 50er-Jahren. Reus weist in den Top Ten den zweitniedrigsten Schnitt der Tore pro Spiel auf. Wegen diverser Verletzungen hat er seit 2012 allerdings auch 147 Partien verpasst. Für die Vermarktung als Klublegende könnte man ihn schon jetzt als besten Torschützen aller Zeiten ausrufen. Das allerdings wäre auch ein Affront gegenüber den früheren Borussen. Schließlich legt der BVB viel Wert auf seine lange und wendungsreiche Historie.
Geht es nach Reus, bekommt er auch über den Sommer hinaus, wenn sein bisheriger Vertrag ausläuft, weitere Gelegenheiten, Fakten zu schaffen. 20 Tore bis zum unumstrittenen Platz eins wären vorstellbar, wenn seine Anstellung bei Borussia Dortmund verlängert wird und er gesund bleibt. Auch dafür wäre es hilfreich, wenn das Hertha-Spiel nur der erste Schritt zurück zu seinem Leistungslimit war. An guten Tagen ist und bleibt er ein Unterschiedsspieler, auch noch mit Mitte 30. „Wir haben uns aus dem Loch hochgearbeitet, jeder für sich und alle zusammen“, erklärte der Routinier am Sonntag. Unter anderem die Deutsche Meisterschaft fehlt Reus in seiner Sammlung. Noch. „Wir haben alle Lust auf Titel. Deshalb spielen wir Fußball.“
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