Die Tabelle vermiest Michael Zorc seit Monaten die Stimmung. Was der BVB-Sportdirektor im Saisonfinale erwartet, was er über Transfers denkt und was er nach der Karriere plant, sagt er im exklusiven Interview.
Das Gemälde hinter dem Stuhl von BVB-Sportdirektor Michael Zorc zeigt die Gründerväter der Borussia. Längst Klublegenden, wie er selbst. Vor dem aufreibenden Saisonfinale nimmt sich der 58-Jährige im Konferenzraum der Geschäftsstelle Sport eine Stunde Zeit. Er lacht trotz ernster Lage und selbst diagnostizierter schlechter Laune auffallend oft.
Darf ich Ihnen ein Horrorszenario schmackhaft machen?
Bitte!
2018 hat eine um drei Treffer bessere Tordifferenz den Ausschlag gegeben, dass der BVB es in die Champions League geschafft hat. Das gilt seitdem als Horrorszenario. Würden Sie das in dieser Saison akzeptieren?
Stand jetzt: sofort! Alles andere wäre ja dumm (lacht). Wir sind seit Monaten maximal Tabellenfünfter. Durch gute Leistungen und Ergebnisse haben wir uns zumindest wieder in die Situation gebracht, dass wir um die Champions League kämpfen können. Ich würde das von Ihnen geschilderte Szenario sofort unterschreiben, denn das hieße, dass wir uns, wenn auch mit „brennendem Arsch“, für die Champions League qualifiziert haben.
Wie sehr steigt die Anspannung bei Ihnen, im Verein, in der Mannschaft?
Die Anspannung ist seit Wochen hoch. Solange wir auf so einem Tabellenplatz stehen, habe ich schon morgens nach dem Aufstehen schlechte Laune.
Das müsste ich bei Ihrer Frau und Ihren Mitarbeitern recherchieren.
Das werden alle bestätigen (lacht).

BVB-Sportdirektor Michael Zorc kann trotz schlechter Laune noch immer lachen. © BVB / Alexandre Simoes
Welches von den vier gefühlten Endspielen, die jetzt kommen, ist das Wichtigste?
Immer das Nächste! Wir müssen am Samstag gegen Leipzig gewinnen, damit wir in der Liga überhaupt noch weitere Endspiele haben. Bundesliga und DFB-Pokal sind auch unterschiedliche Paar Schuhe. Ich will das gar nicht gewichten, in beiden Wettbewerben haben wir große Ziele. Wenn du einen Titel gewinnen kannst, musst du alles dafür tun. So oft bekommt man diese Gelegenheit nicht. Und für unsere gesamte Entwicklung ist wiederum die Qualifikation für die Champions League enorm wichtig.
Wie groß war Ihr Glaube an die Champions-League-Qualifikation zu Ostern, nach dem 1:2 gegen Eintracht Frankfurt, und wie groß ist die Zuversicht jetzt?
Ich vergleiche unsere Anstrengung mit einem 3000-Meter-Hindernislauf. Der Wassergraben war vielleicht das Frankfurt-Spiel. Wir sind gestürzt, hatten kaum noch Hoffnung, haben uns aber aufgerappelt und biegen jetzt bald auf die Zielgerade ein. Als hechelnder Verfolger, aber voller Leidenschaft. Da stehen noch Hürden vor uns, und es gibt noch Konkurrenten, die vor uns laufen. Wir wollen mindestens einen im Foto-Finish überholen.
Warum läuft es bei der Mannschaft besser, seitdem sie das Messer an der Kehle spürt?
Ich glaube einerseits schon, dass das Frankfurt-Spiel wie ein letzter Weckruf war. Zum anderen hat unser Trainer Edin Terzic seit seiner Amtsübernahme gewisse Punkte in der Herangehensweise verändert. Es hat seine Zeit benötigt, bis das zum Tragen gekommen ist.
Gab es auch Punkte in dieser Saison, wo Ihnen auf dem Platz der Ehrgeiz und der Siegeswille fehlten, der den BVB auf der Führungsebene auszeichnet?
Ja. Insbesondere im Frankfurt-Spiel. Da hatten wir nicht den Eindruck, dass jedem Spieler hundertprozentig klar war, worum es geht. Da haben wir anschließend nachgeholfen. Hoffentlich reicht die anschließende Leistungssteigerung letztlich noch.
Auf Platz vier stand der BVB zuletzt zum Ende der Hinrunde. Sie mussten in dieser Saison den Trainer wechseln und bangen um das alljährliche Minimalziel Champions League. Auf dem Konto stehen zehn Niederlagen in der Liga, so viele wie seit 2015 nicht mehr. Was ist alles schiefgelaufen?
Zu viele Niederlagen und vor allem: zu viele einfache Niederlagen. Manches Mal hätte ich mir von unserer Mannschaft mehr Gegenwehr erwünscht und mehr Fokussierung. Eines ist klar: Wenn man mitten in der Saison den Trainer wechselt, ist das ein sichtbares Zeichen dafür, dass viele Dinge nicht richtig rund gelaufen sind und es eine schwierige Saison ist.
War es im Nachhinein richtig, im Dezember einem unerfahrenen Mann wie Edin Terzic diese große sportliche Verantwortung anzuvertrauen?
Wir waren und sind überzeugt, dass Edin diese Aufgabe meistern wird. Im DFB-Pokal stehen wir im Finale, das war ein erklärtes Saisonziel. Wir haben gute Leistungen in der Champions League gezeigt, sind eine Runde weitergekommen als in den Vorjahren und erst gegen die vielleicht weltbeste Mannschaft nach überzeugender Leistung ausgeschieden. Edin macht seine Sache sehr gut, auch in Gesprächen mit den Spielern bekommen wir ein positives Feedback. Edin lebt Borussia Dortmund, er steht für die Werte, die wir auf dem Platz sehen wollen. Er versucht, unser Spiel etwas aggressiver zu gestalten, um neue Impulse und Schwerpunkte zu setzen, die den BVB in der Vergangenheit häufig ausgezeichnet haben. Aber: Am Ende ist unser Hauptziel, mindestens Vierter in der Bundesliga zu werden. Wir haben noch drei schwere Spiele vor uns.
Das erste, was er im Dezember im Gespräch gesagt hat, war: Ich will etwas gewinnen mit dieser Mannschaft!
Die Chance hat er nun!
Seine empathische und engagierte Art, kombiniert mit den Erfolgserlebnissen, weckt bei anderen Klubs sicher Begehrlichkeiten, vielleicht auch bei Edin Terzic. Wie verbleiben Sie mit ihm?
Das ist in erster Linie ein Thema in den Medien. Wir haben vertragliche Grundlagen und eine feste Absprache mit ihm. Wir haben ihn gerne weiter bei uns im Trainerteam, er hat das bejaht, auch der zukünftige Trainer Marco Rose ist vollkommen d’accord damit. Das ist unser Status quo. Für uns passt alles!

Ab Sommer rückt BVB-Trainer Edin Terzic (l.) in die zweite Reihe hinter Marco Rose. © imago / Team 2
Terzic zeigt mit der Mannschaft einen klaren Aufwärtstrend. Sehen Sie die Mannschaft gerüstet für zwei harte Spiele gegen RB Leipzig?
Gegen Leipzig haben wir in der jüngeren Vergangenheit immer gut ausgesehen. Daran müssen wir anknüpfen. Das wird deswegen kein Selbstläufer, aber wir haben genug Selbstbewusstsein, um kämpferisch in dieses Spiel zu gehen. Und nichts anderes als dieses Spiel treibt mich derzeit um.
Worauf wird es ankommen gegen Leipzig - am Samstag?
Wir benötigen eine Top-Leistung. Leipzig steht sehr stabil, kassiert wenig Gegentore. Bei uns wiederum hat es ja in dieser Saison selten daran gehapert, dass wir zu wenig Tore geschossen haben. Das wird ein hochinteressanter Vergleich, auf Ebene der Kollektive bis zum Eins-gegen-Eins-Duell. Ich kann sagen, was ich erwarte. Nur das: Die Spieler müssen in jeder Minute zeigen, dass sie mit aller Macht dieses Spiel gewinnen wollen.
Wie verändert die Konstellation des Doppelpacks mit dem folgenden Pokalfinale die Ausgangslage?
Wir müssen hart für unser Saisonziel kämpfen. In der Liga ist Leipzig da weiter. Das Pokalfinale ist für beide ein Sahnehäubchen. Wir brauchen zwei Vollgasveranstaltungen.
Ist RB-Trainer Julian Nagelsmann 25 Millionen Euro wert - und damit fünfmal besser als Ihr neuer Trainer Marco Rose?
Diese Frage stellt sich für mich nicht. Ich finde, sie ergibt auch ehrlich gesagt keinen Sinn.
Es ist ja kein Geheimnis, dass auch Sie Nagelsmann schon lange beobachten und über eine Verpflichtung mehr als nur nachgedacht haben. Warum hat es nie gepasst?
Ohne Frage ist Julian Nagelsmann ein herausragender Trainer in Deutschland. Wir haben uns bewusst und frühzeitig für Marco Rose entschieden. In Details können wir über dieses Thema gerne im Sommer sprechen. Jetzt stehen andere Aufgaben an.
Wer der neue Trainer wird, ist klar. Wie die Mannschaft aussehen wird, noch nicht. Wie wird sich das Wechselfenster im Sommer gestalten?
Wenn ich den Zeitpunkt Anfang Mai vergleiche mit den Vorjahren, ist es sehr, sehr ruhig. Es gibt kaum Transfers, die feststehen. Den allermeisten Klubs fehlt sehr viel Geld. Bei uns schlägt alleine schon jedes einzelne Heimspiel mit mehr als vier Millionen Euro weniger Umsatz zu Buche. Da kann sich jeder ausrechnen, was anderen Klubs im internationalen Vergleich fehlt. Die haben selten mehr Zuschauer, aber ganz andere Ticketpreise als wir in Deutschland. Da braucht es nicht viel Phantasie, um zu ahnen, dass es 2021 kein fulminantes Transferfenster geben wird. Ich erwarte einige wenige Deals. Aber insgesamt wird das sehr überschaubar ablaufen.

Die Fans fehlen dem BVB auch wirtschaftlich. © imago / Sven Simon
Nur in der Europa League zu spielen, wird mindestens 30 Millionen Euro an Mindereinnahmen bedeuten. Wie groß wäre dieser Rückschlag auch in Sachen Prestige, in Sachen Perspektive?
Die Differenz ist sogar noch größer. Und sportlich würde es an unserem Selbstverständnis nagen. Wir haben uns in neun der letzten zehn Jahre für die Champions League qualifiziert. Sollte das nicht gelingen, wäre es ein Rückschlag, keine Frage! Auch wenn man festhalten muss, dass ein solches Schicksal in den vergangenen Jahren schon viele internationale Top-Klubs punktuell mal getroffen hat. Wir wollen es jedenfalls unbedingt noch in die Champions League schaffen. Wir sind in der Rolle des Jägers, das haben inzwischen alle verinnerlicht. Wir geben nicht auf und werden alles versuchen, solange es rechnerisch möglich ist.
Wie dick sind Ihre Nerven, wenn das Thema Erling Haaland bis Ende August täglich wieder neu befeuert wird?
Ich vermute, dass es so kommen wird. Das gesprochene Wort zählt in der Auswertung ja ohnehin längst nicht mehr. Ich habe ja gesagt, dass Erling Haaland bleibt. Nur macht das keinen Unterschied. Das hat vor einem Jahr bei Jadon Sancho auch niemanden interessiert. Die das Gegenteil behauptenden Geschichten sind dennoch Tag für Tag erschienen, und so wird es vermutlich auch in diesem Sommer mit Erling laufen. Ich kann das nicht beeinflussen. Mit diesen Spekulationen müssen wir leben, und wir leben ehrlich gesagt gut und sehr entspannt damit. Wir wissen ja, was in den Verträgen steht. Wegen der Mediengerüchte in Transferfenstern habe ich morgens jedenfalls keine schlechte Laune (lacht).

BVB-Stürmer Erling Haaland steht immer im Fokus. © dpa
Anders ist die Lage bei Jadon Sancho, der den Klub bei einem guten Angebot verlassen dürfte. Aber welcher Klub könnte denn 100 Millionen Euro für Sancho bezahlen?
Wir müssen diesen Klub ja nicht suchen. Sondern wenn überhaupt, dann der Spieler. Für uns wäre es gut, wenn er bliebe. In den Wochen, in denen Jadon gefehlt hat, haben wir gesehen, welchen Wert er für uns hat. Ich habe das transparent beschrieben. Bei einem gewissen Angebot zu einem gewissen Zeitpunkt würden wir ihn ziehen lassen. Aber: Aktuell ist alles ruhig. Wenn sich nichts tut, bleibt er. Von mir aus sehr gerne!
Gibt es einen zeitlichen Horizont für die Freigabe?
Über die Parameter würden wir schon erst mit Jadon Sancho sprechen, das verstehen Sie sicher...
Wenn wir über Zugänge reden: Wo auf der Prioritätenliste steht eine neue Nummer eins?
Jedes Jahr kommen diese Themen auf uns zu. Wo kann sich der BVB verbessern? Angesichts der Bedeutung der nächsten Spiele und Wochen möchte ich jetzt keine Personaldiskussion führen. Das hilft uns nicht. Die Analyse erfolgt nach der Saison.

Marwin Hitz (r.) hat Roman Bürki beim BVB zwischen den Pfosten abgelöst. © imago / firo
Ein Problem, das zu der wirtschaftlichen Schieflage geführt hat, sind die horrenden Ausgaben: Auch Borussia Dortmund zahlt exorbitante Gehälter. Wie kommen Sie von diesem Niveau herunter?
Die Gehälter sind ja leicht runtergegangen durch den anteiligen Verzicht, aber nicht in dem Maße, um die fehlenden Einnahmen ausgleichen zu können.
Ist es eine Utopie, dass sich dieser Markt nach unten korrigiert?
Ich arbeite jetzt seit mehr als 20 Jahren in dieser Funktion. Wenn ich es rückblickend betrachte, hat sich das Geschehen nur in eine Richtung bewegt. Es gab vielleicht mal eine kurze Stagnation, aber in der Tendenz haben sich die Gehälter immer weiter nach oben entwickelt. Ob die Pandemie für ein grundsätzliches Umdenken oder eine Art Zäsur sorgen wird, wage ich auf lange Sicht zu bezweifeln. Wenn man über einen Salary Cap nachdenkt, bräuchte es ja internationale Anstrengungen und rechtliche Vereinbarungen. Eine europäische Lösung. Das wäre sehr schwierig.
Die jüngsten Auswüchse haben nicht den Anschein erweckt, als sei Solidarität unter den Klubs ein großes Thema.
Mir fehlen der Glaube und die Überzeugung, dass sich das Geschäft international regulieren lässt. Dazu gibt es zu viele unterschiedliche Interessen und rechtliche Gegebenheiten. Wir können nur auf uns schauen und haben vor der Pandemie keinen Cent Finanzverbindlichkeiten ausweisen müssen. Unser Geschäftsmodell ist vor Covid-19 sportlich und wirtschaftlich komplett aufgegangen. So ein Jahrhundert-Naturereignis wie diese Pandemie konnten allerdings auch wir nicht vorhersehen.
Zum Stilbild und Markenkern gehörte es in den letzten Jahren, Top-Talente zu sichten und zu verpflichten, früher dran zu sein als andere. Bleibt das weiter der Weg?
Ich glaube, das ist völlig alternativlos für den BVB, weil andere Klubs 200, teilweise 300 Millionen Euro mehr Umsatz machen und entsprechend viel mehr Geld in Spieler investieren können. Das muss immer ein Teil der Klubstrategie sein. Diese Herangehensweise hat sich am Ende übrigens auch wirtschaftlich niedergeschlagen. Und sportlich haben diese Jungs auch ihren Beitrag geleistet, wenn ich jetzt an Haaland, Sancho und andere in der Vergangenheit denke.

Jadon Sancho kam als vielversprechendes Talent zum BVB - heute ist er einer der besten Spieler. © dpa
Auch auf die Gefahr hin, dass der BVB nur ein Sprungbrett auf der Karriereleiter ist?
Was ist die Alternative? Die Alternative ist, nicht so talentierte Spieler zu verpflichten, die dann vielleicht nicht diese Qualität mitbringen. Wir sind immer extrem ambitioniert und wollen uns mit wirtschaftlich deutlich potenteren Klubs messen. Da muss man schon eine völlig andere Herangehensweise wählen, denn auf deren Terrain kannst du nicht mithalten. Wir wollen sportlich weiter oben angreifen.
Das ist nicht immer gelungen, seit 2012 steht nur ein einsamer DFB-Pokalsieg auf der Titelliste. Ist das nicht zu wenig?
Ja, das ist zu wenig. Deswegen fliegen wir am Mittwoch nach Berlin, um wieder einen Titel zu holen. Wenn man das in einen längeren zeitlichen Zusammenhang stellt, dann hat Borussia den DFB-Pokal nur viermal gewonnen. Daran kann man ablesen, dass es etwas Besonderes ist, dass wir im Finale stehen. Jeder in der Mannschaft möchte den Pokal nach Dortmund holen.
Es gibt gar nicht so viele Spieler in der Mannschaft, die schon nennenswerte Titel errungen haben. Ist das für viele nochmal ein Ansporn?
Das kann man so und so auslegen. Auf der einen Seite ist Erfahrung für den Titelgewinn wichtig. Auf der anderen Seite der Hunger, einen Titel unbedingt holen zu wollen. Beides ist elementar. Wir haben beides in der Mannschaft.
Was würde Ihnen persönlich ein Titelgewinn bedeuten?
Mir fällt es schwer, jetzt darüber zu sinnieren. Natürlich ist das etwas Besonderes, aber ich bin jetzt erstmal mit meinem kompletten Fokus beim Bundesliga-Spiel gegen Leipzig. Alles andere ist mir heute völlig egal. Anspannung und Freude kommen dann vor dem Finale von ganz allein. Erstmal müssen wir unsere Hausaufgabe in der Liga erledigen.
Ist es nicht schade, dass das Finale so zwischen zwei Bundesliga-Spieltagen eingepfercht ist und nicht am Saisonende ausgetragen wird?
Das ist der Pandemie geschuldet. Ich habe mir abgewöhnt, mich mit Dingen zu beschäftigen, die ich nicht ändern kann.
Wie sehr blutet Ihnen das Herz, wenn Sie die leeren Tribünen sehen? Können Sie das überhaupt noch ertragen?
Ich habe mir schon gegen Sevilla und Manchester City vorgestellt, was bei den Heimspielen im Signal Iduna Park losgewesen wäre! Ich glaube und hoffe einfach, dass das Ende der Pandemie mit dem Erfolg der Impfungen absehbar ist. Natürlich ist es unser sehnlichster Wunsch, dass wir in der kommenden Saison wieder Fans im Stadion haben.
Erinnern Sie sich noch an den Pokalsieg 1989 und an was als erstes?
An viele Dinge, weil es so ein prägendes Erlebnis und der erste Titel nach langer Zeit für den BVB war. Das war für mich das erste Finale, und wir haben es direkt gewonnen. Ich erinnere mich daran, wie voll die Straßen in Berlin waren mit Dortmunder Jungs, und dazu diese schwarzgelben Bananen, die damals ein wichtiges Symbol für unsere Fans waren. Das waren tolle Momente, leider sind sie lange her.

Michael Zorc (l.) und Teddy de Beer beim DFB-Pokalsieg 1989. © imago / Horstmüller
Sie machen diesen Job jetzt 23 Jahre. Was sind die fundamentalsten Veränderungen? Müssen Sie manchmal den Kopf schütteln aufgrund mancher Auswüchse, Stichwort Super League, oder ist das ganze Fußballgeschäft einfach nur größer, professioneller, kommerzieller geworden?
In meinen Augen ist das Fußballgeschäft immer ein Spiegel der Gesellschaft, nichts anderes. Nur ist die Bühne viel größer. So wie Spieler heute häufiger wechseln als früher, verbringt zum Beispiel auch ein normaler Arbeitnehmer seine Berufszeit heute in der Regel nicht mehr von der Lehre mit 16 bis zur Rente mit 67 bei einem einzigen Arbeitgeber. Allerdings sind die Ausprägungen in alle Richtungen im Fußball extrem, die weltweite Aufmerksamkeit ist wahnsinnig hoch. Top-Spieler sind heute mehr oder weniger Pop-Stars, vergleichbar mit den Schauspielern und Rockstars von früher. Es gab viele Veränderungen in diesem langen Zeitraum, in dem ich hier tätig bin. Ich mag es nur nicht, wenn von außen mit dem Finger auf den Fußball gezeigt wird. Natürlich gibt es negative Auswüchse, aber die gibt es in anderen Bereichen der Gesellschaft leider auch. Die Aufmerksamkeit bei uns ist allerdings enorm gestiegen, wenn ich das mit meiner Anfangszeit als Profi vergleiche. Jedes kleine Wort, jeder Versprecher, jede Geste, jeder Like in den sozialen Netzwerken, jede Handlung - und sei sie noch so unwichtig - wird eingefangen und dramatisch überbewertet.
Auch der Aufwand ist extrem gestiegen. Sie haben daher vor drei Jahren Sebastian Kehl als Unterstützung ins Team geholt. Trauen Sie ihm zu, dass er Ihre Aufgabe im besten Sinne für Borussia Dortmund weiterführt?
Das war schon damals eine strategische Entscheidung, weil wir gemerkt haben, dass die Zeit der One-Man-Shows definitiv vorbei ist und man die Aufgaben und die Belastung auf verschiedene Schultern verteilen muss. Sebastian ist jetzt über zwei Jahre eng dabei. Diesem Job liegt ein Profil zugrunde, das man so nicht an der Uni lernt. Erfahrungswerte sind ein extrem wichtiges Gut. Sebastian ist in alle Entscheidungsprozesse einbezogen und setzt eigene Impulse. Er bringt sehr gute Voraussetzungen mit.

Sebastian Kehl (l.) unterstützt Michael Zorc in seiner täglichen Arbeit. © imago / Kirchner-Media
Aber einer alleine kann diese Aufgaben nicht bewältigen.
Das geht ja schon jetzt nicht. Man benötigt mehrere Schultern, auf die man die Aufgaben verteilt.
Haben Sie mal überlegt, wo Ihr Marktwert läge, wenn man einen erfahrenen Top-Manager verpflichten würde? Hatten Sie mal andere Angebote?
Es gab aus dem Ausland das eine oder andere Mal Interesse, aber genau so, wie es gelaufen ist, ist es gut gewesen.
Bleibt es für Sie dabei, dass definitiv in einem Jahr Schluss ist?
Ja.
Kommt da Wehmut auf?
Ich habe gerade geschildert, wie meine Gemütslage ist. Ich bin fokussiert auf das Ligaspiel gegen Leipzig. Danach kommt das Pokalfinale. Wehmut ist das, was für mich in diesen Tagen an allerletzter Stelle steht. Aber ich bin ja auch noch eine ganze Weile hier. Wir haben genug Aufgaben vor uns.
Ist es ausgeschlossen, dass Sie mal eine andere Funktion beim BVB übernehmen oder einem anderen Verein dienen?
Um ganz ehrlich zu sein: Der Plan ist, dass ich ab Sommer 2022 keinen Plan habe.
Schon als Kind wollte ich Sportreporter werden. Aus den Stadien dieser Welt zu berichten, ist ein Traumberuf. Und manchmal auch ein echt harter Job. Seit 2007 arbeite ich bei den Ruhr Nachrichten, seit 2012 berichte ich vor allem über den BVB. Studiert habe ich Sportwissenschaft. Mein größter sportlicher Erfolg: Ironman. Meine größte Schwäche: Chips.
