BVB-Fan bewusstlos geboxt: Ein Urteil mit dem falschen Gewinner

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BVB-Fan bewusstlos geboxt: Ein Urteil mit dem falschen Gewinner

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Im Sport ist es simpel: Der Gewinner jubelt, der Verlierer ist enttäuscht. Vor Gericht erlebt BVB-Fan Nico M. das Gegenteil. Das Urteil muss ihm vorkommen wie die Tat: als Schlag ins Gesicht.

Dortmund

, 09.07.2021, 19:00 Uhr / Lesedauer: 2 min

Mit einem gezielten Fausthieb ins Gesicht schlug Bundespolizist Paul R., 28 Jahre jung und „Fitnessboxer“, den BVB-Fan Nico M. bewusstlos. An drei Stellen brach der Unterkiefer, monatelang konnte er keine feste Nahrung zu sich nehmen. Taubheitsgefühle plagen ihn bis heute.



Bundespolizist verletzt BVB-Fan schwer: Großes Aufsehen und viel Kritik

Das rüde Vorgehen der Beweissicherungs- und Festnahmeeinheit (BFE) NRW im Dortmunder Hauptbahnhof nach dem Revierderby im Oktober 2019 hatte für großes Aufsehen gesorgt und viel Kritik hervorgerufen. Unter anderem traten Beamte auf am Boden liegende Personen ein. Über die Rechtmäßigkeit des Polizeieinsatzes wird noch lange vor dem Verwaltungsgericht Köln gestritten. Der Täter Paul R. kam am Freitag vor dem Dortmunder Amtsgericht mit einer Geldstrafe davon. 9000 Euro in 150 Tagessätzen. Vorbestraft ist er damit. Eine Freiheitsstrafe bekam er nicht aufgebrummt.

Dieses Urteil stößt sauer auf, denn es widerspricht dem Rechtsempfinden. Während die Juristen über den erfüllten oder nicht erfüllten Tatbestand der gefährlichen Körperverletzung streiten, meine ich: Hier wird mit falschem Maß gemessen. Und zwar in doppelter Hinsicht.

BVB-Fan attackiert: Einem erfahrenen Berufspolizisten darf so ein „Fehler“ niemals passieren

Einem jahrelang ausgebildeten und erfahrenen Berufspolizisten darf so ein „Fehler“ niemals passieren. Wer das staatliche Machtmonopol ohne Anlass zur Gewaltausübung missbraucht, ist offensichtlich nicht für seinen Job geeignet. Von einem Beamten darf, nein: muss man erwarten, dass er seine Instinkte besser im Griff hat. Und wer als geschulter Boxer zuschlägt, der weiß, was seine Fäuste anrichten können. Das macht die Tatumstände besonders. Mit dieser Geldstrafe ist Paul R. mehr als gut bedient. Ob er von seinem Dienstherrn tatsächlich ein strenges Disziplinarverfahren befürchten muss, wie es das Gericht mutmaßte, sei dahingestellt. Er darf vorerst weiter seinen Dienst versehen und Karriere machen. Auch deswegen durfte der Täter das Strafmaß als Erfolg verbuchen. Er hat sich entschuldigt, doch den tatsächlichen Schaden beim Opfer und beim Ansehen der Polizei kann er mit Geld nicht ausgleichen.

Und noch eine andere Perspektive schmerzt, nämlich die entgegengesetzte: Hätte ein Fan einen Polizisten verletzt, wäre er nach Meinung der meisten Prozessbeobachter niemals so glimpflich davongekommen. Diese gefühlte Ungleichbehandlung frustriert viele Fußballfans und Fanvertreter bei den wiederkehrenden Konflikten mit der Polizei. Mit dem Urteil hat das Gericht Nico M. zwar prinzipiell Recht gegeben. Doch wegen der Milde kommt das Urteil wie ein Sieg zweiter Klasse daher. Es enttäuscht.

Nach Attacke auf BVB-Fan: Das Urteil sorgt nicht für Vertrauen

Beobachter werten diesen Fall von Polizeigewalt im Rahmen von Fußballspielen als einen der seltenen, bei dem ein Beamter auch mal verurteilt wird. Bei sechs anderen Ermittlungen zum Tatabend folgte keine Anklage. Für Vertrauen in die Gleichheit vor dem Gesetz und eine angemessene Strafverfolgung sorgen die Aufarbeitung und das Urteil nicht.

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