Er lauerte im Rückraum, er zeigte es sogar an. Paris Brunner hob beide Arme nach oben, um seine Anspielbereitschaft zu signalisieren. Doch die Hereingabe von Julian Hettwer, sie geriet in dieser 52. Minute beim Testspiel gegen BG Pathum United einfach zu kurz. Chance verpufft. Brunner musste enttäuscht den Rückwärtsgang einlegen. Auch wenn er nicht von Erfolg gekrönt war, demonstrierte dieser Moment doch eines: Hier möchte jemand, der unter besonderer Beobachtung steht, ganz eindeutig auf sich aufmerksam machen.
BVB-Talent Brunner im Fokus
Und das ist dem jungen BVB-Stürmer während der Asienreise gelungen. In den öffentlichen Trainingseinheiten, aber auch in den beiden Testspielen zeigte Brunner ein hohes Maß an Einsatzbereitschaft. Während seine Körpersprache abseits des Platzes häufig desinteressiert wirkt, war er auf dem Feld dauerhaft unter Spannung. Der 18-Jährige beackerte viele Räume, stürzte sich mit Vorliebe ins Dribbling, zog immer wieder von links nach innen, um mit rechts abzuschließen.
„Ich habe Paris jetzt zwölf Tage kennengelernt und viel mit ihm gesprochen. Er ist sehr selbstbewusst, das will er zeigen. Ich finde es grundsätzlich gut, wenn ein Spieler diese Aura zeigt. Aber auch er muss lernen, muss mit Qualität konkurrieren. Er muss sich durchsetzen“, befand BVB-Trainer Nuri Sahin.
Gegen Pathum United stand Brunner 90 Minuten auf dem Rasen, gegen Cerezo Osaka wurde er nach 62 Minuten eingewechselt. „In seiner Entscheidungsfindung müssen wir uns entwickeln, das hat man gesehen“, hielt Sahin fest. In Bezug auf alle bei der Asienreise vertretenen Youngster ergänzte der Trainer: „Ich habe das den Jungs ganz klar gesagt: Die Tür ist für jeden auf, aber ich kann sie nicht da durchdrücken. Da müssen sie selbst durchgehen.“

Ob Brunner das tut? Die Personalie hält Borussia Dortmund seit Monaten in Atem. Der BVB will den Angreifer mit einem Profi-Vertrag ausstatten. Doch trotz intensiver Verhandlungen ist noch immer kein Durchbruch gelungen. Neben den finanziellen Rahmenbedingungen liegen Spieler und Klub auch bei der Beurteilung der sportlichen Perspektive auseinander. Nach RN-Informationen fordert der Stürmer eine Profi-Garantie. Die Brunner-Seite besteht darauf, dass der 18-Jährige während des Saisonverlaufs dauerhaft am Profi-Training von Nuri Sahin teilnimmt.
Über die U23 zu den BVB-Profis?
Der BVB will Brunner das aber nicht garantieren, kann sich den Youngster auch in der U23 vorstellen, damit er in der 3. Liga weiterentwickeln kann. Die kommenden Wochen sind demnach wegweisend für Paris Brunner. Viel Wirbel um einen jungen Spieler, der noch keine einzige Pflichtspielminute für die Profis von Borussia Dortmund absolviert hat. Das hohe Maß an Aufmerksamkeit ist das Resultat starker sportlicher Duftmarken auf und schwacher Auftritte abseits des Rasens. Eine Chronik!
Brunner-Entwicklung beim BVB im Zeitraffer:
September 2022: 2020 ist der gebürtige Dortmunder nach Stationen bei Rot-Weiss Essen und VfL Bochum zum BVB gewechselt. Nun absolviert der 16-Jährige seine zweite Saison bei der BVB-U17 – und legt eine Leistungsexplosion hin. In seinen ersten fünf Spielen schießt Brunner 16 (!) Tore. Die Dortmunder Verantwortlichen befördern ihn daher vorzeitig in die U19. Auch hier zeigt er aufgrund seiner ausgeprägten Physis kaum Anpassungsschwierigkeiten. Er erzielt wichtige Tore in der Youth League, trifft sogar im Finale der Deutschen Meisterschaft. Insgesamt erreicht er jedoch nicht mehr die Trefferquote wie in der U17. Auch weil Toptalent Julian Rijkhoff, der später zu Ajax Amsterdam wechseln wird, im internen Ranking noch vor ihm steht.

Juni 2023: Nach einer starken Saison im BVB-Trikot gehört Brunner ebenso wie Kjell Wätjen, Almugera Kabar und Charles Herrmann zum Aufgebot der U17-Nationalmannschaft bei der Europameisterschaft in Ungarn. Er gehört zu den Leistungsträgern. Im Finale trifft er vom Punkt gegen Frankreich – und feiert mit Deutschland den EM-Titel. Der Dortmunder wird mit vier Treffern EM-Torschützenkönig. Die UEFA wählt ihn obendrein zum besten Spieler des Turniers.
Erst Medaille, dann Suspendierung
August 2023: Brunner erhält vom DFB die Fritz-Walter-Medaille in Gold als bester Spieler seines Jahrgangs 2006. Bei der Wahl setzt er sich gegenüber Noah Darvich (FC Barcelona) und Assan Ouedraogo (Schalke 04) durch. Auch beim BVB läuft es weiter prächtig. In den ersten sieben Bundesliga-Spielen trifft er zehnmal für die U19.
18. Oktober 2023: Borussia Dortmund suspendiert Paris Brunner aus disziplinarischen Gründen. Der 17-Jährige nimmt bis auf Weiteres nicht am Spielbetrieb teil. Das macht der BVB in einer zwei Sätze umfassende Mitteilung publik. Die Nachricht löst wilde Spekulationen aus. Cheftrainer Edin Terzic erklärt zwei Tage später auf einer Pressekonferenz, dass es „einen Vorfall“ gegeben habe, „der uns zu dieser Maßnahme gezwungen hat“.
30. Oktober 2023: Die Suspendierung Brunners dauert zwei Wochen. In dieser Zeit treten der Spieler und seine Eltern zum Rapport auf der BVB-Geschäftsstelle an. Die Brunners führen ein klärendes Gespräch mit NLZ-Direktor Lars Ricken und Sportdirektor Sebastian Kehl. Danach wird der Bann aufgehoben – auch um Brunner die Chance auf eine Teilnahme an der bevorstehenden U17-Weltmeisterschaft in Indonesien nicht zu verbauen. Im Rahmen der Aufarbeitung des Vorfalls einigen sich beide Seiten zudem darauf, dass Brunner Sozialstunden in einer Kindertagesstätte ableisten muss. Wenige Tage später gibt er sein Comeback.
Brunner erstmals bei den BVB-Profis
Dezember 2023: Anfang des Monats steht Paris Brunner beim BVB-Auswärtsspiel in Leipzig erstmals im Profi-Kader. Kurz darauf wird er zum umjubelten WM-Helden: ein Treffer im Viertelfinale gegen Spanien, Doppelpack und entscheidender Elfmeter im Halbfinale gegen Argentinien, ein Tor im Finale gegen Frankreich. Brunner wird von der FIFA zum besten Spieler des Turniers gewählt – und rückt auch für internationale Klubs immer stärker ins Rampenlicht. Der BVB plant, Brunner einen Profivertrag anzubieten, der den bisher geltenden Fördervertrag bis 2025 ersetzt.
Januar 2024: Cheftrainer Edin Terzic nominiert Brunner für das Trainingslager der Profis in Marbella. Hier leistet sich der 17-Jährige allerdings eine weitere Disziplinlosigkeit, indem er gegen die verordnete Nachtruhe verstößt. Daraufhin verzichtet Terzic im Testspiel gegen Standard Lüttich aus disziplinarischen Gründen auf den Stürmer. Die Vertragsverhandlungen zwischen Brunner, der von seinem Vater Norbert als Berater vertreten wird, und dem Verein laufen. Es machen Gerüchte die Runde, Brunner ziehe es nach Italien in die Serie A. Dem widerspricht Norbert Brunner öffentlich.
Februar 2024: Paris Brunner wird volljährig und damit geschäftsfähig. Hoffnungen, er könne nun rasch seinen ersten Profivertrag selbst unterzeichnen, zerschlagen sich. Beide Parteien liegen in den Vorstellungen weit auseinander – sowohl in Bezug auf die finanziellen Rahmenbedingungen als auch die sportliche Perspektive. Ein monatelanger Vertragspoker wird folgen, in dem der BVB vor einem Abwägungsprozess steht: Sollte er für eines seiner größten Talente den üblichen Gehaltsrahmen großzügig ausweiten, um es weiter an sich zu binden? Oder überwiegen angesichts charakterlicher Eigenschaften und durchaus vorhandener technischer Mängel die Zweifel?
BVB-Debüt für die U23
März 2024: Von einer Bundesliga-Premiere scheint Brunner noch weit entfernt. Dafür gibt der 18-Jährige sein Debüt für die BVB-U23 gegen Rot Weiss Essen in der 3. Liga. Bei der 0:4-Pleite an der Hafenstraße steht Brunner in der Startelf und ist einer der wenigen Lichtblicke. „Es ist nicht selbstverständlich, sich als U19-Jungjahrgang so zu wehren und so präsent zu sein“, lobt Trainer Jan Zimmermann. Im April spielt er gegen Erzgebirge Aue abermals von Beginn an für die U23.

Mai 2024: Brunner feiert mit der BVB-U19 die Westdeutsche Meisterschaft und bestreitet die Endrunde um die Deutsche Meisterschaft. In den beiden Halbfinals gegen Hertha BSC bereitet er jeweils ein Tor vor, im Finale gegen Hoffenheim trifft er zum zwischenzeitlichen Ausgleich. In der Junioren-Bundesliga stehen stolze 20 Treffer und sechs Assists in 22 Einsätzen zu Buche.
Juli 2024: Während der Asienreise gibt Brunner ein gutes Bild ab. Abseits des Platzes macht die Körpersprache den Eindruck großer Lustlosigkeit. Im Training, wo ihn Verteidiger Julian Ryerson auch schon mal mit voller Wucht umgrätscht und ihm die Grenzen aufzeigt, hängt er sich ebenso wie in den Testspielen rein. Borussia Dortmund hat dem Spieler ein Angebot unterbreitet. Nimmt Brunner es an? Oder gehen beide Seiten schon bald getrennte Wege. Die Entscheidung naht.
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