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BVB-Boss Watzke tut der DFL einen größeren Gefallen als sich selbst
Meinung
Hans-Joachim Watzke ist einer der mächtigsten Männer im deutschen Fußball. Mit seinem Job bei der DFL tut er der Bundesliga einen größeren Gefallen als sich selbst. Jürgen Koers kommentiert.
Hans-Joachim Watzke erweckte auch am Dienstag nicht den Eindruck, dass er am Ziel seiner Träume angelangt sei. Als vor Wochen durchsickerte, er solle den Chefposten der Deutschen Fußball-Liga übernehmen, wirkte die öffentliche Zurückhaltung des 62-jährigen Sauerländers auf manche Beobachter wie Koketterie. Tatsächlich fühlte sich der BVB-Geschäftsführer in gewisser Weise genötigt, das ihm angebotene Amt anzunehmen. Man fand keinen anderen vorzeigbaren Kandidaten, der das Machtvakuum im Ligaverband füllen und die Masse an bevorstehenden Aufgaben erfüllen könnte. Die Klubvertreter, die ihn am Dienstag in einem Frankfurter Hotel mit großer Mehrheit wählten, sind ihm dankbar. Bekannte Gesichter und durchsetzungsstarke Macher gibt es aktuell nicht mehr viele in ihren Reihen, zu dem DFL-Job bereiterklärt hatte sich keiner.
Corona, Super League, 50+1: Vor Watzke liegen viele Baustellen
Vor etwas mehr als zwei Jahren hatte Watzke seine Kandidatur für einen DFL-Posten noch verärgert und brüskiert vom Widerstand gegen ihn zurückgezogen. Im zweiten Anlauf sitzt er nun sogleich auf dem Chefsessel des Profifußballs und muss gleich ein ganzes Bündel an dringlichen Problemen lösen. Themen gibt es reichlich: National die Auswirkungen der Covid-19-Pandemie und der ewige Streit um 50+1 (Stichwort: Kartellamt), dazu international die Konkurrenz durch die leistungsstärkeren Topligen in England und Spanien, fremdfinanzierte Protzklubs und das Financial Fairplay, dazu das Schreckgespenst einer Super League.
Vorerst geht’s ums nackte Überleben: Durch das 116-Millionen-Minus in den zwei Coronajahren beim BVB weiß Watzke allzu gut, dass die wirtschaftlichen Härten der Krise längst nicht überstanden sind. Vielmehr ahnt niemand, wann die Misere ein Ende haben könnte, welche Wendungen es bis dahin noch gibt und welche Klubs womöglich in Kürze in Richtung Insolvenz abdriften.
BVB-Boss Watzke muss in Zukunft etwas vorsichtiger sein
Als zu Beginn der Coronakrise die Unterbrechung der Bundesligen viele Klubs in Existenznöte stürzte, war es nicht zuletzt Watzke und DFL-Geschäftsführer Christian Seifert zu verdanken, dass (auf dem Rasen) weitergespielt und (mit den TV-Millionen) weitergezockt werden konnte. Mehr denn je ist er von nun an nicht nur seines eigenen schwarzgelben Glückes Schmied.
Als Manager ist Watzke eher old-fashioned, ein Kind der Bundesliga aus guten, alten Zeiten. Einer, der viele Entwicklungen der vergangenen Jahre beargwöhnt hat. Dass Leipzig, Hoffenheim und Wolfsburg mitmischen statt Hamburg oder Schalke, schmeckt dem Sauerländer eigentlich nicht. Dass die Liga-Lokomotiven Bayern und BVB die TV-Milliarden vergleichsweise solidarisch teilen, missfällt ihm ebenso. Weil er das auch öffentlich sagte, handelte er sich den Stempel eines Populisten ein. Manch barscher und schmallippiger Auftritt schadete seinem Ansehen. In Zukunft muss er vorsichtiger sein, die Wirkung seiner Worte wird nochmal zulegen.
Watzke hat sich als pragmatischer Macher einen Namen gemacht
Ein Volksheld oder Publikumsliebling ist Watzke auch in Dortmund nicht. Vor dem, was er für die Borussia geleistet hat, kann man indes gar nicht oft genug den Hut ziehen. Dankbarkeit wird er auch bei der DFL nicht ernten. Watzke wird sich für einen integren Wettbewerb einsetzen und für solides Wirtschaften, für bezahlbare Eintrittspreise und gegen zu viel Einfluss von Investoren. Marketing-Sprache passt weniger zu ihm, klare Kante umso mehr.
Als pragmatischer Macher hat sich Watzke einen Namen gemacht. In Zukunft ist er häufiger als Moderator und Vermittler gefragt. Wie gut ihm diese Rolle passt und wie zufrieden die 35 anderen DFL-Mitglieder mit ihren zum Teil diametral entgegengesetzten Interessen mit seiner Leitung sein werden, darauf darf man durchaus gespannt sein. Die Verteilungskämpfe zwischen Groß und Klein bieten reichlich Zündstoff, die Meinungshoheit bleibt umstritten zwischen Traditionalisten und Emporkömmlingen. Kommen Watzke und die DFL solide durch die nächsten drei Jahre, hat der BVB-Chef dem deutschen Fußball einen größeren Gefallen getan als sich selbst. Denn spätestens, wenn es wieder Geld zu verteilen gibt, ist es mit der Harmonie unter den Vereinsvertretern sofort wieder vorbei. Und der Ärger, der Watzke als Präsidiumsmitglied des Deutschen Fußball-Bundes bevorsteht, ist da noch gar nicht mitgedacht.
Schon als Kind wollte ich Sportreporter werden. Aus den Stadien dieser Welt zu berichten, ist ein Traumberuf. Und manchmal auch ein echt harter Job. Seit 2007 arbeite ich bei den Ruhr Nachrichten, seit 2012 berichte ich vor allem über den BVB. Studiert habe ich Sportwissenschaft. Mein größter sportlicher Erfolg: Ironman. Meine größte Schwäche: Chips.
