Der BVB setzt ein Statement im Spitzenspiel - doch Trainer André Fuhr warnt vor Rückschlägen
BVB-Handball-Frauen
Mit dem 26:25 beim Thüringer HC setzt der BVB ein Ausrufezeichen in der Handball-Bundesliga. Seine Ziele korrigiert der Verein nicht, doch der Sieg könnte wichtig für die weitere Saison werden.

Da kommt Freude auf: Der BVB geht als Tabellenführer der Handball Bundesliga Frauen in die Länderspielpause. © Wolfgang Stummbillig
Da lief sie also, bis tief in die gegnerische Hälfte des Thüringer HC hinein. Den Blick erst stur nach vorne, dann zurück, darauf hoffend, irgendwer möge ihr den Ball jetzt doch bitte mal zuwerfen. Ihr Trainer, André Fuhr, hätte Bogna Sobiech wohl am liebsten wieder eingefangen.
Zumal er, wie er später zugab, ja eigentlich auch zufrieden gewesen wäre mit diesem einen Punkt, den der BVB beim Stand von 25:25 da beim Titelfavoriten in den Händen hielt. Der sonst so risikoreiche Trainer war auf Risiko-Minimierung aus. Doch Sobiech, auf der Linkaußen-Position beheimatet, war längst nicht mehr zu halten.
Kelly Dulfer war es schließlich, die den langen Pass nach vorne spielte, und in einer Bewegung, so flüssig wie ein Löffel Honig in einem Becher heißen Tee, nahm Sobiech den Ball entgegen, drehte sich um ihre Gegenspielerin und verwandelte vier Sekunden vor Schluss eiskalt zum 26:25 für Borussia Dortmund, das nun als Tabellenführer in die anstehende Länderspielpause geht. „Kelly hat große Qualität“, sagte Sobiech und meinte das punktgenaue Zuspiel ihrer niederländischen Mitspielerin. „Ich wusste, dass der Ball kommt.“
Immer mit Druck und Tempo nach vorne
Dieser letzte Spielzug zeige ein Stück weit die Mentalität der Mannschaft, sagte Andreas Bartels, stellvertretender Abteilungsvorstand des BVB am Montag. „Wenn sie den Ball hat, geht es immer mit Druck und Tempo nach vorne, egal, ob das 15 Sekunden nach Spielbeginn ist oder 15 Sekunden vor dem Ende. Sie will immer gewinnen.“
Auch André Fuhr schnitt das Thema Mentalität, über das in Dortmund derzeit ja recht viel gesprochen wird, gerade im Fußball, kurz an, bezog sich dabei allerdings weniger auf die Szene, die letztlich zum Sieg führte („Das ist eher aus der Hitze des Gefechts entstanden“), als vielmehr auf die zwischenzeitliche Aufholjagd seiner Mannschaft.
15 Minuten vor Schluss führte der THC mit 22:18. „In dieser Situation haben wir die richtige Mentalität gezeigt und haben uns zurück ins Spiel gekämpft“, sagte Fuhr. „Das war unglaublich wichtig.“ Wichtig für den Moment, wichtig vielleicht aber auch für den weiteren Saisonverlauf, der am 9. Oktober mit dem Heimspiel gegen TuS Metzingen seine Fortsetzung findet.
BVB weiterhin in einem Prozess des Wachstums
Denn noch, das darf man bei allem schwarzgelben Jubel nicht aus den Augen verlieren, befindet sich die Mannschaft, in die es seit diesem Sommer sieben hochwertige Neuzugänge zu integrieren gilt, in einem Prozess des Wachstums. Situationen wie am Sonntag helfen dabei, jenen Teamgeist zu entwickeln, der am Ende vielleicht die besonderen Momente herbeiführen kann „Jeder kämpft für jeden“, sagte Sobiech. „Das zeigt, dass dieses Team noch viel Potenzial hat.“
Noch sind freilich erst drei Spieltage absolviert. Und schon heute die Zielsetzung (Bartels: „Wir wollen ins internationale Geschäft“) womöglich ein Stück weit nach oben zu korrigieren, „wäre völlig verrückt“, sagte Fuhr. „Auch wir werden Rückschläge erleiden.“ Sobiech meinte: „Wir arbeiten dafür, dass wir besser werden. Und dann schauen wir mal, was am Ende dabei herausspringt.“
Borussia Dortmund kann mit den Großen mithalten
Wohlgemerkt, seit 855 Tagen hatte der THC bis zum 25:26 gegen den BVB kein Heimspiel mehr verloren. Die letzte Niederlage datiert vom 20. Mai 2017, damals unterlag das Team von Herbert Müller der SG BBM Bietigheim mit 22:33. Da kann man, wie es Andreas Bartels am Montag getan hat, durchaus auch mal von einem „Statement“ sprechen. „Wir haben gezeigt, dass wir in einem Top-Match mehr als mithalten können. Ob wir das auch über eine gesamte Saison schon schaffen, kann ich heute nicht beantworten“, sagte Bartels.
Ob Bogna Sobiech ihre bisher gezeigten Leistungen über eine volle Spielzeit bestätigen kann, ist eine Frage, auf die es heute ebenfalls noch keine Antwort gibt. Klar ist: Die 29-Jährige, vor der Saison aus Bensheim zum BVB gewechselt, befindet sich in Topform, ihr Siegtor gegen den THC war bereits Saisontreffer Nummer 28. Damit führt die polnische Nationalspielerin, die auch den 25:25-Ausgleich per Siebenmeter erzielt hatte, die Scorerwertung der Bundesliga vor Lone Fischer (Buxtehude/27 Tore) und Julia Maidhof (Bensheim/27) an.
„Dass Bogna gleich so durchstartet, damit durften wir so nicht rechnen“, sagte Bartels. „Aber der Tempohandball, den sie gerne spielt, passt natürlich sehr gut zur Spielweise der Mannschaft unter André Fuhr.“
Der Trainer selbst beschreibt die 1,72 Meter große Linksaußen als „extrem gute Konterspielerin. Erfahren. Kaltschnäuzig. Abwehrstark. Sehr professionell. Und sie ist eine Spielerin, die sich eigentlich in keiner Situation stressen lässt“, so Fuhr. Nicht in knappen Spielen. Und auch nicht von einem Trainer, der sie wie in Thüringen auch mal einfangen will.