Jude Erich Gottschalk kam nach dem Krieg wieder zurück nach Ahaus
Serie
Die Familie von Erich Gottschalk war seit Mitte des 19. Jahrhunderts in Ahaus daheim. Im Holocaust verlor er seine Mutter und musste Hals über Kopf fliehen. Doch er kehrte zurück nach Ahaus.
Heute sei an Erich Gottschalk und seine jüdische Familie erinnert. Er war der einzige Sohn des Viehhändlers Isaak Gottschalk und seiner Frau Berta, geb. Metzger aus Heiden. Die 40-jährige Berta brachte am 7. November 1915 ihren Sohn Erich zur Welt – ihr Mann Isaak war da schon 59 Jahre alt.
Die Familie wohnte in einem zweistöckigen Haus an der Bahnhofstraße 61, das heute nicht mehr steht. Erichs Vater verstarb 1932 mit 76 Jahren. Erich, der nach seiner Schulzeit auf der Bernskampschule für kurze Zeit zu seiner Cousine Rosa Rosenthal und ihrem Mann, dem Viehhändler Siegfried Rosenthal, in Cloppenburg gezogen war, übernahm jetzt den Viehhandel seines Vaters. Bei den Bauern aus Ahaus und der Umgebung fühlte er sich bereits in seinem jungen Alter von 18 Jahren akzeptiert und wohl.

Erich Gottschalk als junger Mann. © privat
Als der NS-Staat seine Geschäfte mit den Landwirten immer mehr erschwerte, stellten Erich Gottschalk und seine Mutter Berta 1937 einen Passantrag zur Ausreise aus Deutschland, die aber nicht zustande kam. In der Pogromnacht vom 9. auf den 10. November 1938 wurde Erich zusammengeschlagen und schwer verletzt. Bis zu seinem Lebensende litt er danach unter Rückenschmerzen.
Flucht in die Niederlande
Mit seinem Cousin Emil Gottschalk flüchtete er im November 1938 über die Grenze nach Holland, wo er vergeblich versuchte, seine Mutter nachkommen zu lassen. Berta Gottschalk zog zunächst zu Verwandten in ein Ghettohaus in Borken. Im Spätsommer 1942 wurde sie nach Theresienstadt und kurz danach ins Vernichtungslager Treblinka deportiert und dort im Alter von 67 Jahren ermordet. Ihrem Sohn Erich gelang es im Sommer 1939, auf einem Kohlenschiff nach Palästina (später Israel) zu entkommen.

Erich Gottschalk mit Mutter Bertha und Vater Isaak. © privat
Erich fand in der Landwirtschaft eine Anstellung und heiratete in Tel Aviv die vier Jahre ältere, aus Warschau stammende Lea Bialostocka. Das Paar bekam zwei Söhne – die 1949 und 1951 geborenen Igal und Josef, genannt Jossi. Als Erich 1959 im Zuge von „Wiedergutmachungs“-Verhandlungen in Ahaus war, begann er wieder mit dem Viehhandel.
Haus im Kusenhook
1960 zogen auch seine Frau und die beiden Söhne nach Ahaus, für die er im Kusenhook ein Haus baute. Älteren Leuten ist der joviale, gesellige Erich Gottschalk heute noch bekannt. Seine Söhne gingen in Ahaus zur Jungenvolksschule und absolvierten eine Elektrotechniker-Ausbildung

Erich Gottschalk als Baby mit seiner Mutter Bertha. © privat
Igal heiratete eine Ahauserin, die zum Judentum übertrat, und zog mit ihr 1974 nach Kiryat-Gat in Israel, wo sie mehrere Kinder bekamen. Josef Gottschalk heiratete ebenfalls eine Nichtjüdin, mit der er zwei Töchter hat. Er wohnt heute in der Nähe von Gießen und hält Kontakt zu Lokalhistorikern in Ahaus, das er auch sehr häufig besucht.
Tod in Israel
Als Erich Gottschalk schwer erkrankte, zog er 1984 mit seiner Frau Lea von Ahaus aus zu seinem Sohn Igal nach Israel. Am 30. Juni 1989 starb Erich Gottschalk im Alter von 74 Jahren. Er ist in Kiryat-Gat begraben. Seine Frau Lea überlebte ihn um 14 Jahre und starb am 20. Oktober 2003 – sie wurde 92 Jahre alt.
Erich Gottschalk war der einzige Jude, der nach der NS-Zeit wieder längere Zeit (24 Jahre) mit seiner Familie in Ahaus wohnte. Die jüdische Familie Gottschalk existierte seit der Mitte des 19. Jahrhunderts in Ahaus, wovon auch sieben Grabsteine auf dem Jüdischen Friedhof in Ahaus zeugen.
AN SCHICKSALE DER VERSCHLEPPTEN AHAUSER ERINNERN
- In Zusammenarbeit mit dem Stadtarchiv und auf Initiative des VHS-Arbeitskreises Ahauser Geschichte 1933-1945 veröffentlichen wir in den kommenden Monaten in loser Reihenfolge die Geschichten und Schicksale der Ahauser, die während des Holocausts aus Ahaus verschleppt wurden.
- Damit wollen wir einen kleinen Teil dazu beitragen, das Andenken an diese Menschen wachzuhalten. Das WDR-Portal (stolpersteine.wdr.de) zu allen Stolpersteinen in NRW ist seit kurzem erreichbar.