Originalbild aus dem Haus in Wüllen: Hunderte zerkleinerte Hanfpflanzen liegen zum Trocknen auf dem Boden.

© Polizei

Drogenplantage in Wüllen: Ist Niederländer Drahtzieher oder Handlanger?

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In einem Einfamilienhaus in Wüllen haben „Profis“ über Monate eine groß angelegte Drogenplantage betrieben. Das Marihuana sollte in den Verkauf gehen. Doch kurz davor schlug die Kripo zu.

Ahaus

, 28.01.2021, 12:00 Uhr / Lesedauer: 3 min

Mittwochmorgen. 31. Mai 2017. Mit einem Durchsuchungsbeschluss in der Tasche rücken Kripobeamte zu einem unscheinbaren Einfamilienhaus in der Wüllener Andreasstraße aus. Und was die Beamten im Keller und Obergeschoss sicherstellen hat es in sich:

Über 110 Kilogramm Marihuana, teilweise bereits in 17 verschweißte Folienbeutel verpackt, etwa 500 Hanfpflanzen, die zur Trocknung aufgehängt waren oder auf dem Boden lagen, sowie umfangreiches Anbauequipment. Über mehrere Monate wurde in dem Haus eine auf mehrere Räume verteilte hoch professionelle Drogenplantage betrieben.

Sechs Männer wurden verhaftet

Bei insgesamt sechs Männern im Alter zwischen 25 und 44 Jahren klickten beim Zugriff der Kripo die Handschellen. Vier Tatverdächtige nahmen die Beamten vor Ort fest, die beiden mutmaßlichen niederländischen Drahtzieher kurz vor der holländischen Grenze. Sie hatten zunächst noch versucht, sich der Verhaftung zu entziehen.

Einer der beiden Männer wurde bereits im Oktober 2020 zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt. Jetzt muss sich auch der andere, ein 32-jähriger Mann aus Hengelo, vor der 3. Großen Strafkammer des Landgerichts Münster verantworten.

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Das Verfahren gegen ihn wegen „Handels mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge“ wurde abgetrennt, da der Mann zum ursprünglichen Prozess wegen angeblicher psychischer Probleme nicht erschienen war.

Welche Rolle hatte der 32-Jährige?

Am nun ersten von zwei angesetzten Verhandlungstagen ging es um die Rolle des 32-jährigen Angeklagten bei den Drogengeschäften. Drahtzieher oder Handlanger?

Kleingewachsen, seitlich anrasierte Frisur, sportlich gekleidet und aufgeschlossen – so präsentierte sich der Angeklagte. Mittels Dolmetscher beantwortete er alle Fragen des Vorsitzenden Richters ausführlich. Seinem Pflichtverteidiger blieb über weite Strecken nur die Zuhörerrolle.

Ein Teil der Drogen war beim Zugriff der Kripo bereits in verschweißte Folienbeutel verpackt und zum Abtransport bereit.

Ein Teil der Drogen war beim Zugriff der Kripo bereits in verschweißte Folienbeutel verpackt und zum Abtransport bereit. © Polizei

Der 32-Jährige berichtete, dass er in die Sache „so reingerutscht“ sei. Er habe den bereits verurteilten Mann, den er stets als „Kopf der Bande“ bezeichnete, zufällig kennengelernt. Da der 32-Jährige finanzielle Engpässe gehabt haben will, sei er bereitwillig auf das Angebot des Mannes eingegangen, ihm „bei einer Plantage in Ahaus“ zur Hand zu gehen. „Ich wusste, was da passiert. Aber ich brauchte das Geld.“

50 Euro pro Fahrt nach Wüllen

Was denn seine Rolle gewesen sei, hakte der Richter nach. „Kurierfahrer“, lautete die Antwort des Angeklagten. Er habe „Plantagenarbeiter“ von den Niederlanden aus zum Haus nach Wüllen gefahren. Vietnamesen sollen es gewesen sein. Da alle keine gültige Aufenthaltsgenehmigung gehabt hätten, habe er zudem mehrmals in der Woche Lebensmittel vorbeigebracht.

50 Euro je Fahrt habe er dafür von seinem Bekannten bekommen. Eine versprochene finale Zahlung von 1000 Euro habe es nie gegeben. Denn diese sei an den Verkauf der Drogen gekoppelt gewesen. Doch dazu kam es ja durch den rechtzeitigen Zugriff der Kripo nicht.

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Er selbst, so der 32-Jährige, habe mit dem Aufbau der Plantage im Dezember 2016 nichts zu tun gehabt. „Ich habe auch nur ein einziges Mal bei der Ernte geholfen“, beteuerte er. Auch habe er nur ein einziges Mal einen Plantagenarbeiter rekrutiert. Dabei habe er im Auftrag seines Bekannten gehandelt. Er selbst will nie eine leitende Funktion gehabt haben.

Mieter des Hauses hatte Spielschulden

Und warum überhaupt Wüllen? Laut Anklage hatte der Mieter des Hauses beim bereits verurteilten Niederländer Spielschulden. Darum ist der Wüllener der Aufforderung des Niederländers nachgekommen, sein Haus für die Drogenplantage über mehrere Monate zur Verfügung zu stellen. Ob damit die Schulden getilgt werden sollten, blieb unklar.

In die Beweisaufnahme eingeführte Bilder dokumentieren aber, dass der Wüllener trotz der angelegten Plantage im Haus wohnen blieb. Auch ein Plantagenarbeiter wohnte dauerhaft im Haus, um die Bewässerung der Pflanzen sicherzustellen. Eine Matratze auf dem Boden diente als Schlafplatz.

Die Blütenköpfe der Hanfpflanzen waren kopfüber zum Trocknen aufgehängt.

Die Blütenköpfe der Hanfpflanzen waren kopfüber zum Trocknen aufgehängt. © Polizei

„Und von den Arbeitern hat wirklich nie jemand das Haus verlassen?“, fragte der Richter nach. „Nein“, so der 32-Jährige, „ich habe sie immer bis zum Haus gefahren und auch alle Einkäufe erledigt.“ Es sei eben der Kurierfahrer gewesen.

Wütende Textnachrichten

Kurios: Nach der Verhandlung im September und Oktober 2020 gegen seinen Komplizen schrieb der 32-Jährige diesem WhatsApp-Nachrichten. Auszugsweise verlas der Vorsitzende Richter diese jetzt. Weil der Komplize den 32-Jährigen vor Gericht schwer belastet hatte, beschimpfte der jetzt Angeklagte ihn wüst und bedrohte ihn.

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„Der Typ hat eben versucht, mir alles in die Schuhe zu schieben. Ich stehe für alles, was ich gemacht habe, gerade, aber nicht für etwas, das ich nicht gemacht habe. Ich war nur Helfer und nicht die leitende Kraft“, erklärte der 32-Jährige in der Verhandlung seine damaligen Wutausbrüche.

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Welche Rolle der Angeklagte letztlich tatsächlich innehatte, muss die 3. Große Strafkammer bei der Fortsetzung am 8. Februar klären. Eine Entscheidung, die auf das Urteil großen Einfluss haben wird.

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