Das denken Ärzte der Region über "Dr. Google"

Informierte Patienten

Bei Google wird eine Beule schnell zu einem schweren Schädel-Hirn-Trauma, eine leichte Erkältung zur Lungenentzündung. Viele Internetseiten sind dazu da, Menschen aus der Ferne bei der Einschätzung ihrer Krankheit zu helfen. Doch was halten die Profis aus der Region von "Dr. Google" - und welche Schlussfolgerungen könnten Patienten daraus ziehen?

NRW

, 08.08.2016, 05:00 Uhr / Lesedauer: 3 min

Google ist schnell. Nur wenige Sekunden dauert es, die eigenen Krankheitssymptome in die Suchmaschine einzugeben. Schnell auf Enter geklickt und schon weist die Suchmaschine den Weg zu verschiedenen Seiten, die eine Diagnose versprechen.

Das geht auch an den Ärzten nicht spurlos vorbei. Die Bertelsmann Stiftung befragte in einer Studie rund 800 Ärzte. Fast alle von ihnen, genau genommen 98 Prozent, gaben an, dass sich Patienten immer häufiger auf eigene Faust über Krankheiten informieren. Fast ein Viertel der Ärzte erklärte sogar, dass mehr als jeder dritte Patient, der bei ihnen in die Klinik komme, über zuvor recherchierte Informationen reden wolle. 

Diesen Trend beobachtet auch die Ärztekammer Westfalen-Lippe: "Die Patienten sind weitaus informierter als noch vor zehn Jahren", bestätigt Bärbel Wiedemann von der Ärztekammer. Ein Problem für die Ärzte ist das jedoch erstmal nicht. Mehr als die Hälfte der befragten Mediziner der Bertelsmann Studie finden sowohl negative, als auch positive Aspekte am wachsenden Informationsangebot und am Interesse der Patienten. Das spiegelt sich auch in der Region wider.

Ärgerlich oder von Vorteil?

"Der informierte Patient ist eigentlich ideal, weil er mithilft, die optimale Behandlung zu gestalten", findet  Dr. Michael Glaßmeyer, Chefarzt der Klinik für Frauenheilkunde am St.-Rochus-Hospital in Castrop-Rauxel.

Glaßmeyer begrüßt es sogar, dass es "Dr. Google", gibt - allerdings sei es für Patienten schwierig, die Internet-Informationen richtig einzuschätzen. Manche Patienten gingen sogar soweit, sich die passende Operation für ihr ergoogletes Leid bei YouTube anzusehen und sähen sich schon mit einem Längsschnitt am Bauch ohne jemals eine Diagnose erhalten zu haben.

Das Problem mit der Angst

"Ein großes Problem ist, dass der Patient als Ganzes gesehen werden muss. Ein 70-Jähriger hat möglicherweise mehrere Erkrankungen, die bei einer Diagnose oder Tipps im Internet nicht berücksichtigt werden", erklärt Bärbel Wiedemann von der Ärztekammer Westfalen Lippe. Deswegen sei es ratsam, zuerst die Einschätzung eines Arztes zu bekommen. Danach könne man immer noch nach vertrauensvollen Quellen aus dem Internet schauen (hilfreiche Quellen finden Sie hier). 

Das Googeln an sich ist also nicht das Problem. Die Frage ist allerdings, wo man recherchiert und was man dann aus den Informationen macht. "Ein Problem besteht immer dann, wenn der Patient fürchterliche Angst hat", erklärt Dr. Michael Funke, Sprecher des Ärztevereins Lünen. Dann muss der Arzt mit den Befürchtungen der Patienten umgehen und ihn beruhigen. Funke sieht das aber entspannt: "Meine Aufgabe als Arzt ist es, herauszufinden, ob da was dran ist". So sieht das auch Dr. Nikolaus Balbach vom Ärzteverein Ahaus. Er rät von Internetforen ab, "die machen den Leuten nur Angst", sagt er. Aber selbst wenn sich ein Patient mal in einer Panikseite vertieft habe, ist er zuversichtlich: "Das kriegen wir wieder hin." 

Allerdings könnten solche Überzeugunsgespräche auch ganz schön lange dauern, gibt sein Kollege Dr. Stefan Möllhoff, Ärztesprecher aus Dorsten zu bedenken.  Und  wenn der Patient dem Arzt dann nicht glaube, müsse man ihn noch zu einem anderen Arzt überweisen. „Dann werden vielleicht Untersuchungen gemacht, die gar nicht nötig sind. Das sind unnötige Kosten für das Gesundheitssystem“, gibt Möllhoff zu bedenken.

Mit dem Arzt des Vertrauens

Für Bärbel Wiedemann von der Ärztekammer ist klar: "Der richtige Weg ist, sich von einem Arzt bei seiner Krankheit begleiten zu lassen. Er kennt die verschiedenen Therapie-Möglichkeiten und den Patienten. Ob man ein Karzinom per OP entfernen lässt oder mit einer Chemo behandelt - das berät man doch am besten mit dem Arzt des Vertrauens."

Allerdings scheinen viele Ärzte, so legt es jedenfalls die Studie nahe, mit den zahlreichen Informationsmöglichkeiten überfordert zu sein. So sagen nur sieben Prozent der befragten Ärzte, sich sehr gut mit dem Informationsangebot für Patienten auszukennen. 15 Prozent gaben sogar an, sich "eher nicht so gut" oder auch überhaupt nicht mit der Thematik beschäftigt zu haben und 60 Prozent hielten die Online-Enzyklopädie Wikipedia für eine vertrauenswürdige Quelle. 

"Das liegt auch daran, dass man als Arzt diese Portale nicht zwingend nutzt", erklärt Wiedemann. Die Vorsitzende der Ärztekammer glaubt aber auch, dass die neue, heranwachsende Generation der Ärzte mehr und mehr Einblicke in die digitale Welt habe und auch mehr Online-Portale kenne.

 

 

Hier sehen Sie einige Ergebnisse der Studie im Überblick:

Was tun bei Unsicherheit?

Wer sich nach dem Gespräch mit einem Facharzt jedoch nicht sicher ist - vielleicht, weil er nicht alles richtig verstanden hat - für den gibt es die Patientenberatung Westfalen-Lippe der Ärztekammer und der Kassenärztlichen Vereinigung. Dort kann man nach einem Arztbesuch mit seiner Diagnose anrufen und bekommt sofort alle wichtigen Informationen - ohne Fachchinesisch, wie Wiedemann versichert. Die Patientenberatung Westfalen-Lippe kann auch konsultiert werden, wenn ein Patient nicht genau weiß, zu welchem Arzt er mit seiner spezifischen Erkrankung gehen soll.

"Die Patienten wissen, dass Google kein Fachwissen ersetzt", sagt zum Beispiel der Dorstener Hausarzt Dr. Ulrich Weller. "Sie kommen ja trotzdem, weil sie auf meine Meinung wert legen". Dr. Michael Funke aus Lünen glaubt übrigens nicht mal, dass sich durch Google wirklich etwas verändert hat: "Früher hat die Nachbarin gesagt, dass sie etwas an der Galle hat und der Patient hat überlegt, ob er das nicht auch hat", sagt der Hausarzt. Jetzt habe sich das eben verlagert. Google wird zur Nachbarin. 

Das sind vertrauenswürdige Quellen:

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