Werner Handwerksfirmen suchen verzweifelt Azubis

Zu wenig Bewerber

Für Handwerksbetriebe in Werne wird es immer schwieriger, geeignete Auszubildende zu finden. So wenig Bewerber wie selten zuvor gab es 2017 bei den Firmen in der Lippestadt. Auf einige angebotene Ausbildungsplätze gab es keine einzige Bewerbung. Das stellt die Betriebe vor große Probleme.

WERNE

, 30.08.2017, 05:55 Uhr / Lesedauer: 2 min
Nur durch Kontakte hat Alf-Chefin und MIT-Vorsitzende Uta Leisentritt in diesem Jahr Kevin Mädche (17) aus Hamm als Azubi einstellen können. Auch Ulf Klaverkamp (l.), 2. Vorsitzender der Mittelstandsvereinigung Werne, klagt in  seinem Fliesenbetrieb über den Nachwuchs-Mangel.

Nur durch Kontakte hat Alf-Chefin und MIT-Vorsitzende Uta Leisentritt in diesem Jahr Kevin Mädche (17) aus Hamm als Azubi einstellen können. Auch Ulf Klaverkamp (l.), 2. Vorsitzender der Mittelstandsvereinigung Werne, klagt in seinem Fliesenbetrieb über den Nachwuchs-Mangel.

Handwerk hat goldenen Boden, heißt es. Aber junge Menschen erliegen offenbar kaum noch den Verlockungen des Edelmetalls. In diesem Jahr haben sich so wenig Bewerber wie selten zuvor um einen Ausbildungsplatz im Handwerk bemüht. Die Mittelstandsvereinigung der CDU Werne schlägt Alarm.

Teilweise geht keine einzige Bewerbung ein

„Wir haben massive Probleme, qualifizierte Azubis zu bekommen“, sagt MIT-Vorsitzende Uta Leisentritt. Sie selbst führt den Werner Fahrzeugbau-Betrieb Alf und hat „den Azubi-Platz für dieses Jahr nur durch Beziehungen besetzen können“. Bewerbungen seien keine eingegangen. „Früher hatte ich 20 Bewerbungen um einen Ausbildungsplatz“, ergänzt MIT-Vizevorsitzender Ulf Klaverkamp, „in diesem Jahr keine“. Offenbar sei das Fliesenleger-Handwerk, für das er steht, ebenso uninteressant für junge Menschen wie andere Handwerksberufe.

Noch liegen keine genauen Zahlen vor („Die erheben wir gerade“, sagt Leisentritt), aber „ich kenne aktuell fünf Werner Handwerksbetriebe, die insgesamt acht Lehrlinge suchen“, sagt die Vorsitzende.

Auszubildende sind teils zu unzuverlässig

Zum Teil seien das Stellen, die bereits besetzt waren, aber der Jung-Azubi warf nach einer Woche die Brocken hin. Mangelnde Zuverlässigkeit bescheinigt Klaverkamp etlichen Anwärtern: „Uns Betriebe kostet die Ausbildung viel Geld, im Fliesenleger-Handwerk etwa 30.000 Euro über die drei Jahre.“ Wenn die Lehrlinge dann unzuverlässig oder häufig krank seien, hätten viele Betriebe ein Problem.

Woher stammt die Ausbildungs-Unwilligkeit? Uta Leisentritt macht das Thema „Verschulung“ dafür verantwortlich. Wer nach zehn Schuljahren etwa die Sekundarschule verlasse, der schließe oft eine weitere schulische Ausbildung an, statt sich eine Lehrstelle zu suchen. Leistentritt: „Der normale Schulabschluss nach der 10. Klasse ist in Deutschland nichts mehr wert. Ich halte das für einen fatalen Fehler.“

Sie möchte die jungen Leute, aber auch die Betriebe wieder stärker für das Thema Ausbildung begeistern. „Sonst bekommen wir ganz schnell ein Überalterungs-Problem.“ Den Unternehmen legt sie ans Herz, auch Anwärtern mit vielleicht nicht so guten Schulnoten eine Chance zu geben. „Ob ein angehender Industriemechaniker eine Fünf in Kunst oder Englisch hat, interessiert mich nicht“, sagt Leisentritt pragmatisch, „Hauptsache, er kann mit Hammer und Schraubenzieher umgehen“.

Kommentar

Redaktionsleiter Jörg Heckenkamp nimmt Stellung zum Thema

"Eltern wollen meist das Beste für ihre Kinder. Heutzutage heißt das: eine möglichst weit führende schulische Bildung. Wer sich dem Ende der staatlich geforderten zehnjährigen Schulzeit nähert, verschwendet nur noch selten einen Gedanken an eine Lehrstelle. Das bekommen die Werner Betriebe mehr und mehr zu spüren. Wenn Uta Leisentritt ihre Initiative für mehr Ausbildung auch nicht als Hilferuf verstanden wissen will, so ist es zumindest ein lauter Weckruf.

Ich meine, sie hat recht. Denn nicht jeder Junge oder jedes Mädchen ist für Fachabitur oder ähnliche Abschlüsse geeignet. Oft ist es für handwerklich geschickte junge Leute eine Qual, weiter über den Schulaufgaben zu brüten. Warum nicht eine Ausbildung im Handwerk? Und sollte sich herausstellen, dass in dem angehenden Gesellen doch mehr Potenzial schlummert, stehen auch nach einer Ausbildung zahlreiche Wege der Weiterbildung offen."