Eine Mutter erhebt im Kampf um das Wohl ihrer Tochter neue schwere Vorwürfe gegenüber dem Jugendamt in Werne. Sie spricht von willkürlichen Entscheidungen gegen sie.

© Andrea Wellerdiek

Vorwurf der Willkür: „Egal, wer das Sorgerecht erhält, nur nicht die Mutter“

rnKindeswohlgefährdung in Werne

Ein Jahr nach der Inobhutnahme der Tochter aus dem Haushalt des Vaters in Werne geht der Streit ums Sorgerecht weiter. Die Behörden widersprechen sich weiter in ihren Aussagen, moniert die Mutter. Sie wirft ihnen Willkür vor.

von Andrea Wellerdiek

Werne

, 15.02.2022, 05:15 Uhr / Lesedauer: 3 min

Mehr als ein Jahr ist es nun her, dass ihre Tochter aus dem Haushalt des Vaters in Werne in Obhut genommen wurde. Monate später, nachdem die Mutter, Nachbarn, Ärzte und Lehrer das Wohl des Kindes gefährdet sahen und es entsprechende Hinweise an das Jugendamt der Stadt Werne gab. Die Tochter Julia (Name von der Redaktion geändert) ist seitdem zwar in einer therapeutischen Einrichtung untergebracht. Die Mutter macht sich dennoch große Sorgen um die 14-Jährige und kämpft weiter um das alleinige Sorgerecht.

Neue Hoffnung schöpft sie nun durch einen Bericht der Verfahrensbeiständin. Sie hat sich für die Mutter Lisa (Name von der Redaktion geändert) ausgesprochen. Nun hofft Lisa, dass das Verfahren endlich ein Ende findet. Sie kritisiert, dass die Behörden die eigenen Aussagen abermals konterkarieren.

Neue Pflegerin würde Kindeswohlgefährdung bedeuten

Die Forderung der Mutter, die Ergänzungspflegschaft des Jugendamtes zu ersetzen, lehnte der Richter am Amtsgericht Lünen im Herbst 2021 ab, wie aus dem Beschluss hervorgeht. Die Begründung: „Jede andere Person stünde ohne Vertrauensverhältnis des bereits jetzt verschlossenen Kindes gegenüber. Das erschiene als kindeswohlgefährdend.“

Die Pflegerin hätte als Einzige ein Vertrauensverhältnis zu dem Mädchen aufgebaut. Um das Kindeswohl nicht zu gefährden, wäre die einzige Lösung, an der Ergänzungspflegschaft festzuhalten. „Die Sicherung dieses gewissen Vertrauensverhältnisses überwiegt das Interesse der Mutter“, heißt es in dem Beschluss, der der Redaktion vorliegt.

Jetzt lesen

Dass es kurz darauf eine plötzliche Wende gab, ärgert die Mutter. Denn das Jugendamt kündigte im November 2021 an, die Betreuung auf eine ortsansässige Ergänzungspflegschaft zu übertragen. Das geht aus einem Schreiben hervor, das der Redaktion vorliegt. „Das entspricht somit exakt dem, was vor kurzem als kindeswohlgefährdend prognostiziert worden ist. Meine Tochter wird also erneut einer Gefährdung für ihr Wohlergehen ausgesetzt“, erklärt Lisa in ihrer Stellungnahme an das zuständige Oberlandesgericht Hamm, das der Redaktion vorliegt.

Der Grund für den personellen Wechsel: Die Pflegschaft, die bisher zuständig war und laut Beschluss des OLG als einzige Person Zugang und Vertrauen zu dem Mädchen aufgebaut hatte, wechselte zu Jahresbeginn die Abteilung in der Stadtverwaltung Werne.

„Der Ergänzungspflegschaft ist vier Wochen nach der Übertragung der Sorge auf sie eingefallen, dass sie die Abteilung wechselt - wohlwissend, dass sie die Einzige ist, und das hat sie exakt dem Gericht so mitgeteilt, die eine Vertrauensbasis zu meiner Tochter hat aufbauen können. [...]. Somit hat sie grob fahrlässig eine Ergänzungspflegschaft angetreten, obwohl das Gericht bei einem erneuten Wechsel der Pflegschaft eine Kindeswohlgefährdung attestiert hatte“, erklärt Lisa weiter. Das Jugendamt der Stadt Werne äußert sich auf Anfrage der Redaktion nicht zu den Vorwürfen.

Jetzt lesen

Für die Mutter werde erneut ein Bild von „Willkür und Voreingenommenheit“ ihr gegenüber erkennbar nach dem Motto: ‚Egal, wer das Sorgerecht erhält, nur nicht die eigene Mutter‘. „Ich bin die Einzige, die sich überhaupt für das Wohl dieses Kindes interessiert“, sagt Lisa. Deshalb will sie das alleinige Sorgerecht für ihre Tochter.

Verfahrensbeiständin spricht sich für Mutter aus

Einen Zuspruch dafür bekam sie nun durch die Verfahrensbeiständin. Die Anwältin des Kindes hat sich für die Mutter ausgesprochen. Das geht aus einem Schreiben an das OLG Hamm hervor, das der Redaktion vorliegt. Sie bestätigt das, was Lisa immer wieder betont hatte: dass die Tochter kompromisslos an dem Willen, zu ihrem Vater zurückkehren zu können, festhält.

„Die Wahrnehmung liegt neben der Realität“, beschreibt die Verfahrensbeiständin. Das Mädchen sei so auf den Vater eingeschworen, dass für sie nichts anderes als seine Vorstellungen zählt. Für andere Argumente, geschweige denn andere Menschen, sei sie nicht erreichbar, führt sie aus. „Diesen Willen halte ich für selbstschädigend“, erklärt sie.

Sie hielt es zudem nicht als zielführend an, die Kindesmutter in der Sorgerechtsfrage weiter zu übergehen und ihr damit zumindest die derzeit fernliegende Möglichkeit, das Mädchen aus ihrer Starre zu befreien, vorzuenthalten. Ob dieser Zuspruch die Sorgerechtsentscheidung zugunsten der Mutter dreht, ist ungewiss. Die nächste Gerichtsverhandlung ist für Mai terminiert.

Jetzt lesen
Jetzt lesen