
© Förderverein Stadtmuseum
Ein technisches Wunderwerk: Mühle an der Lippe erstrahlte einst in „unerschrockener Stärke“
Video-Kolumne Heidewitzka
Manche kennen sie noch als „Moormann-Mühle“, andere unter dem Namen „Gedemberg-Mühle“. So oder so steht fest: Das einstige Werner Wasserbauwerk war bedeutsam. Warum, erklären wir in unserer Video-Kolumne.
Das Modell der Gedemberg-Mühle in der Größe von 2 mal 1,70 Meter, das bis vor kurzem im Erdgeschoss des Werner Stadtmuseums stand und jetzt in der Ausstellung „Wir Kapitalisten – Von Anfang bis Turbo“ in der Bundeskunsthalle in Bonn zu sehen ist, wenn diese im April hoffentlich wieder öffnet, ist das letzte Überbleibsel von der Original-Lippemühle.
Diese alte Getreidemühle wurde 1690 – so lautet die Zahl am Giebel der Mühle – errichtet, wahrscheinlich am selben Ort, wo eine ältere Vorgängermühle stand, die sich seit 1177 im Besitz des Prämonstratenserklosters in Cappenberg befand, da dieser Orden auch die Mühlengerechtigkeit und Mahlberechtigung vom Bischof von Münster verliehen bekommen hatte.
1691 wurde die Mühle um das Wohnteil für den Müller erweitert. Das ehemals hölzerne Wehr, die sogenannte Schlacht, wurde 1710 durch ein steinernes ersetzt, wie es auf der lateinischen Inschriftentafel an der ehemaligen Abstützungsmauer des Mühlengrabens in übersetzter Form heißt: „Nun wird der große hölzerne Hauf übergeben dem Feuer, denn die tosenden Wasser zu hemmen vermag er nicht. Nachfolgen soll ein Mauerwerk von unerschrockenen Stärke, das deine Drohungen spielend, du kluge Lippe, besiegt“.
Die technikgeschichtliche Besonderheit der eingeschossigen Gedemberg-Mühle besteht vor allem in der Bauweise des Hebemechanismus‘, denn diese Bauart gilt als eine spezielle lokale technische Sonderlösung, deren erste Konstrukteure bisher nicht ermittelt werden konnten.

So sah der Müller im Inneren der Mühle aus. © Förderverein Stadtmuseum
Das Konstruktionsprinzip ist simpel: Um die Höhe des Wasserrades an den stets wechselnden Pegel des Treibwassers anzupassen, wird jeweils eine vollständige Kornmühle zu der Senkrechten aufgezogen beziehungsweise herabgelassen. Es liegt dabei der Gedanke zugrunde wie bei einer Bockwindmühle, denn zur Ausrichtung nach dem Wind wird auch dabei die vollständige Mühle bewegt.
Nach der Säkularisation und der damit verbundenen Auflösung des Prämonstra-tenser-Ordens im Jahre 1803 ging die Lippe-Mühle zunächst in preußischen Besitz über und kam dann nach mehreren Besitzerwechseln 1890 an die Familie Moormann in Werne, die sie zunächst weiterhin als Getreidemühle betrieb, weshalb sie in Werne oft auch als „Moormann-Mühle“ betitelt wurde.
Nach der Abteufung der Schächte I und II der Zeche Werne im Jahre 1899, die unweit der Lippe und damit auch der Gedemberg-Mühle lagen, war es nur eine Frage der Zeit, wann diese Mühle dem Bergbau und seinen speziellen Bedürfnis-sen weichen musste. Im Jahre 1922 übernahmen die Klöckner-Werke AG die gesamte Zechenanlage in Werne und auch das Gelände an der Lippe. 1932 wurde der Betrieb der Mühle eingestellt – doch wenig später, 1938, war sie noch so bekannt, dass diese von den Studenten der Staatsbauschule in Essen aufgemessen, gezeichnet und fotografiert wurde. Das besagte Modell entstand nach diesen Plänen der Essener Studenten.

Ein Modell der Mühle stand noch bis vor kurzem im Werner Stadtmuseum. © Förderverein Stadtmuseum
Wie Zeitzeugen berichten, soll die Mühle noch zum Ende des zweiten Weltkrieges an der Lippe gestanden haben und erst 1946/47 wurde sie für die Kohlehalden der Zeche Werne abgerissen. Schon 1943 hatte Wilhelm Claas, der geistige Vater des ersten großen Freilichtmuseums technischer Kulturdenkmale in Hagen, in den 40er Jahren des vergangenen Jahrhunderts, vorgeschlagen, diese besondere Mühle fachgerecht abzutragen und in Hagen wieder aufzubauen.
Leider kam es in den Wirren der Nachkriegszeit nicht mehr dazu und so sind das Modell, die Fotos und Pläne die einzigen Überbleibsel dieses kleinen technischen Wunderwerkes.