
© Jörg Heckenkamp
Im Fluss ertrunken: So konnte die Lippe vor vielen Jahren zur Todesfalle werden
Video-Kolumne Heidewitzka
Schwimmen ist in der Lippe nicht empfehlenswert. Doch das war nicht der Grund, warum der Fluss früher zur Todesfalle werden konnte. Vor allem Frauen wurden hier auf eine harte „Probe“ gestellt.
An mancher Stelle ist es an der Lippe so idyllisch, dass man an einem lauen Sommertag fast schon in Versuchung gerät, hineinzuspringen. Dann überlegt man kurz und kommt im Idealfall zu dem Schluss, dass das vielleicht doch keine so gute Idee ist. Ist schließlich nicht ohne Grund verboten.
Ein solches Verbot gibt es im 16. Jahrhundert noch nicht. Doch das ist nicht ausschlaggebend dafür, dass zu dieser Zeit viele Menschen – vor allem Frauen – den Tod in den Gewässern im Ruhr-Lippe-Raum finden. Die Nachbarn der Opfer tragen dabei häufig eine Mitschuld. Schließlich haben sie angeklagt. Der Vorwurf: „Meine Nachbarin ist eine Hexe!“
Mit solchen Aussagen ist zu dieser Zeit nicht zu spaßen. Denn die Hexenverfolgung läuft sozusagen gerade auf Hochtouren. Und wer erst einmal einen solchen Ruf weg hat, der kommt so schnell nicht mehr aus der Nummer raus.
Sofern man im Verhör nicht schon geständig ist – freilich unabhängig davon, ob die Anschuldigung den Tatsachen entspricht oder nicht –, folgt die Folter. Und wer dann immer noch auf seiner Unschuld beharrt, der wird auf eine harte „Probe“ gestellt: die Wasserprobe, zu der nicht nur Frauen, sondern gelegentlich auch Männer gebeten werden.
Viele Schaulustige sind dabei
Das läuft dann folgendermaßen ab: Eine größere Menschenmenge mit vielen Schaulustigen zieht mit der beschuldigten Person, dem Scharfrichter und einem Geistlichen zum nächstbesten Gewässer, zum Beispiel zur Lippe.
Und während der Priester dann das Wasser weiht, fesselt der engagierte Scharfrichter schon mal die inzwischen entkleidete Delinquentin. An Händen und Füßen. Zu guter Letzt noch ein langes Seil, damit man die gute Frau nach der Prüfung auch wieder aus dem Gewässer hinausziehen kann.

So wurden die Beschuldigten bei der Wasserprobe gefesselt. © Bildarchiv Preußischer Kulturbesitz
Egal ob sie die Prüfung „besteht“ oder nicht, die Aussichten der jungen Frau sind finster. Denn treibt sie – aus welchen Gründen auch immer – tatsächlich auf der Wasseroberfläche, so ist die logische Schlussfolgerung ganz klar: Hexe!
Also ab auf den Scheiterhaufen. In Werne, wo es durchaus zu solchen Verurteilungen kam, befindet sich die nächste Hinrichtungsstätte direkt am Bonentor. Quasi ein Katzensprung entfernt von der Lippe, die zu dieser Zeit wahrscheinlich noch etwas anders in der Landschaft verlief, nämlich noch näher an der Lippestadt vorbei.
Ziemlich schlechte Aussichten
Doch auch das alternative Prüfungsergebnis ist nicht gerade berauschend. Geht die Delinquentin unter, dann ist sie konsequenterweise unschuldig und der Scharfrichter zieht sie wieder aus dem Wasser raus. Das lange Seil macht‘s möglich. Dummerweise ist die Frau in solchen Fällen allerdings meist schon ertrunken. Und die Wiederbelebungsmaßnahmen sind zu dieser Zeit nicht besonders ausgereift.
Ein schwacher Trost: Weil sie unschuldig ist, erhält sie immerhin ein christliches Begräbnis und ihre Seele kann den Himmel emporsteigen. Erst Anfang des 18. Jahrhunderts sieht man auch in der Ruhr-Lippe-Region ein, dass ein solches Verfahren vielleicht doch nicht der ideale Weg zur Wahrheitsfindung ist. Als dieses dunkle Kapitel der Kriminalistik endet, ist es für viele Frauen und Männer jedoch schon zu spät.
Geboren 1984 in Dortmund, studierte Soziologie und Germanistik in Bochum und ist seit 2018 Redakteur bei Lensing Media.
