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Testpflicht für Eltern in Praxis: Kinderärzte drohten mit Schließung, ehe Land NRW reagiert
Kinderärzte im Kreis Unna
Die Kinderärzte im Kreis Unna sind entsetzt nach der eingeführten Testpflicht für Eltern, die ihre Kinder begleiten. Einige ignorieren die Regelung bewusst. Nun hat das Land NRW auf die Kritik reagiert.
Die Kinder- und Jugendärzte im Kreis Unna sind verärgert und stecken in einem Dilemma: Entweder sie ignorieren das neue Gesetz oder stellen ihre Versorgung kranker Kinder ein. Sie fordern, dass das seit Mittwoch (24. November) geltende Infektionsschutzgesetz angepasst wird. Denn dieses sieht vor, dass Eltern, die ihre Kinder in die Arztpraxis begleiten, einen negativen Test vorweisen müssen - auch wenn sie geimpft oder genesen sind. Mittlerweile aber hat das Gesundheitsministerium des Landes NRW reagiert.
Wie die Kassenärztliche Vereinigung Westfalen-Lippe (KVWL) am Donnerstag (25. November) mitteilt, hat das Gesundheitsministerium des Landes NRW nun erklärt, dass es sich bei Begleitpersonen von Patienten zum Beispiel in Kinderarztpraxen oder von unterstützungsbedürftigen Patienten nicht um Besucher im Sinne der neuen Gesetzesregelung handelt. „Erforderliche Begleitpersonen wie zum Beispiel Eltern oder Betreuer sind vielmehr den behandelten und betreuten Personen im Sinne der Gesetzesregelung gleichzusetzen. Für sie gelten daher die gleichen Test- und Hygieneanforderungen wie für Patienten“, heißt es weiter in der Mitteilung.
Reaktion des Landes wird für Erleichterung sorgen
Das hat bei den niedergelassenen Kinderärzten am Donnerstagmorgen für Erleichterung gesorgt. Das neue Infektionsschutzgesetz hatte zuvor Irritationen, harte Kritik und sogar zu der Ankündigung von Praxis-Schließungen ausgelöst. Einige Ärzte waren sogar in dem Glauben, sie würden sich gegen ein Gesetz widersetzen, wie Dr. Christiane Ruppert, Kinder- und Jugendärztin aus Lünen, am Mittwoch noch erklärte. „Entweder halten wir uns nicht daran oder wir können nicht arbeiten. Wir haben ganz klar einen Versorgungsauftrag für kranke Kinder. Deshalb gibt es auch einige, die sich widersetzen“, berichtet die 48-Jährige von ihren Gesprächen mit Kolleginnen und Kollegen.
Die Ärzte befinden sich in einem schwierigen Zwiespalt. „Keiner weiß, wie man das Wohl der Kinder und des Gesetzes aufrecht erhalten soll“, berichtet Ruppert, die Obfrau des Kreises Unna und im Landesvorstand des Berufsverbandes für Kinder- und Jugendärzte in Westfalen-Lippe ist.
Ärzte aus Werne kündigen weitere Versorgung an
Auch die Kinderärzte aus Werne, Dr. Michael Gilbert und Jasmin Lidgett kündigten an, dass sie die Versorgung von kranken Kindern weiter aufrecht halten. „Selbstverständlich werde ich kein krankes Kind abweisen, weil die Begleitperson keinen aktuellen Test hat“, sagt Gilbert.
Dr. Ruppert und die gesamte Ärzteschaft hoffen deshalb, dass die Politik einlenkt und das neue Infektionsschutzgesetz schnell wieder ändert. Derzeit liefen zwischen den Berufsverbänden der Kinder- und Jugendärzte, der Kassenärztlichen Vereinigungen und der Politik Gespräche zu einer Anpassung des Gesetzes, sagte Ruppert am Mittwoch. Es gibt nur zwei Möglichkeiten, so Ruppert. „Entweder es gibt eine praktikable Lösung bis spätestens Ende der Woche oder es gibt Schließungen. Es muss geändert werden. Anders geht es nicht.“
Auch im Kreis Unna hätten einige Ärzte angedroht, ihre Praxen zu schließen, sollte die Politik nicht einlenken. Nun aber hat das Land NRW reagiert und erklärt, dass Eltern als „erforderliche Begleitperson“ keinen Test benötigen. Die Testpflicht zu überprüfen und zu dokumentieren, sei ein viel zu großer Aufwand für die Praxen gewesen.
Dass die Mitarbeiter in den Praxen Tests der Eltern nun überprüfen und dokumentieren oder vor Ort selbst sogar anbieten, sei definitiv nicht umsetzbar, erklärte Ruppert zuvor. „Das ist ein riesiger Aufwand. Wir hätten dann weniger Zeit, um die Kinder zu untersuchen. Aufgrund der Infektwelle gibt es jetzt schon ein großes Aufkommen in den Praxen.“
Und das passiert zu 100 Prozent in Begleitung der Eltern. Kein Kind geht allein zum Arzt. „Deshalb sollten die Begleitpersonen für Kinder oder Demenzkranke oder Schwerstbehinderte von der Testpflicht befreit werden“, forderte Ruppert. Dieser Forderung kam das Land NRW nun nach.

Kinderärztin Dr. Christiane Ruppert aus Lünen fordert eine Anpassung des neuen Infektionsschutzgesetzes. „Anders geht es nicht“, sagt die 48-Jährige. © Privat
Gerade in den Kinderarztpraxen sei die Betreuung der Eltern unumgänglich. „Wenn ein vier Wochen alter Säugling röchelt und schwer atmet bei einer Infektion, dann müssen die Eltern genau beschreiben können, wie lange das schon so geht. Sie müssen den Kindern Geborgenheit geben. Die Eltern können sie schlecht an der Tür der Praxis abgeben und draußen warten.“
Neben der Neuregelung an sich seien die Ärzte auch über die Kommunikation der Bundesregierung entsetzt. „Wir waren überhaupt nicht darauf vorbereitet. Alle Ärzte wurden auf dem völlig falschen Fuß erwischt und damit überrollt. Das ist eine Schwachsinns-Regelung. Die Politik hat mal wieder etwas entschieden, ohne dass überlegt wurde, wie es in der Breite umgesetzt werden kann“, schimpft die Medizinerin. Mit Corona, den Impfungen und der Infektwelle seien die Arztpraxen bereits am Rande der Kapazitäten.
Auch die beiden Berufsverbände der Kinder- und Jugendärzte Landesverband Nordrhein und Westfalen-Lippe machten in einer Mitteilung deutlich: „Wir Ärztinnen und Ärzte können nicht einfach immer weiter die Defizite der Politik ausgleichen. Erfolgt bis Ende der Woche keine rechtssichere, praxistaugliche und kostenneutrale Korrektur, sollten alle Praxen ganz konkret die Schließung einplanen. Uns und unseren Kolleginnen und Kollegen reicht es!“