
© picture alliance / dpa
Gefährliche Fälle von RS-Virus in Werne: Kleinkinder müssen beatmet werden
Atemwegserkrankung bei Kindern
Kinderkliniken in NRW sind stark ausgelastet. Das liegt an dem RS-Virus, das für Säuglinge tödlich sein kann. Auch in Werne gibt es viele Fälle der Atemwegserkrankung. Einige Kinder kamen auf Intensivstationen.
Früher und heftiger: Das, was deutschlandweit Eltern Sorgen bereitet, ist auch in den Werner Kinderarzt-Praxen spürbar. Immer mehr Patienten erkranken an RS-Viren. Die sogenannten Respiratorischen Synzytial-Virus-Infektionen (RSV) können insbesondere bei Kleinkindern und Säuglingen gefährlich werden. Viel früher als üblich hat Dr. Michael Gilbert bereits ein RS-Virus bei den kleinen Patienten in seiner Praxis in Werne diagnostiziert.
Normalerweise würden sich die Fälle dieser Atemwegserkrankung erst im Frühjahr häufen. In diesem Jahr aber habe er bereits nach den Sommerferien vermehrt Erkrankungen mit RSV festgestellt. „Häufig sind ganz kleine Kinder davon betroffen“, berichtet Gilbert. Und dann teils sehr schwer.
Einige Kinder aus Werne auf Intensivstationen
So mussten einige Kleinkinder im September und Oktober sogar auf Intensivstationen in Krankenhäusern behandelt werden. Drei kleine Patienten mussten dort sogar künstlich beatmet werden, erzählt Gilbert. Eine besorgniserregende Entwicklung, die Gilbert nach eigenen Angaben in den vergangenen Jahren in dieser Intensität nicht erlebt habe.
Der Werner Kinderarzt teilt die Meinung vieler Experten, die davon ausgehen, dass das Corona-Virus bei der Häufung der RSV-Erkrankungen eine gewichtige Rolle spielt. Während es im vergangenen Winter deutlich weniger Infektionen mit dem RS-Virus gab aufgrund des Lockdowns und geschlossener Schulen und Kitas sowie Aktivitäten im Sportverein, stellt sich die Situation nun anders dar.
Im Prinzip kämen zwei Kindergarten-Jahrgänge nun zusammen in die Kita. Diejenigen, die im vergangenen Jahr in die Einrichtung kommen sollten, folgten nun mit dem aktuell neuen Jahrgang. „Das ist mit der Grund, wieso die Erkältungswelle mit aller Macht auf die Praxen eingebrochen ist“, sagt Gilbert. Die Kinder seien deutlich empfänglicher für Infektionen.
Insgesamt behandelt er in seiner Praxis die Patienten derzeit zu 90 Prozent wegen viraler Infekte. Das RS-Virus macht laut Gilbert den Großteil aller Erkältungsviren aus. Während bei Erwachsenen das oft nur einen Schnupfen bedeuten würde, könnten Kleinkinder und Säuglinge stärker betroffen sein. Bei den Symptomen sollten Eltern vor allem auf die Atmung des Nachwuchses achten.
„Die Kinder atmen dann schneller und lauter. Sie pfeifen dabei wie man es bei Asthmatikern kennt. Das Wichtigste Alarmsignal ist aber, wenn sie nicht mehr trinken. Wenn Kinder unter drei Monaten nicht mehr aus der Flasche trinken oder keine Kraft mehr aufbauen, an der Brust der Mutter zu trinken, weil sie nicht gleichzeitig atmen und trinken können, dann sollte man das auf jeden Fall untersuchen lassen“, appelliert der Kinderarzt.
Die Kinder, die am RS-Virus erkrankt sind, hätten vor allem bei der Atmung Probleme. Dieses Anzeichen sei wichtiger als Fieber, so Gilbert weiter. Das RS-Virus, das laut des Werner Kinderarztes die Kinder unter einem Jahr besonders schwer treffen kann, könne in den meisten Fällen medikamentös behandelt werden. Die Mädchen und Jungen, die in ein Krankenhaus gebracht werden müssten, müssten zusätzlich mit Sauerstoff versorgt werden. „Ganz schlimm ist es aber, wenn sie sogar eine Atemunterstützung bekommen müssen“, sagt Gilbert. Die drei Kleinkinder, die er zunächst in seiner Werner Praxis behandelt und dann an Krankenhäuser überweisen musste, seien mittlerweile wieder zu Hause.
Ähnliche Erfahrung in Praxis Lidgett
Auch in der Praxis von Kinder- und Jugendärztin Jasmin Lidgett gibt es Kinder, die aus der Klinik nachversorgt oder in ein Krankenhaus überwiesen wurden. Lidgett kann ebenso die Entwicklung bestätigen, dass sie in diesem Jahr häufiger Patienten mit einer RS-Virusinfektion behandeln musste. Außerdem ist erkennbar, dass die Erkrankungen deutlich früher als in den Vorjahren verzeichnet wurden.
Dabei geht es aber nicht nur um das RS-Virus. „Wir haben Erkältungsinfekte aller Formen zu verzeichnen. Wir haben schon jetzt sehr viel zu tun“, sagt Lidgett. Die ersten RS-Virusinfektionen wurden schon im Oktober und nicht wie in der Vergangenheit im Dezember oder Januar in der Praxis diagnostiziert. Dabei zeigt sich auch, dass insbesondere sehr junge Kinder unter einem Jahr verstärkt betroffen sind. Sie hätten eine sehr ausgeprägte Symptomatik und häufig eine Bronchitis mit verengten Atemwegen, berichtet Lidgett weiter.
Im vergangenen Jahr, so fügt die Ärztin an, seien Erkrankungen mit dem RS-Virus die Ausnahme gewesen. Experten sagen, dass das Immunsystem zu der Zeit durch den corona-bedingten Lockdown pausiert habe. Nun sind die Kinder aber wieder empfänglicher für derartige Erkrankungen.