Schausteller Willy Ordelman steht vor seinem Fahrgeschäft "Airborne".

Willy Ordelman ist der Schausteller, der dieses Jahr das wohl größte Fahrgeschäft auf Sim-Jü betreibt: "Airborne". © Verena Schafflick

Sim-Jü 2022: „Airborne“ überragt die Kirmes – und kann Fahrgäste an ihre Grenzen treiben

rnKirmes in Werne

Für Willy Ordelman und sein Fahrgeschäft „Airborne“ ist es eine Sim-Jü-Premiere. Erstmals steht die 65 Meter hohe Attraktion auf dem Parkplatz am Hagen in Werne. Wir haben den Aufbau begleitet.

Werne

, 20.10.2022, 18:30 Uhr / Lesedauer: 4 min

Es ist kein Job für schwache Nerven. Knapp 20 Meter über dem Boden stehen sie nur auf einer Plattform aus Stahl, die an Seilen hängt und beim Hoch- und Runterfahren wie ein Schiff in Seenot schwankt. Doch Willy Ordelman und sein Mitarbeiter gehen seelenruhig ihrer Arbeit nach. Dort, hoch oben über dem Parkplatz Am Hagen. Sie haben an diesem Mittwochnachmittag die wohl beste Aussicht über das geschäftige Treiben auf dem Kirmesgelände.

Denn Ordelman und seine vier Mitarbeiter sind nicht die Einzigen, die mit dem Aufbau ihres Fahrgeschäftes beschäftigt sind. Im Gegenteil. Es sind noch knappe drei Tage, dann leuchtet wieder alles in bunten Farben, der Geruch von Kirmes liegt dann wieder in der Luft und läutet in Werne die Sim-Jü-Kirmes ein. Quasi die fünfte Jahreszeit der Werner.

65 Meter ragt "Airborne" in die Höhe. Geschwindigkeiten von bis zu 120 Kilometer pro Stunde kann das Fahrgeschäft aufnehmen - damit gehört es europaweit zu den schnellsten.

65 Meter ragt "Airborne" in die Höhe. Geschwindigkeiten von bis zu 120 Kilometer pro Stunde kann das Fahrgeschäft aufnehmen - damit gehört es europaweit zu den schnellsten. © Verena Schafflick

Doch bislang sieht hier noch nichts nach ausgelassener Feststimmung aus. Wo man hinschaut, wird geschraubt, geschrubbt, gearbeitet. Man hört das Ratschen der Schraubendreher. Lkw ziehen Kirmesbuden an ihren finalen Standort. Minutenlang kämpft sich ein Brummi mit den engen, zugeparkten Wegen auf dem Parkplatz ab: vor, zurück, vor, zurück. Zwei Menschen weisen den Fahrer mit Handzeichen ein, Millimeterarbeit.

Aufbau dauert insgesamt 15 Stunden

Die betreiben auch der Niederländer Willy Ordelman und seine Kollegen. Dienstag sind sie mit vier Lkw mit dem Fahrgeschäft „Airborne“ angereist. Für Willy Ordelmann und „Airborne“ ist es eine Premiere auf der Kirmes in Werne.

Dass „Airborne“ dieses Jahr Premiere feiert auf dem Volksfest liegt auch daran, dass das Fahrgeschäft noch relativ neu ist. Erst 2020 wurde es in Betrieb genommen. Bemerkbar macht sich dies beim Aufbau: Gerade mal fünf Leute werden benötigt, um die 65 Meter hohe Attraktion aufzubauen. „Airborne“ wird eigentlich nur aufgeklappt und zusammengebaut. Die schweren Teile werden über einen Seilzug in Position gehoben und dann verschraubt. 15 Stunden dauert der Aufbau über drei Tage.

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Innerhalb von zwölf Stunden ist das Fahrgeschäft dann wieder abgebaut. Dass alles so schnell geht, liegt laut Ordelman eben an der Neuheit der Attraktion. „Es ist extra so gebaut, dass man es mit wenig Personen auf- und abbauen kann“, so der Schausteller. Dies sei die neue Generation von Fahrgeschäften. Wo andere Schausteller verzweifelt Mitarbeiter und Helfer suchen, kann Ordelman auf die immer gleichen vier Mitarbeiter setzen.

Bei „Jupp“ geht die Treue zum Chef auch unter die Haut. Groß und bunt steht der Name des Fahrgeschäfts „Airborne“ auf seinem rechten Unterarm. Es ist eins von insgesamt sechs Tattoos. Jedes Fahrgeschäft von Willy Ordelman habe er sich auf Brust, Nacken und Bauch tatöwieren lassen. Liebe, die unter die Haut geht.

"Jupp" zeigt seinen tätowierten Arm.

"Jupp" hat sechs Tattoos, von jedem Fahrgeschäft eins. Auch "Airborne" wurde verewigt, auf seinem Unterarm. © Verena Schafflick

Am Mittwochnachmittag muss noch das letzte von vier Teilen am 65 Meter langen Arm des Fahrgeschäfts angebracht werden. Dafür muss „Airborne“ einmal in Betrieb genommen werden. Um Geschwindigkeit aufzunehmen und sich um 180 Grad zu drehen, schaukelt der Arm erst mal hin und her. Schon wenn man daneben steht, merkt man die Geschwindigkeit, die hier von Samstag bis Dienstag aufgenommen wird. Pfeifend durchschneidet das Fahrgeschäft die Luft. Die Druckwelle davon ist spürbar. Das ist nichts für schwache Nerven. Und wahrscheinlich auch nichts für schwache Mägen.

g-Kraft kann zu Bewusstlosigkeit führen

Höchstgeschwindigkeiten von 120 Kilometer pro Stunde werden erreicht. Zeitweise würden 5g auf den Körper einwirken, sagt Willy Ordelman. g-Werte zwischen fünf und sechs können zur Bewusstlosigkeit führen. 32 Menschen finden in den zwei Gondeln am jeweiligen Arm-Ende Platz. Die Gondeln drehen sich ebenfalls, am höchsten Punkt, in 65 Metern, kommt es zum Überschlag.

Soweit ist es jetzt noch nicht. Am Mittwoch stoppt das Geschäft am besagten höchsten Punkt. Während Willy Ordelman und ein Kollege wieder mit der Plattform auf rund 20 Meter Höhe zum Verschrauben des vierten Arm-Teils fahren, bleiben Jupp und seine beiden anderen Kollegen unten. Von hier wird einerseits der Seilzug gesteuert. Andererseits sind die drei nicht nur Bauarbeiter, sondern auch Putzpersonal. Bevor die nächsten 15 Meter an den Arm angebracht werden, schrubben die drei das Teil noch.

Auf dieser Plattform verschrauben Willy Ordelman und ein Kollege den Arm des Fahrgeschäfts.

Auf dieser Plattform verschrauben Willy Ordelman und ein Kollege den Arm des Fahrgeschäfts. © Verena Schafflick

Rund 45 Minuten dauert das Anbringen des Teils. Dann fährt die Plattform wieder runter. Es ist inzwischen 17.30 Uhr. Doch Schluss ist bei „Airborne“ noch nicht. Die Gondeln kommen noch dran. Auch die Teile sind auf Schienen und werden mit Muskelkraft in Position gerückt. Dann kommt wieder die Seilhebe zum Einsatz. Inzwischen hat sich ein kleiner Pulk von überwiegend jugendlichen Jungen am Fahrgeschäft versammelt. Sie sind die Coolen, die Mutigen. Die, die auf jeden Fall hier mitfahren wollen.

Eintritt kostet in Werne acht Euro

Dafür müssen sie dann einiges latzen. Acht Euro wird der Eintritt kosten, sagt Willy Ordelman. Dass liege nicht einfach nur an der Größe der Attraktion, sondern auch an den gestiegenen Energiekosten, rechtfertigt er den Preis. „Wenn ich nur vier Tage irgendwo stehe, geht das nicht anders“, sagt der Niederländer. Am Dienstag seien er und seine Kollegen mit vier Lkw die 240 Kilometer nach Werne gefahren. Bei den momentanen Spritpreisen mache sich das bemerkbar.

Anders wird das in knapp zwei Wochen sein. Dann fahren sie hoch nach London. Im weltbekannten Hyde Park findet das Winter-Festival „Winter Wonderland“ statt. Acht Wochen stehen sie dann da. Umgerechnet sieben Euro kostet dort der Eintritt.

Doch jetzt ist erst mal Sim-Jü und das bedeutet nicht London, sondern Werne. Am Mittwoch ist der grobe Aufbau geschafft. Am Donnerstag wird noch geputzt, dann folgt die Abnahme durch den TÜV Nord. Willy Ordelman macht jedes Mal eine Probefahrt vor Ort mit. „Dann merke ich, ob alles glatt läuft oder ob irgendwas ruckelt.“ Was für andere Nervenkitzel pur ist, ist für den Niederländer sein Job. Aufregung ist da keine mehr.

Aber eine gewisse Liebe für das Extreme scheinbar schon. Denn „Airborne“ ist nicht das höchste Fahrgeschäft von Willy Ordelman. Er hat noch einen Free-Fall-Turm mit 90 Metern Höhe. Doch „Airborne“, das ist sein Schätzchen. Die Neuheit. Oder wie selbst die Mitarbeiter anderer Fahrgeschäfte auf dem Parkplatz sagen: die „Hauptattraktion“.

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Sim-Jü 2022: So lief der Aufbau des Fahrgeschäftes "Airborne"

Das Fahrgeschäft "Airborne" gilt als Highlight der Sim-Jü-Kirmes 2022. Und das im wahrsten Sinne des Wortes, denn mit seinen 65 Metern Höhe überragt es alle anderen Attraktionen. So wurde das Fahrgeschäft aufgebaut.
18.10.2022
Schlagworte Sim-Jü

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