
Sexuelle Enthaltsamkeit gehörte trotz Zölibats nicht zu den Stärken eines früheren Werner Pfarrers. © Symbolbild Unsplash
Zölibat, nein danke: Ein Werner Pfarrer und sein Verhältnis zur „Mönchshure“
Stadtgeschichte
Das Zölibat ist nicht jedermanns Sache. Das zeigt ein Blick in alte Ratsprotokolle. Wegen ihres Verhältnisses zu einem Pfarrer genoss Herzlieb Herzig einen unrühmlichen Ruf - und zog vor Gericht.
Wenn heute in der katholischen Kirche, vor allem in Deutschland, über das (oder den, laut Duden beides möglich) Zölibat und die Rolle der Frau bezüglich kirchlicher Ämter diskutiert wird, so kann man vor fast 500 Jahren zu Ausgang des Mittelalters einige interessante Aussagen hierzu, unter anderem in den Ratsprotokollen und dem Bürgerbuch der Stadt Werne, nachlesen.
Die kirchliche Situation in Werne wurde seit 1122, als Gottfried von Cappenberg vor genau 900 Jahren seinen ganzen Besitz an den Prämonstratenserorden übergab, von diesem Kloster bestimmt. Die Christophorus-Kirche mit all ihren Pfründen war Teil dieses reichen Klosters. Alle bis 1803 in Werne residierenden Pfarrer gehörten dem Prämonstratenserorden an und lebten in Cappenberg, hatten aber auch Häuser auf dem Kirchhof rund um die Werner Kirche.
Verheerendes Bild bei Vikarien in St. Christophorus
Die meisten von ihnen waren adliger Herkunft, so zum Beispiel Rudolf von Ascheberg, Matthias von Harmen, Rudolf von Hövel, von dem wahrscheinlich das Messgewand (Kasel) stammt, das in der Christophorus-Kirche ausgegraben wurde und seit 2004 im Museum ausgestellt ist, und das eventuell auch von seinen Vorgängern im Amt getragen wurde.

Viele Geschichten aus er Werner Vergangenheit lassen sich noch gut rekonstruieren - zum Beispiel anhand von Auszügen aus dem Bürgerbuch und Ratsprotokollen. © Förderverein Stadtmuseum
Ein kirchlicher Visitationsbericht aus dem 16. Jahrhundert zeichnet ein verheerendes Bild von den Verhältnissen der Vikarien, die zu jener Zeit in der Pfarrei St. Christophorus vorhanden waren. Die geistlichen Amtsinhaber (Vikare) mussten genau festgelegte kirchliche Dienste leisten, so zum Beispiel Messen lesen für das Seelenheil der Spender, die diese Pfründe gestiftet hatten.
Diese waren oft auch mit Altären in der Pfarrkirche ausgestattet und zusätzlich bekam der Vikar eine Wohnung am Kirchhof gestellt. In dem Visitationsbericht heißt es von einem „Kaplan, der in Werne selbst nicht wohnte, in seiner Vikarie dagegen ein Weibsbild wohnte, das nicht einmal zur Zeit der Niederkunft (Geburt) das geistliche Haus verlassen wollte (…) Drei andere Vikarien hatten junge Studenten, welche die Kölner Hochschule besuchten, die alle nicht daran dachten, Priester zu werden“.
Wennemar von Harthe zeugte mehrere Kinder
Auch aus anderen Orten des Oberstifts Münster wurden erhebliche Mängel bei der Dienstauffassung der Geistlichkeit festgestellt, so dass der Münsteraner Fürstbischof Friedrich III. von Weda in der Sakristei der Werner Pfarrkirche zehn Jahre nach seinem Amtsantritt, wie es in der Chronik von Overhage und Brüggemann heißt, im Glauben schwankend und des Regierens müde sein Amt im Jahre 1532 niederlegte.

Die ehemalige Museumsleiterin Heidelore Fertig-Möller zeigt auf das Gewand, das 2004 im neuen Anbau ausgestellt wurde. © Förderverein Stadtmuseum (A)
Auch der Propst von Cappenberg Wennemar von Harthe, der gleichzeitig Pfarrer in Werne war, nahm es mit dem Zölibat nicht so genau, denn er hatte eine Mätresse, mit der er „auf natürlichem Wege zwei Kinder gezeugt habe“ (das heißt ohne das Sakrament der Ehe), und die er in einem der geistlichen Häuser am Kirchhof wohnen ließ – sie hieß Herzlieb Herzig und war wahrscheinlich Halbjüdin mit christlichem Glauben.
Von ihr erfahren wir aus den Ratsprotokollen von 1593, die der Stadtsekretarius Johann Hoevemann verfasst hat. Sie reichte offiziell Klage gegen den Amtsrentmeister Johann Horsteroff wegen Beleidigung ein, da er sie, nachdem sie aus ihrem Garten kommend durch das Werner Neutor ging, vor Zeugen mit „Mönchshure, Pfaffenhure und Scheißhure“ beschimpfte, später sogar noch mit „Schandhure und Kackhure“ titulierte.
Viele Seiten sind in den Ratsprotokollen diesem Vorfall gewidmet, denn alle Zeugen mussten dazu unter „Vorwarnung eines Meineides“ gehört werden, bis endlich ein abschließendes Urteil vom Ratsgericht gefällt werden konnte. Der Amtsrentmeister musste sich daraufhin bei Herzlieb Herzig entschuldigen.
Im Zuge der Gegenreformation im 17. Jahrhundert wurde dann das Zölibat von der katholischen Kirche wesentlich strenger gehandhabt und ist auch heute noch ein wesentlicher Bestandteil des Priestertums. Noch im Jahre 1967 hat Papst Paul VI. in der Enzyklika „Sacerdotalis caelibatus“ erneut das Zölibat bestätigt.