
Das richtige Schuhwerk ist wichtig. Christiane Fahle setzt auf diese bequemen, eingelaufenen Schuhe. © Jörg Heckenkamp
Pilgerin aus Werne im Video: „Ich schaffe die Strapaze, weil ich es schaffen will“
Fußwallfahrt nach Werl
Zum neunten Male geht Christiane Fahle bei der Fußwallfahrt nach Werl mit. Hin und zurück. Zwei Mal 32 Kilometer in 48 Stunden. Sie fiebert dabei auf diesen einen, besonderen Moment.
Christiane Fahle geht am 6. und 7. August 2022 zum neunten Male die Fußwallfahrt nach Werl mit. Sie gehört zum harten Kern derjenigen, die innerhalb von zwei Tagen den Weg von 32 Kilometern zwei Mal bewältigen. Dabei freut sie sich ganz besonders auf diesen einen Monat, „der für mich fast unbeschreiblich ist“, sagt die 57-Jährige und lächelt. Das tut sie häufig im Gespräch mit dem Reporter.
„Es ist auch schön, wenn man am Samstag in der Kirche in Werl ankommt“, sagt sie, „aber viel, viel schöner ist der Moment, wenn man am Sonntag auf dem Rückweg wieder Werne erreicht.“ Wenn der Zug der Rückkehrer die Lippebrücke im Evenkamp überquert, wenn es Richtung Innenstadt und schließlich Richtung Kloster geht, „wenn die Leute dir zujubeln und dich beklatschen. Für diesen Moment habe ich noch keine Vokabel gefunden“. Gänsehaut-Gefühl, ja, aber das Wort reiche nicht aus für ihre Gefühle. Jetzt lächelt sie wieder.
Christiane Maria Fahle, geboren 1965 in Werne, verheiratet, vielseitig interessiert, sportlich, ist eher zögerlich zur Fußwallfahrt gekommen. „Eine Bekannte hat mir immer wieder mal davon vorgeschwärmt und mich animiert, mitzukommen.“ Doch Jahr für Jahr kam irgendwas dazwischen. Nie hatte sie am letzten Wochenende der NRW-Sommerferien Zeit. Doch schließlich fasst Fahle im Sommer 2013 ganz spontan einen Beschluss. Am Abend vor dem Start sagt sie sich: „Ich gehe mit.“

Seit neun Jahren geht die 56-Jährige die Fußwallfahrt mit. Beweis: die Einträge in ihrem Pilgerbuch. © Jörg Heckenkamp
Sie ruft am Freitag ihre Bekannte an und fragt, was man benötige: „Passende Schuhe und passende Kleidung“, habe die geantwortet. Der Rest ergebe sich von allein. Am nächsten Morgen, Samstag, macht sich Christiane Fahle mit 224 weiteren Pilgern auf den Weg nach Werl. „Ob ich auch den Rückweg am nächsten Tag gehen würde, war da noch nicht klar.“
Nach dem Hinweg fuhr sie wieder ins heimatliche Werne, ruhte sich aus und entschied spontan: „Ich mache auch den Rückweg.“ Ihr Mann fuhr sie Sonntagmorgen wieder nach Werl, wo die zweiten 32 Kilometer anstanden. Traditionell geht in den vergangenen Jahren nur etwa die Hälfte der Hin-Pilger beide Wege. „Das hat schon etwas von hartem Kern, es ist eine besondere Atmosphäre.“
Vor allem dann, wenn der Zug die Stadtgrenzen Wernes erreicht. Ein erhebendes, fast unbeschreibliches Gefühl, sagt sie: „Der Rückweg hat für mich eine ganz besondere Qualität.“ Das Gefühl konnten auch die Schmerzen in den Beinen nach der 64-Kilometer-Strapaze nicht beeinträchtigen.

In dieser Kleidung macht sich Christiane Fahle am 6. August auf die 32 Kilometer Richtung Werl. © Jörg Heckenkamp
Was schätzt sie sonst noch an der Fußwallfahrt von Werne nach Werl? „Die Gemeinschaft“, sagt sie spontan. Dann wird sie nachdenklicher: „Der Weg macht was mit mir. Ich bin im Gespräch, mit Gott und mit mir selbst.“ Ihre persönlichen Themen des vergangenen Jahres fänden auf der Wallfahrt „eine Antwort. Das gibt mir Raum für Leichtigkeit.“
Hatte sie damals, vor neun Jahren, keine Angst vor den körperlichen Strapazen? „Ich spiele Golf, lege also regelmäßig viele Kilometer zu Fuß zurück“, sagt sie. Schlank und sportlich wirkt sie und ergänzt: „Ich absolviere nie vorher ein Wander-Training.“ Ihr hülfen zudem Yoga und vor allem eines: „Mein Wille.“ Sie schaffe die Strapaze, „weil ich das will“.
Christiane Fahle möchte andere zum Pilgern animieren. Wer nur eine Strecke gehen will, solle das tun. Wer unterwegs eine Pause benötigt, kann sich solange ins Begleitfahrzeug setzen. Klar, es ist kein leichter Weg, 32 Kilometer in forschem Tempo, nur mit zwei größeren Pausen. Aber es lohne sich, sagt sie, und lächelt ein letztes Mal: „Es ist eine ganz besondere Gemeinschaft auf dieser Wallfahrt.“
Jeden Tag Menschen hautnah - nichts ist spannender als der Job eines Lokalredakteurs. Deshalb möchte ich nichts anderes machen - seit mehr als 35 Jahren.
