
Zum 399. Male begeht die Stadt Werne am Sonntag, 26. Juni 2022, die sogenannte Stadtprozession. © Förderverein Stadtmuseum Werne
Propst wollte 1622 Dankprozession in Werne ausbremsen
Geschichte in Werne
Im nächsten Jahr findet bereits zum 400. Male die Dankprozession der Stadt Werne statt. Doch der Auftakt vor vier Jahrhunderten gestaltete sich holprig.
Am kommenden Sonntag, 26. Juni 2022, ist es wieder soweit, denn zum 399. Male wird in Werne die sog. Stadtprozession durchgeführt. Sie beruht auf einer Genehmigung durch den Propst von Cappenberg, Theodor Hane, am 13. Mai 1623.
In den Ratsprotokollen von 1622 und 1623 ist nachzulesen, wie intensiv sich die Ratsherren von Werne bemüht haben, diese Dankprozession durchführen zu dürfen. Doch der Propst von Cappenberg, der gleichzeitig Pfarrer in Werne war, war zunächst einmal gar nicht geneigt, diesem Ansinnen aus Werne stattzugeben. Erst nach mehrmaligem Ersuchen durch den Bürgermeister gab der Propst als höchster kirchlicher Würdenträger von Werne die Erlaubnis anhand einer Urkunde, die übersetzt aus dem Lateinischen wie folgt lautet:

Mit dieser Urkunde aus dem Jahre 1623 genehmigte der Propst von Cappenberg die jährliche Durchführung einer Dankprozession, weil Werne von einer Verwüstung zu Beginn des 30-jährigen Krieges verschont geblieben ist. © Förderverein Stadtmuseum Werne
„Wir, Theodor Hane, durch göttliche Vorsehung Propst von Cappenberg, Archidiakon der Pfarrkirche von Werne, erbieten… unseren Gruß. Als der Magistrat der Stadt Werne uns nachdrücklich bat, dass wir zur ewigen Erinnerung wegen der hinterhältigen Machenschaften der Soldaten Herzogs Christians von Braunschweig, mit denen sie in dieselbe Stadt im Jahre 1622, am 6. Mai, einem Freitag unmittelbar nach Christi Himmelfahrt – wenn die Milde der göttlichen Macht diese Machenschaften nicht zunichte gemacht hätte – einzudringen versuchten, an demselben Tage eine feierliche Prozession mit dem verehrungswürdigen Sakrament einzurichten, konnten und durften wir eine so ehrenvolle und demütige Bitte nicht abschlagen……Zum Zeugnis dafür bekräftigen wir diese Urkunde mit der Unterschrift und dem Aufdruck des Archidiakonatssiegels. Gegeben zu Cappenberg, 13. Mai im Jahre 1623, L.S. Theodor Hane, Propst“.
Warum eigentlich eine Dankprozession?
Aufgrund dieser Genehmigung wurde in Werne jahrhundertelang immer am 6. Mai die Stadtprozession abgehalten - seit einiger Zeit aber jeweils am zweiten Sonntag nach Fronleichnam. Aber warum nun legten die Bürger von Werne und ihre Vertreter im Magistrat so großen Wert auf die Abhaltung einer Dankprozession?
Der sogenannte 30-jährige Krieg ( 1618-48 ) hatte erst vor drei Jahren begonnen und war noch gar nicht bis nach Westfalen vorgedrungen. Doch da kam im Herbst 1621 der junge protestantische Herzog Christian von Braunschweig-Wolfenbüttel, warb mit holländischem Geld Söldner an und überzog zunächst das Niederstift Münster mit Plünderung und Zerstörung.
Den Winter 1621/22 verbrachte er dann in Westfalen, im katholischen Oberstift Münster, eroberte Lippstadt, Soest und Paderborn, wo ihm der Paderborner Domschatz in die Hände fiel, so dass er noch mehr Soldaten anwerben konnte. Er machte den Satz: „Der Krieg ernährt den Krieg“ zu seiner Maxime.
Werner Bauern-Jungen verdingen sich als Söldner
Viele Bauern packten ihre Habseligkeiten zusammen und zogen von Haus und Hof aus, mitten im eisigen Winter, ohne Obdach und ohne Nahrung, um vielleicht einer streifenden Rotte zur willkommenen Beute zu werden oder unter freiem Himmel umzukommen. Einige der jüngeren Bauernsöhne verließen ihr Elternhaus und schlossen sich oft aus Not und Verzweiflung den umherziehenden Söldnertruppen an.
Im Kirchspiel Werne sind, nach Berichten des Amtsdrosten Franz von Ascheberg vom 17.9.1623, mehrere in den Militärdienst eingetretene Personen nach ihrer Rückkehr in die Heimat „ihrer Untaten wegen“ hingerichtet worden. Am 3. Mai 1622 zog Christian nun mit einer starken Heeresmacht von Lippstadt Richtung Münster und wäre sicherlich von Cappenberg kommend auch in Werne eingefallen, wenn sich nicht 40 Reiter aus Olfen dort aufgehalten hätten. Diese Streitmacht soll Herzog Christian dazu veranlasst haben, lieber andere Ortschaften heimzusuchen. In der Chronik der Vikare Overhage und Brüggemann von 1843 ist dagegen zu lesen, dass ein starker Nebel Werne für Christian unsichtbar machte.
Wie auch immer – Werne war eine der wenigen Städte, die einigermaßen unversehrt das erste Jahrzehnt des Dreißigjährigen Krieges überstand, wenn auch später in den 30er Jahren des 17. Jahrhunderts noch des Öfteren feindliche Truppen das kleine Lippestädtchen einnahmen, plünderten und ihnen zum Dank die Pest brachten, wie in den Jahren 1636/ 37, als fast die Hälfte der Bevölkerung, 313 an der Zahl, an dieser schrecklichen Krankheit starb.
In Oberammergau wurde aus diesem Grunde im Jahre 1632 ein Gelübde abgelegt, dass alle zehn Jahre das Leiden und Sterben Christi von der einheimischen Bevölkerung aufgeführt werden sollte, und seither ist kein einziger Bürger in Oberammergau mehr an der Pest verstorben, bis auf den heutigen Tag.
Auch Werne begeht nun zum 399. Male am 26. Juni 2022 zum Gedenken an die Bewahrung vor den schrecklichen Truppen des Christian von Braunschweig die Stadtprozession, beginnend mit einem Dankgottesdienst um 10 Uhr in der Christophorus-Kirche und einem anschließenden Umzug durch die historische Altstadt von Werne. Vielleicht werden Gottfried Forstmann und Marita Gräve im nächsten Jahr anlässlich der 400. Wiederkehr dieser Dankprozession ein Stadtspiel auf dem Kirchhof mit diesem historischen Hintergrund inszenieren, ähnlich wie es schon 2012 und 2017 mit großem Erfolg stattgefunden hat.