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Klare Kante: Ihr Pseudo-Umweltschützer geht mir auf den Bio-Sack!
Kommentar
Plastiktüten, Silvesterböller, Kassenbons – die Liste der Dinge, die die Erde zerstören, wird immer länger. Aber: Das gilt auch für die Liste der Pseudo-Umweltschützer und Öko-Heuchler. Ein Kommentar.
So viel vorab: Ich habe nichts gegen Umweltschutz. Und ich achte tatsächlich an der ein oder anderen Stelle im Alltag darauf, unseren Planeten nicht zu zerstören. Das liegt einerseits daran, dass ich gerne noch ein Weilchen hier leben würde. Und andererseits spielt natürlich das Gewissen eine Rolle. Denn wer möchte schon gerne für den Weltuntergang verantwortlich sein?
Manchmal beschleicht mich aber das Gefühl, als wäre genau das der Fall. Ich bekomme es quasi am eigenen Leib zu spüren. Das liegt aber nicht an der Erderwärmung, sondern an der steigenden Zahl der Pseudo-Umweltschützer und Öko-Heuchler. Die fuchteln mir bisweilen mit ihrem moralischen Zeigefinger vor der Nase herum - und gehen mir damit gewaltig auf den Bio-Sack.
Vom Salat-Esser zur Umwelt-Sau
Diese verachtenden Blicke und das Getuschel an der Supermarktkasse, als ich mich kürzlich dazu erdreistete, eine Plastikgabel für meinem Salat-to-go mitzunehmen. „Du Umwelt-Sau hättest das Zeug ja auch mit den Fingern futtern können“, haben sich die beiden Mädels vor mir wohl gedacht.
Und dann die Empörung, als die Bekannte feststellte, dass ich das eingekaufte Obst in der Papiertüte nach Hause transportierte: „Schon mal was von Unverpackt-Läden gehört?“ Ja, kenn‘ ich. War aber gerade keiner in der Nähe.
Oder die Frau im Café, die sich lauthals über den Plastikstrohhalm in ihrem Glas beklagte: „Das gibt‘s doch nicht! Denkt Ihr Gastronomen denn gar nicht an die Umwelt!?“
Unverpackt und penetrant
Das Blöde an diesen Geschichten: Die Unverpackt-Lady schwärmt mir sonst in schöner Regelmäßigkeit von ihren zahlreichen Flugreisen vor. Und die Strohhalm-Gegnerin hatte ihrem Gesprächspartner erst kurz vor ihrem Umwelt-Plädoyer davon berichtet, dass sie jeden Tag mit dem Auto zur Arbeit fährt - obwohl sie zu Fuß eigentlich auch nur zehn Minuten für den Weg benötige. Man gönnt sich ja sonst nichts.
Und nachdem die Mädels an der Kasse bezahlt hatten, verstauten sie den abgepackten Käse, Chipspackungen und Co. in ihrem Stoffbeutel mit dem Bio-Logo. Schau mal einer an! Nicht überall, wo Bio drauf steht, ist auch Bio drin.
Damit das klar ist: Es geht hier nicht um das stumpfe Argument „Kehre erst mal vor deiner eigenen Tür“. Es geht um Überzeugung, um die penetrante Art, um die Verurteilung anderer, um Authentizität - und eben um Heuchelei. Denn sobald das Thema Umwelt aufkommt, scheinen mir immer mehr Menschen die Fähigkeit zur Selbstreflexion verloren zu haben - genauso wie ihre guten Manieren.
Gleichzeitig aber fordern sie von anderen ein besseres Umweltbewusstsein: „Bienensterben? Da muss man etwas gegen tun“, ruft dann der Eigentümer des Einfamilienhauses erzürnt aus seinem als Steinwüste angelegten Vorgarten. Image-Arbeit statt Insekten-Rettung. Besten Dank dafür!
Ich habe einen heißen Öko-Tipp für alle Pseudo-Umweltschützer: Einfach mal in sich gehen, statt sofort zur nächsten Demo ziehen. Sich selbst hinterfragen, statt nur verbal auf andere einzudreschen. Das wäre gut fürs Klima. Für das der Diskussion und für das der Erde.
Geboren 1984 in Dortmund, studierte Soziologie und Germanistik in Bochum und ist seit 2018 Redakteur bei Lensing Media.
