Kirche bittet Werne bei Kita-Finanzierung um Hilfe
Defizite in Einrichtungen
Die Kosten für Kitas steigen – nicht nur wegen der Kindpauschalen, sondern auch wegen höherer Betriebskosten. Die Stadt Werne hat deshalb bereits die Elternbeiträge erhöht – sieht sich aber nun auch mit der Bitte der katholischen Kirche konfrontiert, deren Defizit in den Kindertageseinrichtungen anteilig mitzutragen.

Blick in den zweiten Raum, in der auch eine Wickelkommode für die Kleinen steht.
Dem Wunsch der katholischen Kirchengemeinde, Teile ihres Defizits bei den Kitakosten mitzutragen, wird die Verwaltung wohl nachkommen. „Wir gehen mit diesem Vorschlag in die nächste Sitzung des Jugendhilfeausschusses“, kündigte Jugendamtsleiter Alexander Ruhe an.
Plätze werden gemäß der Katholiken vergeben
Konkret habe die für das kirchliche Kita-Budget zuständige Zentralrendantur darum gebeten, dass die Stadt sich in der gleichen prozentualen Höhe der Kosten beteiligt wie die katholischen Einrichtungen im laufenden Jahr überbelegt sind. Heißt: Nehmen die vier Kitas zehn Prozent mehr Kinder auf als sie Plätze durch das Bistum Münster finanziert bekommen, soll die Stadt auch zehn Prozent der Mehrkosten für die Kirche übernehmen.
Der Stadt kommt dabei entgegen, dass das Bistum Münster die Kita-Plätze gemäß der Anzahl der Katholiken vergibt. Andere Bistümer gehen hingegen von einem festen Trägeranteil aus – unabhängig von der tatsächlichen Anzahl der Kinder. „Natürlich wissen wir nicht, wie sich die Zahl der Katholiken entwickelt“, sagt Alexander Ruhe. Außerdem sei unsicher, wie groß das Defizit in den Kitas wird.
Interview mit Jürgen Schäfer und Ruth Dellwig
Wir haben mit Pfarrdechant Jürgen Schäfer und Ruth Dellwig von der Zentralrendantur über die Situation des Bistums gesprochen.
Die Kirche möchte das Defizit in ihren Kindertageseinrichtungen nicht allein tragen. Hat sie etwa nicht genug Geld?
Dellwig: Der Haushalt für die Kindertagestätten ist streng getrennt vom restlichen Kirchenhaushalt. Anders wäre das rechtlich auch gar nicht möglich, weil unter anderem das Kita-Jahr immer vom 1. August bis zum 31. Juli läuft. Das „Finanzierungssystem“ für die Kitas ist durch das Kibiz geregelt, außerdem gelten für die Kirchengemeinde die haushaltsrechtlichen Vorgaben des Bistums.
Schäfer: Wir haben verschiedene Haushalte, zum Beispiel auch einen für den Friedhof. Wir dürfen nicht einfach Geld von irgendwo her nehmen, um ein Defizit an anderer Stelle auszugleichen.
Und die Kitas arbeiten defizitär?
Dellwig: Ja. Das hat nichts mit der Arbeit zu tun, sondern mit dem in sich geschlossenen System der Finanzierung. Alle Ausgaben der Kitas (Personal- und Sachkosten) müssen komplett aus den Kindpauschalen gemäß Kibiz bezahlt werden. Diese Pauschalen sind seit Einführung des Kibiz jährlich um 1,5 Prozent erhöht worden. Bei den regelmäßigen Tariferhöhungen gab es hingegen auch mal vier Prozent mehr.
Schäfer: Hinzu kommen Ausgaben für den U3-Ausbau und laufende Kosten wie die Pflege der Anlagen oder die Verpflichtung, Rücklagen zu bilden. Das ist völlig utopisch.
Wie hoch ist das Defizit der vier katholischen Kitas in Werne?
Schäfer: Ich würde sagen, im letzten Kita-Jahr (2015/16) ca. 140.000 Euro insgesamt.
Und wer gleicht das aus?
Dellwig: Das Bistum, allerdings unter der Voraussetzung, dass sich auch die Kommune beteiligt. Kitas sind schließlich kommunale Aufgaben, und die Träger sind nicht verantwortlich für das Defizit.
Schäfer: Außerdem verlangt das Bistum, dass wir das Defizit innerhalb von drei Jahren abbauen. Aber wie soll das gehen? Beim Personal können und wollen wir nicht sparen, weil Eltern und Kinder auch einen Anspruch auf eine gewisse Qualität in den Einrichtungen haben. Außerdem müssen wir laut Gesetz eine bestimmte Anzahl an Personalstunden vorhalten; diesem Wert haben wir uns schon so weit genähert, dass wir gar nicht weiter kürzen könnten, ohne die Vorgabe zu unterschreiten. Viele andere Möglichkeiten haben wir nicht – aber es kann ja nicht sein, dass wir als Träger am Ende als einzige Verlierer dastehen.
Was wäre die Alternative?
Schäfer: Das Bistum sagt ganz klar: Wenn sich die Situation so weiter entwickelt, müssen wir uns auf das reduzieren, was wir uns leisten können. Mit anderen Worten: Es würden Einrichtungen geschlossen bzw. Plätze abgebaut. Aber das ist der schlimmste Fall, den auch in Münster niemand will.
Also soll die Stadt Werne das Defizit mittragen.
Dellwig: Da das Defizit sozusagen systembedingt ist und nicht durch eine schlechte Haushaltsführung des Trägers verursacht wird, erwartet das Bistum eine Beteiligung der Kommune.
Schäfer: Das kann ja auch keine Dauerlösung sein. Bei der nächsten Revision des Kinderbildungsgesetzes muss auf eine realistische Finanzierung geachtet werden.
Nun haben Sie als Kirche den Vorteil, dass das Bistum Ihnen beim Defizit hilft. Wie sollen das andere Träger machen?
Dellwig: In erster Linie, durch günstigeres Personal, dessen Qualifikation aber natürlich auch beim Landesjugendamt nachgewiesen ist. Grundsätzlich muss man aber auch sagen, dass Erzieherinnen gemessen an ihrem Bildungsauftrag schlichtweg unterbezahlt sind.
Schäfer: Wir sind ja froh darüber, dass wir viele Erzieherinnen haben, die schon sehr lange für uns tätig sind. Aber die sind natürlich auch teurer. Wenn die Generation in Rente geht und Jüngere kommen, wird sich auch unsere finanzielle Situation wieder ändern.
Das Volumen des Bistumshaushalt für den Bereich in Nordrhein-Westfalen war für 2016 mit rund 470 Millionen Euro kalkuliert. Laut Haushaltsplan besteht die Finanzierung zu rund 90 Prozent aus Kirchensteuern. Für die nächsten 20 Jahre wird ein Rückgang der Kirchensteuer um 33 Prozent erwartet. Die Zuweisungen an die Kirchengemeinden für Kindertageseinrichtungen betrugen 2016 laut Plan rund 30 Millionen Euro.
Wie sieht diese Situation denn momentan aus?
Schäfer: Je nach Einrichtung werden circa 95–100 Prozent der Kindpauschalen zur Deckung der Personalkosten benötigt. Damit führen schon fast alle Sachausgaben – Heizkosten, Spielmaterial, Gebäudeunterhaltung etc. – automatisch ins Defizit.
Dellwig: Dieses Defizit ist ja auch nicht plötzlich gekommen. Wir haben über die Jahre unsere Rücklagen aufgezehrt – nun geht es einfach nicht mehr.
Wie errechnet sich der reguläre Zuschuss durch das Bistum?
Dellwig: Pro 60 Katholiken mit Hauptwohnsitz in Werne wird uns ein Kitaplatz bezahlt. Macht bei rund 16.000 Katholiken rund 260 Plätze.
Und wie viele Kita-Plätze sind es derzeit in den katholischen Einrichtungen?
Dellwig: 282 Kinder werden betreut. Wobei wir für die Kinder, die quasi über den genehmigten Plätzen liegen, keinen Zuschuss vom Bistum bekommen.
Schäfer: Wir sind aber in der glücklichen Lage, eigene Häuser und Grundstücke zu besitzen, die groß genug sind, um solche Überbelegungen zuzulassen. Vom Personal her passt das auch – aber hier gilt ebenfalls: Das kann keine Dauerlösung sein.