
© Kevin Michaelis
Karneval 1954: Helma Röttger (85) aus Südlohn erinnert sich noch genau
Karneval
Erinnerungen kann einem keiner nehmen. Besonders die schönen halten oft ein Leben lang. Helma Röttger aus Südlohn hat viele davon, auch an Karneval. Sie hat unsere Redaktion daran teilhaben lassen.
Heutzutage wird der Karneval vor allem mit bunten Kostümen, Partylaune und vielen Leckereien verbunden. Mehrere Tage lang erfreuen sich Närrinnen und Narrhallesen an witzigen Shows, akrobatischen Tanzeinlagen, den symbolischen Umzügen und jeder Menge Süßkram sowie Alkohol.
Doch dass das längst nicht immer so war, weiß Helma Röttger noch zu genau. „Alkohol gab es in der Regel nicht. Vielleicht mal ein Likörchen, aber eher Fanta und Cola. Unsere Leiterin Grunhilda Holstegge war da auch sehr streng“, verrät die heutige Rentnerin Helma Röttger.
Männerverkleidung zu Karneval
1954 war sie nämlich Mitglied einer Jugendgruppe. Diese bestand aus etwa 20 jungen Mädchen im Alter von 15 und 16 Jahren. Einige seien auch ein paar Tage älter gewesen. Ob es dort auch Männer in der Gruppe gegeben habe? „Nein, auf keinen Fall“, antwortet Helma Röttger.
„Allerdings gab es das eine oder andere Mädchen, welches sich als Mann – zum Beispiel als Cowboy – verkleidet hatte“, erinnert sie sich noch an die damalige Zeit zurück. Auch für den kleinen karnevalistischen Festakt, den sie extra eingeübt und aufgeführt hatten, schlüpften einige Mädels in die Männerrolle.

Auf die Karnevalsvergangenheit ihres Mannes schaut Helma Röttger besonders gerne zurück. © Kevin Michaelis
So erzählt sie im Laufe des Gesprächs mit der Redaktion: „Wir haben 1954 eine kleine Eifersuchtsszene nachgespielt. Ich habe ein langes Kleid und einen großen Hut getragen, eben, wie es eine alte und feine Dame zu jener Zeit trug. Eines der Mädchen war als Mann verkleidet, die spielte auch Schifferklavier.“
Zum Verzehr habe es an diesem Tage Kuchen und Berliner gegeben. Entweder mit einer süßen Füllung oder mit Senf. Und Kartoffelsalat mit Würstchen. „Dabei haben wir auch laute Musik gehört. Das hat sich im Vergleich zu heute nicht wirklich verändert“, erzählt Helma Röttger.

Auf die Karnevalsvergangenheit ihres Mannes schaut Helma Röttger besonders gerne zurück. © Kevin Michaelis
Gemeinsam mit den anderen aus der Jugendgruppe war Helma Röttger auf der Realschule St. Anna in Stadtlohn. Extra nur für Mädchen. Dorthin ging es täglich mit dem Bus hin und zurück. Die Lehrerin fuhr ebenfalls mit. Bis auf einen Ausflug im Sommer trennten sich im Anschluss allerdings die Wege der Mädchen.
Karneval in der Schule gefeiert – unter Mädchen
„Deshalb haben wir auch nur in diesem einen Jahr zusammen Karneval gefeiert. Viele sind dann wegen des Berufslebens woanders hingegangen und weggezogen“, so Helma Röttger.
Nachdem Helma Röttger die Realschule beendete, ging sie selbst zunächst nach Münster. Für ein Praktikum in der landwirtschaftlichen Hauswirtschaftslehre. In den darauffolgenden Jahren besuchte sie die Fachschule und die Universität. Anschließend arbeitete sie in der freien Wirtschaft in Bad Rothenfelde und leitete dort ein Kinderheim.
„Durch den Krieg gab es damals viele Bildungslücken. Als ich nach Bad Rothenfelde kam, da gab es das erste Mal auch richtig gutes Geld zu verdienen. Das war natürlich toll“, blickt die 85-Jährige zurück.
Karneval als Teil des Lebens
Den Karneval hat sie dabei allerdings nie aus den Augen verloren. Ihre Schwester lebe nämlich in Mainz. „Wir haben dort auch mal an zwei Büttsitzungen teilgenommen. Danach ging es dann noch ordentlich feiern, das war schön. Meist waren wir richtig schick gekleidet. Die Männer mit dunklen Anzügen und die Frauen in langen Kleidern. Sehr festlich und weniger bunt“, erinnert sie sich.
Generell seien die Besuche bei ihrer Schwester immer mindestens über eine ganze Woche lang gegangen. Mit den Jahren hätten sie und ihr Mann sich dann aber auch in die verschiedensten Kostüme geworfen. Etwa als Matrose und Matrosin oder Scheich und Prinzessin. „Wir haben uns immer gleich angezogen. Alles war von mir auch selbst genäht“, so Helma Röttger.
Auch heute verfolgt sie das Geschehen der feierlustigen Jecken zu Karneval noch ganz genau. Egal, ob ihm Fernsehen oder die Umzüge, die sie sich in Südlohn immer noch vor Ort anschaue. Oder beim Seniorennachmittag, da trage sie auch ein paar „Karnevalsspäßchen“ und Witze über die Omas vor.
Die Gänge zum Festwirt in der Nachbarschaft spare sie sich mittlerweile allerdings. „In unserem Alter geht man da heute nicht mehr hin. Früher haben wir mit dem Nachbarschaftskaffee unter den Frauen begonnen und die Männer kamen am Abend dann dazu“, berichtet Helma Röttger abschließend über ihre einzigartigen Karnevalserlebnisse.
Gebürtig aus Unna, wohnhaft in Münster. Seit Juni 2021 bei Lensing Media. Leidenschaftlicher Fußballer und Triathlet. Immer auf der Suche nach erzählenswerten Sportgeschichten.
