
© Stefan Grothues
Stadtlohner Schulen werden digitaler – aber sie sind längst nicht am Ziel
Schulumfrage
Eine Million Euro aus dem Digitalpakt fließen in die Stadtlohner Schulen. Tablets und digitale Tafeln sind auf dem Vormarsch. Aber es gibt immer noch Lücken, wie unsere Schulumfrage zeigt.
Digitalisierung der Schulen macht Freude – wenn sie gelingt. Die neuen Touchscreentafeln im Geschwister-Scholl-Gymnasium (GSG) jedenfalls reizen den Bürgermeister und den Ersten Beigeordneten der Stadt Stadtlohn bei der offiziellen Übergabe zu spielerischen Entdeckungen mit dem digitalen Geodreieck und der Fingerkuppe anstelle von Kreide. Aber so einfach ist das mit der Digitalisierung eben nicht.
An diesem Freitag jedoch schaut Jochen Wilsmann der experimentierenden Verwaltungsspitze lächelnd zu. „Das ist eine Revolution im Klassenzimmer“, sagt der Schuleiter des Gymnasiums. Er freut sich ohnehin über die Renovierung der 14 Klassenräume im Trakt C der ehemaligen Owweringschule. Die neuen Touchscreen-Tafeln sind für ihn aber ein echtes unterrichtspädagogisches Highlight.
Digitale Tafeln sind nicht unbedingt Neuland für das GSG. Bislang gab es aber nur Beamersysteme, die längst nicht die Fülle der Einsatzmöglichkeiten bieten und deren Handhabung umständlicher ist. Die neuen Touchscreentafeln lassen sich wie die gute alte Kreidetafel nutzen und bieten gleichzeitig und unkompliziert die Möglichkeit, die Tablets von Schülern und Lehrern zu vernetzen, Apps zu installieren, Präsentationen zu zeigen, Filme oder Musik vorzuführen. „Das hat eine ganz neue Dynamik“, sagt Jochen Wilsmann.
Eine Million Euro für die Digitalisierung der Schulen
35 Touchscreen-Tafeln hat die Stadt Stadtlohn angeschafft, allein 29 sind für das Gymnasium bestimmt. Zusätzlich hat die Stadt über 500 iPads bestellt, 249 Geräte für die Lehrerinnen und Lehrer sind bereits ausgeliefert worden. 270 Geräte für die Schülerinnen und Schüler sind bestellt und sollen Ende Februar ausgeliefert werden. Über eine Million Euro, zum größten Teil aus Mitteln des Digitalpakts Schule sind in diese Anschaffungen geflossen.
Das klingt nach erfolgreicher Digitalisierung. Bei der Digitalisierung der Schulen gibt es in Stadtlohn wie auch anderswo noch viel aufzuholen. Das zeigen die Ergebnisse unserer großen Schul-Umfrage mit über 2200 Teilnehmern.
Rund 50 Väter, Mütter, Lehrer und Schüler aus Stadtlohn haben sich an dieser Umfrage beteiligt, deren Ergebnisse zwar nicht repräsentativ sind, aber dennoch viele Hinweise auf Lücken geben.
Kritische Stimmen von Eltern
„Ich habe zwei schulpflichtige Kinder und für Stadtlohn zurzeit einen guten Vergleich von der Realschule zum Gymnasium. Es bedarf wirklich der Fortbildungen für Lehrer für die Digitalisierung! Die St.-Anna-Realschule ist ein Vorreiter, man sieht dort, wie es funktionieren kann“, kommentiert ein Elternteil aus Stadtlohn in unserer Umfrage.
Ein anderes Elternteil schreibt: „Es gibt massive Probleme mit der Nutzung von IServ (Abstürze, Tonprobleme), Lehrer werden alleine gelassen und müssen sich selbst zurechtfinden, lange Lieferzeiten für Tablets durch europaweite Ausschreibung an den Schulen, instabiles und überlastetes Internet, schlechter Ausbau der Glasfaser in Randgebieten, Gespräche mit Telefonanbieter bringen keine Besserung, Eltern müssen für digitale Ausstattung sorgen (bei mehreren Kindern nicht so einfach).“
Klaus-Dieter Weßing, Fachbereichsleiter für die Schulen im Rathaus, will die Probleme nicht schönreden. „Die Digitalisierung ist ein echter Kraftakt. Unsere EDV arbeitet mit Hochdruck am Ausbau des W-Lan-Netzes in den Schulen.“ Die Herta-Lebenstein-Realschule sei jetzt komplett abgedeckt, beim Gymnasium, bei der Losbergschule und den Grundschulen gebe es aber noch Lücken.
Politik bekommt in der Umfrage keine guten Noten
Und manches gehe einfach nicht schneller. Weßing: „Das Ausschreibungsverfahren ist komplex. Und bei der Lieferung der iPads gibt es Wartezeiten, auf die wir keinen Einfluss haben.“ Die Verzögerungen haben Auswirkungen auf das Ansehen des Digitalpaktes. Auf die Frage „Tut die Politik genug, um einen guten digitalen Unterricht zu ermöglichen?“ antworteten drei Viertel der Stadtlohner Umfrageteilnehmer mit „nein“ oder „eher nein“.
Eine gute Nachricht hat Klaus-Dieter Weßing aber für die Schulen noch: Die Administratorenstellen der Stadt für die Betreuung der Digitalisierung in den Schulen werden von 1,5 auf 2,5 aufgestockt.
Schulleiter Jochen Wilsmann lobt die Bemühungen der Stadt. „Die Abstimmung zwischen Verwaltung und Schulen ist sehr gut.“ Er sieht aber auch, dass die private St.-Anna-Realschule in Sachen Tabletversorgung für Schüler längst einen Schritt weiter ist. Die St.-Anna-Realschule begann schon 2018 mit Beteiligung der Eltern, die Eingangsklassen komplett mit Tablets auszustatten.
So weit ist das Gymnasium noch nicht. „Unsere Tablet-Abdeckung ist aber ausreichend. Wir konnten bislang allen Schülern, die kein eigenes Gerät hatten, eines zur Verfügung stellen. Es funktioniert“, sagt Jochen Wilsmann. Und: „Wir erhalten viele positive Rückmeldungen von den Eltern – natürlich auch einige kritische.“

Schulleiter Jochen Wilsmann (M.) zeigt Bürgermeister Berthold Dittmann (r.) und dem Ersten Beigeordneten Günter Wewers die Möglichkeiten der neuen digitalen Touchscreentafel. © Stefan Grothues
Auf einer Skala von 1 (sehr schlecht) bis 10 (hervorragend) würde er der Digitalisierung seiner Schule eine 7 bis 8 geben. Immerhin: In unserer nichtrepräsentativen Umfrage beurteilten die Stadtlohner Teilnehmer den digitalen Unterricht in den Stadtlohner Schulen mit einer knappen 7. Und auf die Frage „Tut die Schule genug, um einen guten digitalen Unterricht zu ermöglichen?“ antworten knapp 75 Prozent der Stadtlohner Umfrageteilnehmer mit „ja“ oder „eher ja“.
Bürgermeister Berthold Dittmann überrascht das nicht: „Ich sehe, wie flexibel und gut die Schulen auf die gegenwärtigen Herausforderungen reagierten.“ Jochen Wilsmann gibt das Kompliment an die Lehrkräfte weiter. „Die Kolleginnen und Kollegen haben jetzt deutlich mehr zu tun, gerade auch durch die Herausforderung, Distanz- und Präsenzunterricht unter einen Hut zu bekommen.“ Lob hat er aber vor allem auch für die Schülerinnen und Schüler: „Die sind zum überwiegenden Teil sehr fleißig und gehen sehr diszipliniert mit den neuen Herausforderungen um.“